"Wenn du oben drauf packst, da ist der Stielansatz. Und jetzt gehst du mit deinem Finger ein Stück zurück und schneidest die Tomate durch auf 12 Uhr", erklärt Eugen-Peter Krause und führt die Hand eines Teilnehmers ein wenig in die richtige Position. Nach ein paar Schnitten liegen ungleich große Tomatenstücke auf dem Schneidebrett. Doch auf ein perfektes Ergebnis kommt es hier nicht an. "Meine Mutter hat immer gesagt: Es ist egal, wie die Tomate aussieht. Hauptsache, es schmeckt", sagt Krause und lacht.
Der Kochdozent führt heute durch einen besonderen Kurs an der VHS Gütersloh. Die acht Teilnehmer sind blind oder sehbeeinträchtigt. Der 69-Jährige möchte ihnen die Angst vor dem Kochen nehmen, sie sollen sich sicher fühlen und ganz unverkrampft vorgehen. Da gehört auch eine Prise Humor und mal ein Spruch dazu.
Der Kurs findet zweimal im Jahr in Gütersloh und Bielefeld statt. Bald soll er auch in Herford angeboten werden. Der Bedarf an solchen Angeboten ist da, wie auch dieser Kletterkurs für blinde Menschen in Düren zeigt. Laut Statistischem Landesamt haben im Jahr 2023 etwas mehr als 27.000 Menschen Blindengeld in NRW erhalten, einen Nachteilsausgleich, um zum Beispiel Haushaltshilfen zu bezahlen oder Hilfsmittel zu kaufen. Dazu kommen weitere 8.398 Menschen, die Hilfen für hochgradig Sehbehinderte in Anspruch genommen haben. Da die Leistungen jedoch beantragt werden müssen, dürfte die tatsächliche Zahl noch darüber liegen.
Kleine Unfälle passieren
Björn Heinig kippt vorsichtig Öl in eine Pfanne und lässt es langsam erhitzen. Der Teilnehmer ist für das Hähnchenfleisch für den Hauptgang des Vier-Gänge-Menüs zuständig. Für ihn eine große Herausforderung, weil jeder Herd ein bisschen anders ist und er sich eben nicht auf seine Augen verlassen kann. "Man sollte auf jeden Fall vor solchen Geräten immer Respekt haben und nie leichtfertig rangehen", sagt Heinig.
Heinig hat nur noch zwei Prozent Sehkraft. Da geht auch schon mal was daneben, gerade wenn er mit Messern hantiert: "Das gehört einfach dazu. Pflaster drauf, Handschuh drüber und dann geht's weiter." Tastsinn und Ruhe sind für ihn in der Küche das Wichtigste. Das Hähnchen brutzelt inzwischen mit Tomaten, Zwiebeln, Paprika und Champignons in der Pfanne. Kursleiter Krause schmeckt die Soße ab. "Da könnte noch ein Hauch Pfeffer dran."
Zum Abschluss des Tages sitzen der 69-Jährige und seine Kochschüler gemeinsam an einem großen Tisch und lassen sich ihr 4-Gänge-Menü schmecken. Alle Teilnehmer sind sich einig: Wir wollen auf jeden Fall am Ball bleiben. Und auch Krause ist glücklich. "Teilweise nehmen die mich in den Arm und sagen: 'Das war ein schöner Tag.'" Mehr Lob geht wohl nicht.
Über dieses Thema haben wir am 9.10.2024 auch im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit OWL, 19.30 Uhr.