MONITOR vom 09.06.2022

Viktor Orbán: Putins Marionette in der EU?

Bericht: Andreas Maus, Nikolaus Steiner

Viktor Orbán: Putins Marionette in der EU? Monitor 09.06.2022 09:58 Min. UT Verfügbar bis 30.12.2099 Das Erste Von Andreas Maus, Nikolaus Steiner

Georg Restle: "Profite mit dem Ukraine-Krieg. Das gilt auch für diesen Mann, Viktor Orbán, der Regierungschef Ungarns und der wohl engste Verbündete Putins in der Europäischen Union. Niemand blockiert EU-Sanktionen gegen Russland so effektiv wie er, und kein anderer gleicht dem russischen Staatschef Putin politisch so sehr wie der Autokrat aus Budapest. Ob bei der Unterdrückung unabhängiger Medien, beim Kampf gegen europäische Grundwerte oder beim Thema Korruption. Dazu vertritt Orbán einen äußerst aggressiven Nationalismus, der ganz Osteuropa zu spalten droht. Die Träume von der Wiedergeburt eines großungarischen Reichs machen dabei auch nicht vor der Ukraine Halt. Und so wundert es kaum, dass Putins Kampfsymbole aus dem Ukraine-Krieg auch auf den Straßen Budapests offen gezeigt werden dürfen. Andreas Maus und Nikolaus Steiner."

Viktor Orbán – auf ihn kann sich Wladimir Putin offenbar verlassen.

Daniel Freund (B'90/Grüne), Mitglied des EU-Parlaments: "Orbán ist aktuell die größte Gefahr für den Fortbestand der europäischen Union."

Orban bremst bei Sanktionen gegen Russland, sagt nein zu Waffenlieferungen – und bekommt gleichzeitig Milliarden aus der EU.

Bálint Magyar, Soziologe, Central European University (Übersetzung Monitor): "Für mich sind Putins Regime und Orbans Regime nahezu identisch, beide sind postkommunistische Mafia-Staaten."

Beste Verbindungen nach Moskau und politische Ideologien, die sich gleichen. Was treibt Viktor Orbán an? Ungarns Hauptstadt Budapest, nur 300 Kilometer von der Ukraine entfernt. Russlands Krieg ist hier nah, sehr nah. Am vergangenen Samstag demonstrieren etwa 400 Rechte und Rechtsextreme vor der ukrainischen Botschaft. Zu sehen ist auch das russische “Z”, Symbol für die Unterstützung des russischen Angriffskrieges in der Ukraine. Sie sehen in dem Krieg eine Chance, Ungarn zurück zu alter Größe zu führen. Es ist der Jahrestag, als das ungarische Großreich vor über 100 Jahren zerschlagen wurde. Und viele hier wünschen sich die Grenzen von damals zurück. Nach dem Zerfall von Groß-Ungarn 1920 leben heute knapp zwei Millionen Ungarn in den angrenzen Staaten; etwa in Rumänien, der Slowakei oder in der Ukraine in Transkarpatien. Transkarpatien, das viele hier nun zurückwollen.

Mann (Übersetzung Monitor): "Transkarpatien gehört erst seit 30 Jahren zur Ukraine. Früher hat es nicht dazugehört. Ehrlich gesagt, Transkarpatien ist ein Fremdkörper in der Ukraine."

Zweiter Mann (Übersetzung Monitor): "Auch wenn eine Vereinigung mit den ehemaligen ungarischen Gebieten im Moment noch nicht auf der Tagesordnung steht, daran müssen wir arbeiten."

Dritter Mann (Übersetzung Monitor): "Falls Russland den Krieg gewinnt, was bleibt dann von der Ukraine? Die Geschichte zeigt, dass es dann Volksabstimmungen gibt, dass es Grenzveränderungen geben kann. Und dann dürfen wir nicht stillhalten."

Eine Wiedereingliederung von Teilen der Ukraine? Die ungarische Fidesz-Regierung schließt eine Annexion zwar kategorisch aus, dennoch schürt Orbán gezielt nationalistische Stimmungen.

Viktor Orbán, Ministerpräsident Ungarn, 16.05.2022 (Übersetzung Monitor):"Ich sehe die spirituellen und physischen Spuren des wiederbelebten nationalen Zusammenhalts im gesamten Karpatenbecken. Das ist nicht nur gut für die im Ausland lebenden Ungarn, sondern stärkt auch das allgemeine Ungarntum und stärkt das Vaterland. Die Ungarn jenseits der Grenze können auf uns zählen, und wir werden unsere Vereinigungsarbeit unermüdlich fortsetzen."

