Demonstrant auf der Straße: "Wenn wir wirklich Frieden wollen – ernsthaft – dann geht es hier nicht mehr darum, ich bin AfD und ich bin grün und ich bin gelb.
2. Demonstrant: " Doch, es geht da drum!"
Demonstrant auf der Straße: "Dann geht’s um den Frieden – und nichts anderes!"
Georg Restle: "Hauptsache laut. Was immer das mit Frieden zu tun hat. Guten Abend und willkommen bei MONITOR!
Sie hatte dazu aufgerufen – und Tausende sind ihr gefolgt, am letzten Samstag in Berlin. Sahra Wagenknecht und ihr Aufstand für den Frieden. Viel wurde ja darüber debattiert in den letzten Tagen und kaum eine Talkshow kam dabei ohne Wagenknecht aus. Was aber wollen die Menschen, die sich hinter Wagenknecht versammeln? Und ist das wirklich die Wiedergeburt der deutschen Friedensbewegung, wie manche behaupten? Vielleicht erinnern Sie sich ja an die Bilder von 1983, als im Bonner Hofgarten Hunderttausende gegen die atomare Aufrüstung demonstrierten und sich eine Menschenkette von Stuttgart bis nach Ulm erstreckte.
Ja, und auch ich habe damals mitdemonstriert, bin mit der Friedensbewegung groß geworden. Und deshalb bin ich am Wochenende nach Berlin gefahren, weil ich wissen wollte, was die Menschen dort unter Frieden und Pazifismus verstehen – und welche Rolle Putins Kriegsverbrechen dabei eigentlich spielen."
Eine Demonstration für den "Frieden". Die Bilder wirken eigenartig vertraut, die Symbole, die Parolen, all die Friedenstauben. Und doch frage ich mich, was ist hier gemeint mit Frieden? Ist das wirklich der Beginn einer neuen Friedensbewegung? Oder worum geht es hier eigentlich?
Sahra Wagenknecht: "Es geht zum einen darum, das furchtbare Leid und das Sterben in der Ukraine zu beenden. Es geht darum, Russland ein Verhandlungsangebot zu unterbreiten, statt einen endlosen Abnutzungskrieg mit immer neuen Waffen zu munitionieren."
Solidarität mit der Ukraine? Ich erinnere mich an den April 2022, als Korrespondent unterwegs nach Butscha; kurz nachdem die russische Armee die Stadt verlassen hatte. Unterwegs zu den traumatisierten Überlebenden der unfassbaren Gräueltaten der russischen Invasoren. Zu den Gärten, in denen Angehörige ihre Toten im eisigen Boden eilig verscharrt hatten. Die ermordeten Zivilisten, das Grauen der russischen Besatzung. Die Leichen in den schwarzen Plastik-Säcken, die Massengräber. All das spielt hier in Berlin keine Rolle. Stattdessen russische Flaggen, russische Kriegspropaganda. Keine einzige ukrainische Fahne sehe ich hier. Einige zeigen ihre Unterstützung für den russischen Angriffskrieg sogar ganz offen. Orange und schwarz tragen die Freunde Putins – wie die so genannten Nachtwölfe, russische Ultranationalisten. Auch sie sind hier unterwegs. Butscha? Die russischen Kriegsverbrechen? Kein Thema hier.
Georg Restle: "Was ist Ihre Botschaft an die Menschen in Butscha und Irpin und in der Ukraine heute?"
Demonstrant: "Na, wenn der Herr Selenskyj gesagt hätte, okay, ich habe ein Recht, mich zu verteidigen aber nicht die Pflicht. Ich kann doch nicht gegen eine militärische Supermacht anstinken, ich kleine Ukraine. Da muss ich ja die ganze Welt mit reinziehen, das schaffe ich gar nicht."
Georg Restle: "Sie finden, er hätte sich überrollen lassen sollen?"
Demonstrant: "Natürlich. Da weht eben auf dem Rathaus eine russische Fahne, na und. Seine Leute leben weiter. Jetzt sind 130.000 Ukrainer tot, und wofür? Für nichts. Er hat ein kaputtes Land und immer zu sagen, der Russe will das Land zerstören. Wieso will er das Land zerstören, er will nur sein eigenes zurückhaben. Wo ist das Problem?"
Georg Restle: "Und das verstehen Sie unter Frieden?"
Demonstrant: "Genau!"
Ein Frieden ganz im Sinne Putins. Rückzug der russischen Truppen? Höre ich nirgendwo. Die Aggressoren sind hier andere.
Sahra Wagenknecht: "Heute sollen deutsche Kampfpanzer wieder auf russische Soldaten schießen."
Russland als Opfer? Ich denke an den März 2012: Die Wiederwahl Putins zum Präsidenten. Und damals schon die Kampfansagen gegen die angebliche "Verdorbenheit des Westens". Zehntausende gingen gegen Putin auf die Straße. Ich war damals Korrespondent in Moskau. Auch als er im Mai 2012 die Opposition in Moskau brutal niederknüppeln ließ und die neue politische Eiszeit begann. Als er Russland Schritt für Schritt in eine Diktatur verwandelte und schließlich in einen Aggressor gegen seine europäischen Nachbarn. Für die Demonstranten in Berlin sind die Täter andere. Der Westen, die NATO, der ukrainische Präsident. Und vor allem, die deutsche Außenministerin.
