Seit 6 Uhr morgens ist Ahmad Gassa schon auf den Beinen. Gemeinsam mit seiner Familie hat er in den Morgenstunden ein stärkendes Frühstück zu sich genommen. Datteln, Nüsse und Milch sind während der muslimischen Fastenzeit Ramadan morgens besonders beliebt. Sie liefern Energie für den ganzen Tag. Die Energie braucht Ahmad Gassa während Ramadan gleich doppelt. Denn während er selbst den ganzen Tag auf Essen und Trinken verzichtet, kocht er gleichzeitig Essen für Obdachlose in Mülheim an der Ruhr.
Während Ramadan Menschen in Not helfen
Der 54-Jährige ist Vorsitzender des Marokkanischen Kultur- und Sportvereins in Mülheim an der Ruhr. Während den vier Wochen von Ramadan setzt er sich gemeinsam mit dem Verein fast täglich ein. Auch seine Frau und die beiden Kinder helfen immer wieder mit. "Kerngedanke des Fastens während Ramadan ist es, sich in die Situation von Bedürftigen zu versetzen, die in Not leben und nichts zu essen haben. Da ist es für uns naheliegend, dass wir genau diesen Menschen helfen", sagt Ahmad Gassa.
Laut einer Studie der Deutschen Islam Konferenz von 2020 leben etwa 5,5 Millionen Muslime in Deutschland. Wohltätigkeit und soziales Engagement sind ein wichtiger Bestandteil der sogenannten "Fünf Säulen des Islam". Die weiteren Säulen sind das 30-tägige Fasten im Ramadan, die täglichen Gebete sowie eine Pilgerfahrt nach Mekka.
Als 2020 die Pandemie ausbrach, wollte der Marokkanische Kultur- und Sportverein lokale Hilfe leisten und wurde so auf die Solidaritätshilfe Mülheim aufmerksam. Die kümmert sich das ganze Jahr über um die Versorgung von Obdachlosen in Mülheim. "Wir erhalten jetzt das vierte Jahr in Folge während Ramadan Unterstützung vom Marokkanischen Kulturverein. Der Fastenmonat ist für uns eine große Entlastung. Wir können uns in dieser Zeit um administrative Tätigkeiten kümmern", sagt Stefan Prandstetter von der Solidaritätshilfe Mülheim.
Ausgegeben wird das Essen rund um den Bahnhof. Einen festen Standort oder Raum gibt es nicht. Aber, wer eine warme Mahlzeit gebrauchen kann, der weiß, wo er sie dort bekommt. Entweder von der Solidaritätshilfe, die mit einem kleinen Bus täglich dorthin kommt oder eben durch den Marokkanischen Kulturverein.
Inzwischen ist es kurz vor Sonnenuntergang. Seit drei Stunden ist Ahmad Gassa mit seinen Freunden und Bekannten in der Küche zugange. Düfte von frischer Petersilie und Koriander erfüllen den Raum - gemischt mit intensiven Gewürzen wie Kurkuma, Safran und Curry, die in keiner marokkanischen Küche fehlen dürfen.
Gekocht wird in großen Töpfen, der Transport erfolgt dann in Iso-Behältern. Teller und Besteck stellt die Solidaritätshilfe zur Verfügung. Rund 30 Wohnungslose kommen jeden Abend. Als die Obdachlosen das erste Mal mit feinem arabischen Essen versorgt wurden, gab es viele Rückfragen. "Am Anfang wurden wir oft gefragt: Warum macht ihr das für uns? Wir haben gesagt, weil wir auch Menschen sind und ihr unsere Unterstützung braucht. Wir wissen ganz genau, dass ihr euch diese Situation nicht selbst ausgesucht habt. Jeder Mensch hat seine eigene Geschichte", erzählt Gassa von seinen ersten Begegnungen.
Das gleiche Essen für alle
Heute steht Safranreis mit Gemüse und Hähnchen aus dem Ofen auf dem Speiseplan. Für Gassa ist klar, dass die Obdachlosen das gleiche Essen bekommen, das er abends mit seiner Familie beim Fastenbrechen zu sich nimmt. Fastenbrechen ist derzeit um 18.45 Uhr. Gassa und die anderen Helfer essen nach der Ausgabe meistens zu Hause. "Für uns haben Solidarität und Hilfe keine Herkunft, keine Zuständigkeit oder Religion. Egal, wo Hilfe nötig ist, leisten wir diese auch", sagt er.
Über dieses Thema haben wir am 14.03.2024 auch im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit Ruhr, 19.30 Uhr.