MONITOR vom 28.01.2021

Gut bezahlte Lobbyisten: Das Beraternetzwerk von Wirecard

Bericht: Jan Schmitt, Lena Kampf, Katja Riedel, Markus Grill

Gut bezahlte Lobbyisten: Das Beraternetzwerk von Wirecard Monitor 28.01.2021 08:56 Min. UT Verfügbar bis 28.01.2099 Das Erste Von Jan Schmitt, Lena Kampf, Katja Riedel, Markus Grill

Kommentare zum Thema, weiterführende Links und der Beitragstext als PDF

Georg Restle: „Dieser Mann hier gehört zu den meistgesuchten Männern der Welt. Jan Marsalek, Ex-Vorstand des deutschen Unternehmens Wirecard. Er steht für einen der größten Wirtschaftsskandale der Bundesrepublik. Ein Hochstapler, der es geschafft hat, die Fassade eines erfolgreichen DAX-Unternehmens aufzubauen, hinter der sich jede Menge heiße Luft verbarg. Dabei stellt sich nicht nur uns die Frage, wie es eigentlich sein kann, dass das wohl größte Lügenschloss der deutschen Unternehmensgeschichte so lange bestehen konnte. Klar ist, da braucht es jede Menge Menschen, die im Hintergrund Fäden ziehen, Kontakte vermitteln, Blendgranaten zünden. Und solche Berater und Lobbyisten gab es reichlich rund um Wirecard. Darunter Ex-Politiker, Ex-Polizisten und einen der bekanntesten deutschen Ex-Journalisten. Eine gemeinsame Recherche mit WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung.“

Wirecard – einer der größten Finanzskandale Deutschlands. Jahrelang gab es Berichte über Unregelmäßigkeiten und Bilanzfälschungen bei dem DAX-Unternehmen. Jahrelang wurden sie zerstreut, auch von der Bundesregierung. Aber am Ende fehlten fast zwei Milliarden Euro in den Bilanzen, der Kurs stürzte ins Bodenlose. Ein Untersuchungsausschuss beschäftigt sich mit dem Finanzdienstleister. Wurde Geld beiseite geschafft? Der Chef, Markus Braun, sitzt nun in Untersuchungshaft, der Vorstand Jan Marsalek ist auf der Flucht. Aber wie kann es sein, dass Wirecard so lange verschleiern konnte, wie es wirklich um den Konzern steht? Sie bringen nun Licht ins Dunkel: zigtausende, zum großen Teil unveröffentlichte, Dokumente, die WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung vorliegen. Sie zeigen, das System Wirecard wurde gestützt durch unzählige Berater.

Fabio de Masi, Obmann Wirecard Untersuchungsausschuss: „Wirecard hat seine komplette Energie drauf verwendet, ein möglichst breites Netzwerk an Entscheidungsträgern zu bekommen. Sie haben sich eigentlich kaum noch um ihr eigenes Geschäft gekümmert, sondern sie wollten eine große Illusionsfabrik und dafür haben sie eine Armee an Lobbyisten, an ehemaligen Politikern und Politrentnern, eingespannt.“

Der Erfolgskonzern Wirecard – Ein Blick hinter die Kulissen zeigt: Sie haben dieses Bild gestützt: Die Berater, Lobbyisten mit besten Kontakten zu Politik, Wirtschaft und Medien. Zum Beispiel der ehemalige Ministerpräsident Schleswig-Holsteins, Peter Harry Carstensen. Er sollte für die Liberalisierung des Online-Glücksspielmarktes werben. Wirecard wollte wohl an den Abrechnungen dafür verdienen. Carstensen besorgte einen Termin beim hessischen Ministerpräsidenten Bouffier in Wiesbaden. In einer Mail an einen Wirecard-Vorstand hieß es danach:

Zitat: Carstensen kenne „den grünen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg Kretschmann“ sehr gut. Er meinte, hier sei ein „gemeinsamer Besuch – wie in Wiesbaden“ – „lohnend.“

Ob es zum Treffen mit Kretschmann kam, ist nicht bekannt. Carstensen sagt, ihm sei es um Suchtprävention gegangen, er sei kein Lobbyist für Wirecard gewesen. Der ehemalige Erste Bürgermeister von Hamburg, Ole von Beust, hat dagegen bestätigt, für Wirecard gearbeitet zu haben. Auch hier ging es um Glücksspiel-Regulierung. Ex-Ministerpräsidenten, die für Wirecard Geschäfte im Online-Glücksspiel erschließen sollten?