Daniel Freund (B'90/Grüne), Mitglied des EU-Parlaments: "Also ich halte das für extrem gefährlich. Ich glaube auch, dass das nicht nur sozusagen eine ganz extreme Rechte ist, sondern dass das wirklich in der … in der Fidesz-Regierung verankert ist. Es gibt Bilder zum Beispiel von seinem Pressesprecher, Zoltan Kovacs, der in seinem Büro eine riesige Karte von Groß-Ungarn an der … an der Wand hat. Also, die spielen mit diesem Gedanken, Ungarn zur alten Größe zurückzuführen."

Bálint Magyar, Soziologe, Central European University (Übersetzung Monitor): "Orbán benutzt die ungarischen Minderheiten, um damit Konflikte in deren Heimatland zu schüren. Sei es in Rumänien, der Ukraine oder anderen Staaten: Orban behauptet dann, diese Minderheiten zu verteidigen und finanziert diese Minderheiten, um sie dann für seine politischen Ziele einzusetzen."

Orbán mit den gleichen Methoden wie Putin? Offiziell erklärt die ungarische Regierung ihre Solidarität mit der Ukraine und steht gleichzeitig immer wieder an der Seite des russischen Präsidenten. 67 Prozent der Ungarn sind laut einer Umfrage der Meinung, dass der Krieg sie nichts angehe und man sich besser raushält. Und das hat offenbar auch mit der Berichterstattung über den Krieg zu tun. Vor allem bei Kriegsbeginn dominierte in den regierungsnahen ungarischen Medien die russische Sichtweise.

Sprecher im Fernsehen (Übersetzung Monitor): „Dass Präsident Zelensky gesagt hat, dass alle die waffenfähig sind, bewaffnet werden sollen, ist Wahnsinn. Das hat Hitler in den letzten Kriegstagen gemacht, beim Volkssturm."

Zweiter Sprecher im Fernsehen (Übersetzung Monitor): "Es ist nicht die Zivilbevölkerung in der Ukraine, die den Russen im Weg steht. Es sind die vielen amerikanischen Waffen."

Dritter Sprecher im Fernsehen (Übersetzung Monitor): "Wir können sicher sein, dass, wenn wir die russische Kultur aus der ukrainischen Kultur herausnehmen, dass das was übrig bleibt, erbärmlich ist und klein."

Es klingt wie Propaganda, wie sie auch in Russland zu hören ist.

Klára Dobrev (DK), Mitglied des EU-Parlaments (Übersetzung Monitor): "Wenn man sich die ungarischen Medien anschaut, die von Orbáns Partei kontrolliert werden, dann sieht man, dass sie ausschließlich russische Propaganda verbreiten. Dass die Ukrainer die russische Bevölkerung angreifen würden, dass die Ukrainer Nazis seien, dass sie kein Anrecht hätten auf den Osten der Ukraine und dass Russland sich lediglich vor der NATO schütze."

Aber warum dieser russlandfreundliche Kurs der regierungsnahen Medien und der gesamten Regierung? Es hat wohl auch mit engen Geschäftsbeziehungen zu tun. Die "International Investment Bank" in Budapest. Knapp die Hälfte der Anteile gehört dem russischen Staat. Offiziell soll sie bei Investitionen in Ungarn helfen. Der Chef der Bank ist der Russe Nikolaj Kosov – in der Mitte, hier mit den ungarischen und russischen Außenministern. Premierminister Orbán sorgte dafür, dass die Bank einen Sonderstatus erhielt.

Gabriella Nagy, Transparency International Ungarn (Übersetzung Monitor):"Die Bank und ihre Mitarbeiter genießen dieselbe Immunität wie ein Diplomat. Die Polizei zum Beispiel hat keinerlei Befugnisse etwas zu ermitteln, was mit der Bank zu tun hat. Davon profitiert vor allem Russland, weil die Bank so ein Außenposten für den Geheimdienst sein könnte. Wir sehen aber auch Investments, Projekte, die persönlich mit Viktor Orbán zu tun haben."

