Michael Draegers freie Hand ist fest um eine grüne Klappkiste geschlungen, als er auf einem Krückstock gestützt den Friseursalon in Dortmund betritt. Sein Blick schweift über die vielen Spenden, die auf dem Boden verteilt liegen. Kekse, Tiernahrung, Nudeln und Babybedarf. Sie werden einige der grünen Kisten vollmachen. Die Augen des 52-Jährigen leuchten als er sieht, wie viel es geworden ist. Auch, weil es dieses Jahr bisher schleppend läuft. Seit 17 Jahren sammelt Draeger inzwischen in der Weihnachtszeit Spenden für die Schwerter Tafel. Wie lange er das körperlich noch schafft, weiß er allerdings nicht.
Für einige Menschen in Schwerte ist Draeger so etwas wie ein Weihnachtszauberer. Jemand, der dafür sorgt, dass sie dieses Fest überhaupt feiern können. Denn die Tafel ist für viele Menschen eine wichtige Anlaufstelle, besonders in der Weihnachtszeit. Laut dem Landesverband der Tafel sind allein in NRW mehr als 500.000 Menschen auf die Tafeln angewiesen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Arbeitslosigkeit, geringe Einkommen, aber auch steigende Lebensmittelpreise. "Wir müssen generell helfen, aber in der Weihnachtszeit ist es besonders wichtig", sagt Draeger.
Spendenaktion für die Tafel in Schwerte: Eine Tafel Schokolade hilft
An der Theke im Friseursalon hängt ein Aushang, der auf die Sammelaktion hinweist. Der Salon ist eine von fünf Sammelstellen in Dortmund. Auf dem Schwarz-Weiß-Bild lächelt Draeger mit Weihnachtsmütze und Rentierpulli. Was man ihm darauf nicht ansieht, ist seine Erkrankung. Draeger leidet unter anderem an Parkinson. "An manchen Tagen geht es mir besser, da brauche ich den Stock nicht. Aber heute ist Stock-Tag." An manchen Tage, den ganz schlechten, geht es nur mit Rollator.
Gemeinsam mit Sohn Karim und einigen Unterstützern verlädt Draeger die Spenden aus dem Salon in einen Kleinbus. Leicht fällt ihm das nicht. Doch aufhören, das ginge ja auch nicht. Zu prägend sei das Erlebnis bei einer seiner ersten Spendentouren gewesen: "Ich habe immer noch vor Augen, als mich damals ein Kind fragte, ob ich der Weihnachtsmann sei." In diesem Moment beschließt er, für andere da zu sein. Und so vielen Menschen wie möglich ein schönes Weihnachtsfest zu ermöglichen.
An der nächsten Station ihrer Abhol-Tour, eine Securityfirma, wartet eine Überraschung auf den 52-Jährigen. Die Firma unterstützt Draegers Projekt seit Jahren als Sammelstation. In einem Konferenzraum hat Gründerin Cornelia Gerber etwas für Draeger aufgebaut: Ein riesengroßer Konferenztisch steht voll mit Süßigkeiten, haltbaren Lebensmitteln und Hygieneprodukten. "Vier Einkaufwägen voll", sagt Gerber. Draeger steht sprachlos in der Tür, bis er "Wahnsinn" sagt und Gerber in die Arme nimmt.
"Bist du der Weihnachtsmann?"
Gerbers Spende macht Draeger Hoffnung, sein ehrgeiziges Ziel zu erreichen. 160 grüne Kisten will er bis Weihnachten füllen. Doch der Weg dorthin ist steinig. Denn die Spendenbereitschaft sei in diesem Jahr niedriger. Von den 21 Tonnen, die vor zwei Jahren zusammen gekommen sind, ist er aktuell noch weit entfernt.
Fehlende Produkte kauft er vom gespendeten Geld, im Notfall auch aus eigener Tasche. Obwohl er das Tragen der ganz schweren Kisten inzwischen anderen überlassen muss, ist seine Leidenschaft für das Sammeln ungebrochen. "Solange ich kann, mache ich weiter", sagt er bestimmt.
Über dieses Thema haben wir auch am 18.11.2024 im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Dortmund, 19.30 Uhr.