Fabio de Masi, Obmann Wirecard Untersuchungsausschuss: „Diese Herren sind ja jetzt nicht so viel Geld wert, weil die jetzt über ganz tolle Fähigkeiten verfügen, sondern sie haben halt ein ganz tolles Telefonbuch, und deswegen lassen sie sich gut bezahlen.“

Oder Klaus-Dieter Fritsche. Auch der ehemalige Staatssekretär im Bundeskanzleramt – zuständig für die Geheimdienste – hatte einen Beratervertrag mit Wirecard. Wie aus E-Mails hervorgeht, mit einem Tagessatz von 1.500,- Euro. Für die strategische Beratung von Wirecard im Bereich Security.

Timo Lange, LobbyControl: „Dass ein so hochrangiger Beamter aus dem Kanzleramt, zuständig für Geheimdienste – quasi ohne großen Abstand – Lobbyist für einen Konzern wird, der auch wiederum viel mit Geheimdiensten zu tun hat, Geheimnisträger ist. Das ist wirklich ein skandalöser Vorgang.“

Fritsche selbst will vorerst keine Presseanfragen beantworten. Besonders umtriebig für Wirecard war er: Waldemar Kindler. Der ehemalige bayerische Polizeipräsident knüpfte – wie E-Mails zeigen – Kontakte zum bayerischen Landeskriminalamt „Bezüglich Geldwäsche-Beratung“. Kindler trat dabei stets als Polizeipräsident a. D. auf. Als solcher fädelte er auch einen Termin ein mit einem Vertreter der Beratungsfirma Spitzberg Partners. Es kam zu einem Treffen. Der Wirecard-Vorstand bedankte sich prompt:

Zitat: „Super, haben folgegespräch vereinbart, habe auch kurz mit seinem „Kollegen“ gesprochen.“

Der „Kollege“ ist er, Karl-Theodor zu Guttenberg. Auch der ehemalige Bundesverteidigungsminister stellte sich in den Dienst von Wirecard. Bei einem Treffen mit Bundeskanzlerin Merkel vor ihrer Chinareise 2019 sprach zu Guttenberg die Ambitionen von Wirecard in China an. Und tatsächlich, auf der Reise hatte Merkel dann die Wirecard-Ambitionen bekräftigt.

Timo Lange, LobbyControl: „Ich finde es geradezu erschreckend, mit welchem Erfolg die Lobbyarbeit von Herrn zu Guttenberg für Wirecard hier dann sich niedergeschlagen hat. Dass dann die China-Reise der Kanzlerin genauso ablief, wie Wirecard das wollte.“

Aber zu Guttenberg hatte noch eine ganz andere Funktion. Seit ein paar Jahren schon hatten Börsenspekulanten öffentlich auf Bilanzfehler bei Wirecard hingewiesen. Das befeuerte Wetten auf den Abstieg von Wirecard, so genannte Leerverkäufe. Um die negativen Berichte und die bedrohlichen Spekulationen loszuwerden, wollte Wirecard deswegen Leerverkäufe verbieten lassen. Und dabei sollte offenbar zu Guttenberg helfen. In einem Aktionsplan Leerverkäufe wurde zu Guttenbergs Funktion klar beschrieben:

Zitat: „Gastkommentar Karl-Theodor zu Guttenberg, FAZ oder Die Welt“

Nur sechs Tage später erschien tatsächlich ein Kommentar von zu Guttenberg in der FAZ. Titel: „Ein Virus namens Leerverkäufe“. Im Untersuchungsausschuss bestreitet zu Guttenberg, den Artikel in der FAZ im Auftrag von Wirecard verfasst zu haben. Aber, sogar wörtliche Übereinstimmungen zwischen dem „Aktionsplan Leerverkäufe“ links und Gutenbergs Artikel rechts lassen sich kaum bestreiten. Und noch ein bekannter Name taucht auf. Ein ehemaliger Top-Journalist: Kai Diekmann, ehemaliger Chefredakteur der Bild und bestens vernetzt. Verdiente auch er am System Wirecard? Bisher hat Diekmann das nie eingeräumt. Aber die Dokumente zeigen: Diekmann wurde über eine Agentur für Wirecard angeworben. Wie leidenschaftlich sich Diekmann für Wirecard einsetzen wollte, zeigt eine E-Mail von Anfang 2020 an Firmenchef Markus Braun. Diekmann schreibt:

Zitat: „Wann immer Sie etwas auf dem Herzen haben sollten, bin ich jederzeit verfügbar.“

Auch Diekmann ist bereit, für Wirecard gegen Leerverkäufer zu kämpfen. Er nimmt Kontakt zu zwei Staatssekretären in der Bundesregierung auf, in der Absicht, die dafür „relevanten Ministerien“ für das Thema „Verbot von Leerverkäufen“ zu „sensibilisieren“. Selbst als sich Hinweise verdichteten, dass enorme Geldsummen auf Konten fehlen könnten, hielt Diekmann noch zu Wirecard. Mitte Mai schrieb er an den Wirecard-Chef:

Zitat: „Lieber Herr Dr. Braun, es macht fassungslos, wie Fakten und Darstellung von Fakten auseinanderfallen können. Bleiben Sie stark! Beste Grüße! Ihr Kai Diekmann.

Erstaunlich vom ehemaligen BILD-Chefredakteur. Das System Wirecard. Hinter den Kulissen arbeiteten ehemalige Top-Politiker, Top-Polizisten und Top-Medienleute für einen mehr als zweifelhaften Konzern, und haben so ihren Ruf zu Geld gemacht.

Georg Restle: „Oder eben ruiniert. Was man nicht vergessen sollte, viele dieser Berater haben jede Menge Geld für ihre Tätigkeit bekommen. Geld, für das andere bezahlen müssen. Darunter Kleinanleger und Anlegerinnen, die ihre Ersparnisse und ihre Altersvorsorge verloren haben, weil sie von einem riesigen Lügengebäude so raffiniert getäuscht worden sind. Auch das sollte man nicht vergessen.“

Kommentare zum Thema

  • Dirac 18.02.2021, 20:50 Uhr

    Deutschland wird seitens der politischen Ebene restlos geplündert, den Kindern Schulden vererbt. Wenn in den USA wie aktuell Nordkorea ein Geld-/Bankverbrechen dürführte, ist das ein Staatsbetrug und wird vom FBI weltweit gejagt und geahndet. Die rechtliche Würdigung in den USA scheint besser zu sein. Egal ob HSH Nordbank, Hypo Alpe, Libor, Clerarstream, Cum-Ex und nun Wirecard betrifft eindeutig auch die USA und wird nicht geahndet. Guttenberg und andere sollten in den USA doch einmal als Persona non grata oder vor Gericht behandelt werden. Wird aber nicht. Warum nicht? Weil in Deutschland der Steuerzahler für solche Schäden und Betrügerein in höchsten Ämtern aufkommt und/oder Deutschland generell das Sozialamt der USA ist?

  • Elisabeth K. 16.02.2021, 17:13 Uhr

    ...„Georg Restle: „Dieser Mann hier gehört zu den meistgesuchten Männern der Welt. Jan Marsalek, Ex-Vorstand des deutschen Unternehmens Wirecard.“ ??? Nun Restle, da gibt es schon noch ganz andere Individuen, die garnicht erst gesucht werden müssen, sondern arrogant und egozentrisch glauben, ein Volk führen zu können: Mit zwei-drei Klassengesellschaft, Ausländerschwemmen, Seuchendisaster ect. „Tempelreinigung“ intensiv ala Bibelsatzung angesagt- kein Weg führt daran vorbei !

  • K. 08.02.2021, 12:05 Uhr

    Forenregeln nach Gutsherrenart, selbst hunderte von Zeilen schreiben und den Lesern die Buchstaben auf 1000 zu begrenzen. Somit ist erkennbar dass es den Redakteuren nicht um die Meinung von Lesern geht sondern sie hier nur ihre ideologische Propaganda betreiben wollen.

    • Aga Bellwald 15.02.2021, 18:35 Uhr

      Hallo K. Die Anzahl Zeichen reicht nicht, um eigene Überlegungen hier zu platzieren?? Ähm... wollen Sie denn gleich ein Buch schreiben? Vielleicht senden Sie besser eine Mail an die Monitoris, dort haben Sie mehr Platz. Mir jedenfalls reicht dieser, um mitzuteilen, was mich stört oder gefällt, oder einfach, um meine Gedanken zu verschiedenen Beiträgen loswerden zu können. Mehr liegt eben nicht drin. Ist halt so... Dafür kann die Redaktion schliesslich auch nichts.