Die International Investment Bank weist mit Nachdruck zurück, etwas mit dem russischen Geheimdienst zu tun zu haben. Eine Bank mit Sonderstatus und russische Großprojekte. Orbán und Putin trafen sich in den letzten Jahren regelmäßig, vor allem, um über Energiedeals zu sprechen; langfristige Lieferverträge für russisches Öl und Gas. Und auch bei der Atomkraft setzt Orbán auf Russland. Der russische Staatskonzern Rosatom etwa soll das ungarische Atomkraftwerk PAKS erweitern. Der Zehn-Milliarden-Euro-Kredit dafür kam von einer russischen Staatsbank. Und auch hier werden gute Geschäfte mit Russland gemacht: TMH Ungarn – ein russisch-ungarisches Konsortium, das vor allem Eisenbahnwaggons baut. Die Hälfte der Anteile erwarb ein bekannter Orbán-Vertrauter – Kristóf Szalay-Bobrovniczky – seit drei Wochen neuer Verteidigungsminister der Orbán Regierung. Er kündigte an, mögliche Interessenkonflikte künftig vermeiden zu wollenhh. András Szabó ist einer der wenigen verbliebenen kritischen Investigativjournalisten in Ungarn. Er recherchiert seit Jahren zu den Verflechtungen von Orbán-Vertrauten mit Russland.

András Szabó, Investigativjournalist, Direkt36 (Übersetzung Monitor): "Unsere Recherchen haben gezeigt, dass es in den vergangenen Jahren zahlreiche Fälle gab, in denen die ungarische Regierung die Interessen Russlands bedient hat. Für Orbán ist diese enge Beziehung zu Putin auch deshalb so wichtig, weil dadurch Personen, die Viktor Orbán nahestehen, von diesen russischen Beziehungen profitieren können."

Orbáns Regierung teilt uns mit, man lege großen Wert darauf, Geschäfte und Politik strikt zu trennen. Kritiker sagen dagegen, Putin habe Orbán in der Hand.

Bálint Magyar, Soziologe, Central European University (Übersetzung Monitor): "Was Orbán an Putin verkauft, ist letztendlich Illoyalität gegenüber der EU, mit dem Ziel die Einigkeit der Europäischen Union zu unterminieren. Das macht er vor allem mit seinen Vetos bei wichtigen EU-Entscheidungen. Durch die Geschäftsbeziehungen ist Orbán erpressbar durch Putin. Aber auf der anderen Seite hat Orbán nichts, um Putin zu erpressen."

Demokratieabbau, Propaganda, Deals mit Russland und ein aggressiver Nationalismus. Und das alles auch finanziert mit Milliarden Fördergeldern aus der EU, kritisieren Parlamentarier:innen.

Klára Dobrev (DK), Mitglied des EU-Parlaments (Übersetzung Monitor):"Dass die EU endlich sagt, „Stopp, das Spiel ist aus, wir werden Orbans illiberale Herrschaft nicht weiter finanzieren,“ ist – denke ich – der einzige Weg, wie wir verhindern können, dass er eines Tages ein Aggressor wird, wie Putin es ist."

EU-Gelder, die das System Orban stützen – und damit auch seinen Verbündeten im Kreml.

Georg Restle: "Die Glaubwürdigkeit der EU bei ihren Sanktionen gegenüber Russland, sie bröckelt erheblich. Dabei klingt die Chefin der EU-Kommission eigentlich immer recht forsch."

Kommentare zum Thema

  • A.F. 10.06.2022, 08:00 Uhr

    Ich brauche nichts mehr selbst zu schreiben, alles schon anderen gesagt. Schade, diese Politmagazine habe ich eigentlich bis vor Corona regelmäßig gesehen, dann wurde es allerdings schon ziemlich fürchterlich und nun nicht mehr zu ertragen. Kein Journalismus, Propaganda.

  • Aga Bellwald 09.06.2022, 22:46 Uhr

    Putin, Erdogan und jetzt Orban. Was haben alle drei gemeinsam? Sie wollen die Zeit weit zurückdrehen und ihre längst untergegangen Reiche wieder auferstehen lassen. Da hat sich ein ganz gefähliches Trio Infernale gefunden und eine Art Bermudadreieck gebildet, bei dem man sich nicht ausdenken möchte, wo das alles enden könnte und vor allem, was das für unsere Demokratien bedeutet. Halten wir die Augen und Ohren offen, bevor es zu spät ist. Alarmismus? Mag sein, aber ein gut begründeter.

  • Ub61 09.06.2022, 22:35 Uhr

    Dieser Kommentar wurde gesperrt, weil er gegen unsere Netiquette verstößt. (die Redaktion)