Wenn das Herz stehen bleibt: Wie ehrenamtliche Ersthelfer Leben retten
Stand: 22.10.2024, 12:49 Uhr
Im April bleibt Heiko Nitsches Herz plötzlich stehen. Jede Sekunde, die er auf Hilfe warten muss, kann in diesem Moment eine zu viel sein. Nachdem seine Frau den Notruf gewählt hat, steht wenige Minuten später ein fremder Mann vor der Tür. Es ist nicht der Rettungsdienst, sondern ein "mobiler Retter". Wie er geholfen hat, dass Nitsche überlebt.
Von Michaela Heiser
Heiko Nitsche sieht aus, als würde er in seinem Bürostuhl schlafen. Aber er atmet nicht mehr. "Ich habe ihn an der Schulter gefasst und ins Gesicht und mir war sofort klar, das ist etwas Schlimmeres", erinnert sich seine Frau, Angelika Nitsche. Das Herz des 61-Jährigen ist stehen geblieben. Angelika Nitsche wählt sofort den Notruf.
Was sind mobile Retter?
Ein Mitarbeiter der Leitstelle in Mettmann erklärt der völlig aufgelösten Frau, was sie tun soll. "Legen Sie das Telefon neben sich, machen Sie den Lautsprecher an und folgen Sie meinen Anweisungen", erinnert sich Nitsche an die Worte. "Es kann sein, dass gleich bei Ihnen eine Person in zivil vor der Tür steht, um Sie zu unterstützen", erfährt sie. Denn neben dem Rettungsdienst hat die Leitstelle auch einen sogenannten mobilen Retter alarmiert.
Wie Angelika Nitsche unerwartet schnelle Hilfe bekam
00:13 Min.. Verfügbar bis 22.10.2026.
Mobile Retter sind ehrenamtliche Ersthelfer mit medizinischen Vorkenntnissen. Sie werden automatisch per App alarmiert, wenn sie sich in der Nähe eines Notfalls befinden. Statt in acht bis zwölf Minuten, in denen ein Rettungswagen am Notfallort eintreffen sollte, können mobile Retter schon in etwa drei Minuten da sein und mit lebensrettenden Maßnahmen beginnen. "Das kann über das Überleben des Patienten oder das Ausmaß des Schadens entscheiden", erklärt Arne Köster, Leiter des Rettungsdienstes in Mettmann und selbst mobiler Retter.
Nur 11 Prozent überleben Notfall
Als Nitsche im April den Notruf wählt und ihr Mann ums Überleben kämpft, schaut nur ein paar Straßen weiter Majid Zietlow gerade Fernsehen. Zietlow ist seit mehreren Jahren mobiler Retter und freiwilliger Feuerwehrmann. Er weiß, wie man Erste Hilfe leistet. Als er über seine App von dem Notfall erfährt, läuft er sofort los. Nitsche öffnet ihm nur wenige Minuten später die Tür. Zietlow kümmert sich um ihren Mann. Je schneller er mit der Herzdruckmassage beginnt, desto wahrscheinlicher ist es, dass Nitsche überlebt. "Man fährt einfach seinen Film im Kopf ab. Man weiß, was man gelernt hat. Man merkt oft auch gar nicht, wie viel Zeit vergeht."
Der mobiler Retter Majid Zietlow
Nitsche überlebt. Wie knapp, zeigt der Einsatz des Elektroschockers durch den Notarzt. Acht Mal muss er ihn ansetzen. Ohne den mobilen Retter hätte er es wohl nicht geschafft. Nitsche gehört zu den gerade einmal 11 Prozent, die solch einen Notfall überleben. Ein Herz-Kreislauf-Stillstand außerhalb eines Krankenhauses ist laut Bundesgesundheitsministerium die dritthäufigste Todesursache in Deutschland.
Ehrenamt Ersthelfer: Plötzlich Leben retten
Seit 2013 gibt es den gemeinnützigen Verein der mobilen Retter in Deutschland. Vor vier Jahren wurde das Konzept im Kreis Mettmann eingeführt. 750 Ersthelfer stehen hier für Notfälle bereit. Auch in Wuppertal und Remscheid unterstützen sie die Rettungskette. Inzwischen können mobile Retter überall in Deutschland alarmiert werden, also zum Beispiel auch im Urlaub, beim Pendeln oder auf Dienstreisen.
Heiko Nitsche ist dankbar für den mobilen Retter
00:13 Min.. Verfügbar bis 22.10.2026.
Angelika und Heiko Nitsche können nach dem Vorfall wieder das Leben genießen. Sie schlendern durch einen Park in Hilden, ein Springbrunnen plätschert, Enten schaukeln auf dem Teich. Nitsche hat aufgehört zu rauchen und geht die Dinge jetzt langsamer an. Die Beziehung zu seiner Frau ist noch enger geworden, sagt er. "Ich bin natürlich unendlich dankbar und auch stolz auf meine Frau, nicht jeder hätte so reagiert."
Über dieses Thema haben wir auch am 29.08.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit Bergisches Land, 19.30 Uhr.