Magdalena Bellmann und ihre Tochter Christina Karantoni im Behandlungsraum des Düsseldorfer Kosmetikstudios

Lippen-Kiefer-Gaumenspalte: Dieser Verein kaschiert Narben kostenlos

Düsseldorf | Ehrenamt

Stand: 26.06.2023, 15:51 Uhr

Magdalena Bellmann und ihre Tochter Christina Karantoni sind Permanent Make-up-Spezialistinnen. Ehrenamtlich helfen sie in Düsseldorf Menschen mit einer Lippen-Kiefern-Gaumenspalte nach der OP.

Von Agata Pilarska

Wenn Magdalena Bellmann nicht einen pinken Mundschutz, pinke Handschuhe und ein pinkes T-Shirt tragen würde, könnte man meinen, sie sei in einer Arztpraxis. Der Raum ist komplett in Weiß eingerichtet. Bellmann schiebt ihren Kopf zwischen das große Ringlicht und das Gesicht ihrer auf einer Trage liegenden Kundin. Eine Brille, die an einer Art Visier befestigt ist, lässt die Behandlung noch mehr wie einen komplizierten Eingriff aussehen. Die Kundin knautscht in der rechten Hand einen Igelball zusammen. Die linke Hand wird von ihrem Freund gehalten. Das leise Summen der Tätowiernadel ist kaum zu hören.

Im Vorraum warten bereits viele andere Mädchen darauf, dass die 46-jährige Permanent Make-up-Expertin Farbpigmente in das Narbengewebe ihrer Lippen einarbeitet. Bellman schenkt damit den jungen Frauen etwas, dass ihnen bisher keine Arztbehandlung geben konnte: Selbstbewusstsein.

Die Kunden, die gerade noch den Ball zusammengedrückt hat, das ist Madlen Heinicke. Sie ist 34 Jahre alt und wurde mit einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte geboren. Einer von 500 Menschen kommt damit zur Welt. Von der Fehlbildung können ganz verschiedene Abschnitte der Lippe, des Kiefers oder des Gaumens betroffen sein. Warum es zur Erkrankung kommt, ist bis heute nicht endgültig geklärt. In der Regel wird schon im Säuglingsalter die Lippenspalte zum ersten Mal verschlossen, damit die Säuglinge überhaupt Nahrung aufnehmen können.

Lippen-Kiefer-Gaumenspalte: OPs gehören zum Leben dazu

Durch das Wachstum verändert sich aber der Mundraum immer wieder. Das hat zur Folge, dass weitere Operationen unumgänglich sind. Heinicke hat bereits sechs davon hinter sich. Ästhetik spielte bei den Eingriffen nie eine Rolle: Die Krankenkassen bezahlen im Regelfall nur OPs gegen Einschränkungen beim Essen, Trinken oder der Aussprache. Nicht selten werden die Betroffenen wegen der Narben im Gesicht angestarrt. Auch Heinicke kennt diese Blicke und wurde in ihrer Kindheit gehänselt. Das hinterlässt auch Narben auf der Seele.

Im Nebenraum pigmentiert Bellmanns 20-jährige Tochter Christina Karantoni einer anderen jungen Frau die vernarbten Lippen. Mit einem kleinen elektrischen Gerät, das aussieht wie ein Stift, bringt sie mit einer Nadel spezielle Farbe unter die Haut. "Ich wolle eigentlich nichts mit Kosmetik machen", sagt sie, "aber jetzt bin ich stolz drauf, mit meiner Mama zusammen helfen zu können."

Bellmann ist nach etwa einer Stunde fertig. Sie reicht Heinicke den Spiegel. Plötzlich fließen Tränen über die Wangen der 34-Jährigen. Bellmann nimmt sie in den Arm und drückt sie lange. Heinicke ist erleichtert: "Ich kann jetzt endlich meine Kindheit los lassen und neu anfangen." Nie konnte sie ihre Narben richtig überschminken, weil kein normales Make-up hält. Jetzt sind sie kaum noch zu sehen.

Verein "Spaltkind e.V." will bei ästhetischen Operationen helfen

Eigentlich kostet so ein Permanent Make-up bei Bellmann in ihrem Düsseldorfer Studio 600 bis 700 Euro. Personen mit einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte pigmentieren Bellmann und Karantoni kostenlos. Um so vielen davon wie möglich helfen zu können, hat Bellmann den Verein Spaltkind gegründet. Unter anderem sammelt sie Spenden, um Betroffenen ästhetische Operationen und teure Zahnbehandlungen zu ermöglichen, die nicht von Krankenkassen übernommen werden. 

Madlen Heinicke im Vergleich:  Vor und nach der Behandlung

Madlen Heinicke im Vergleich: Vor und nach vier Behandlungen

Auch Bellmann kämpft jetzt mit den Freudentränen. "Das gerade ist das schönste Gefühl der Welt für mich."

Über dieses Thema berichten wir auch im WDR-Fernsehen am 27.05.2023: Lokalzeit aus Düsseldorf, 19.30 Uhr.