2. Demonstrant: "Wenn Frau Baerbock also von einem Krieg gegen Russland spricht, ist das die Vorbereitung eines Angriffskrieges."
Georg Restle: "Sie hat das ja zurückgenommen."
2. Demonstrant: "Sie ist Außenministerin, dafür gehört sie vor den Internationalen Gerichtshof. Ende der Durchsage!"
Georg Restle: "Putin auch?"
2. Demonstrant: "Das ist eine völlig andere Thematik. Wir sind hier in Deutschland, wir haben keinen Einfluss auf Putin, wir haben Einfluss auf unsere Regierung. Und unsere Regierung treibt uns gerade in einen Krieg, der nichts mit uns zu tun hat. Ende der Durchsage!"
Putins Kriegsverbrechen kein Thema? Das ist hier also gemeint mit "Friedensbewegung"?
Sahra Wagenknecht: "Wir sind nicht nur viele, wir fangen jetzt auch an, uns zu organisieren, weil Deutschland braucht endlich wieder eine wirklich starke Friedensbewegung!"
Die Friedensbewegung. Auch daran erinnere ich mich hier, an 1983, als in Bonn 30 –mal so viele Menschen protestierten – gegen die atomare Aufrüstung des Westens. Die Menschenkette von Stuttgart bis Ulm, über 100 Kilometer lang. Auch ich war damals dabei, aus Angst vor einem Atomkrieg. Ängste, die auch in Berlin eine Rolle spielen. Ängste, die ich gut verstehen kann. Auch ich war immer gegen Rüstungsexporte in Kriegsgebiete, gegen Aufrüstung. Aber was heißt "Frieden schaffen ohne Waffen" heute, wo ein Land schutzlos einem Kriegsverbrecher ausgeliefert ist?
3. Demonstrant: "Nennen Sie mir ein Beispiel, wo Waffen jemals Frieden gebracht haben?"
Georg Restle: Der 2. Weltkrieg wäre ohne Waffen nicht beendet worden, oder?"
3. Demonstrant: "Das mag sein, aber ob diese Waffen letztendlich den Frieden gebracht haben, ist eine andere Sache."
Georg Restle: "Glauben Sie, dass Ausschwitz ohne Waffen befreit worden wäre?"
3. Demonstrant: "Weiß ich nicht, keine Ahnung. Kann ich Ihnen nicht sagen. Ich war letztens, vor kurzem in Ausschwitz gewesen, und hab mir das angeschaut. Kann ich Ihnen nicht sagen, ich habe zu der Zeit nicht gelebt. Ich weiß nicht, wie die Menschen dort gefühlt haben."
Georg Restle: Man kann ja in die Geschichtsbücher schauen."
3. Demonstrant: "Geschichtsbücher? Wer schreibt die Geschichte?"
Was für ein Pazifismus ist das hier? Und was bedeutet "Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg", wenn auch die AfD eingeladen ist, mitzumarschieren?
Sahra Wagenknecht: "Jeder, der ehrlichen Herzens mit uns für Frieden und für Verhandlungen demonstrieren will, ist hier willkommen!"
Einige hier grenzen sich dann doch deutlicher ab – und ernten heftigen Widerspruch.
4. Demonstrant: "Ich denke, wenn wir wirklich Frieden wollen – ernsthaft – dann geht es hier nicht mehr darum, ich bin AfD und ich bin grün und ich bin gelb. Dann geht’s um den Frieden – und nichts anderes!"
Frieden als Kampfparole – und eine Demonstration, die Täter zu Opfern macht. Ich hadere mit selbsternannten Pazifisten, die bereit sind, einem Kriegsverbrecher zu geben, was er verlangt. Vielleicht auch, weil ich die Schrecken von Butscha selbst gesehen habe. Das trennt mich von den meisten hier, von Politikerinnen wie Sahra Wagenknecht. Eine neue Friedensbewegung? Für mich ganz sicher nicht.
Georg Restle: "Mit russischer Kriegspropaganda habe das alles nichts zu tun, sagt Sahra Wagenknecht immer wieder. Russische Staatsmedien sehen das offenbar ganz anders. Wie die Demonstration da aufgenommen wurde, können Sie sich anschauen in einem Film, jetzt schon auf unserem YouTube-Kanal."
Kommentare zum Thema
Georg nimm dir doch endlich mal die Zeit deine letzte Ukraine-Reise zu reflektieren - dann wirst sicherlich auch Du erkennen wohin die Reise mit den Waffen führt, Jürgen Habermas ist dir da zwar offensichtlich schon einen Schritt voraus aber wie heißt es doch, besser spät als nie.
Leider war zu erwarten, dass dieser Monitor-Bericht wieder Kommentare nach sich zieht, die nur Kopfschütteln und/oder Wut auslösen. Es kann aber NICHT UNWIDERSPROCHEN BLEIBEN, wenn in Kommentar 1 jemand über demokratische TV-Magazine wie Monitor behauptet: "Derer Moderatoren arbeiten für mich gleich wie Politjournalisten im 3. Reich und der DDR." Hier sind alle Maßstäbe kaputt.
Es wird nur veröffentlicht, was Monitor in den Kram passt. Zensur?????? Na, dann gute Nacht Monitor! Oder doch eher: Money*tor