Stechuhr für alle: Sieg für die Arbeitnehmer oder Bremsklotz für die Wirtschaft 4.0 ?
Arbeitgeber sollen künftig überall in Europa verpflichtet werden, sämtliche Arbeitszeiten zu erfassen. Nicht nur die Überstunden. So der Tenor des Europäischen Gerichtshofs diese Woche. Während die Gewerkschaften jubeln, sind die Arbeitgeber entsetzt: Die Stechuhr passe nicht in die Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts.
Nach einer Studie des Instituts für Arbeit und Berufsforschung haben die Deutschen im vergangenen Jahr über 2 Milliarden Überstunden angesammelt. Häufig unbezahlt. Deshalb erhoffen sich Gewerkschaften und SPD von dem Urteil Rückenwind für eine alte Forderung: Entweder die Beschäftigen bekommen mehr Geld oder sie müssen weniger arbeiten.
Starre Vorschriften in Deutschland
Nur bei jedem zweiten Arbeitnehmer wird bisher die komplette Arbeitszeit erfasst. Bei den anderen gibt es entweder überhaupt keine Kontrolle oder aber die Beschäftigen zeichnen selber auf.
Wenn das Urteil zur Folge haben sollte, dass überall sämtliche Arbeitsstunden erfasst werden müssen, dann entsteht ein echtes Problem. Denn das starre deutsche Arbeitszeitgesetz verlangt: Täglich dürfen nur 8, maximal 10 Stunden gearbeitet werden. Außerdem müssen Arbeitnehmer eine Ruhepause von 11 Stunden einhalten.
In Zeiten der Digitalisierung stehen diese Arbeitsvorschriften immer häufiger nur auf dem Papier: Die Anwesenheit im Büro ist längst nicht mehr überall zwingend. Homeoffice am Computer ist inzwischen auch möglich. Vielen Arbeitnehmern kommt das durchaus gelegen, um Familie und Beruf zu vereinbaren. Die Arbeitgeber setzen sich schon lange für flexiblere Wochenarbeitszeiten ein, während SPD und Gewerkschaften dies blocken. Welche Folgen hat das Urteil für unseren Arbeitsalltag? Kommt jetzt die Stechuhr für alle? Führt das zu mehr Gerechtigkeit? Und: Wäre das gut für den Wirtschaftsstandort Deutschland oder ein eklatanter Wettbewerbsnachteil?
Stand: 17.05.2019, 14:50 Uhr