Trumps Netzwerk: Globale Wegbereiter radikaler Populisten? Monitor 04.04.2024 10:48 Min. Verfügbar bis 30.12.2098 Das Erste Von Andreas Maus, Julia Regis, Silke Diettrich

MONITOR vom 04.04.2024

Trumps Netzwerk: Globale Wegbereiter radikaler Populisten?

Das “Atlas-Netzwerk” ist ein weltweiter Zusammenschluss aus neoliberalen und libertären Denkfabriken und Stiftungen. Für Donald Trump entwarfen Partner des Netzwerks das Drehbuch für die Machtübernahme 2025. In Argentinien wurde die Wahl des ultralibertären Populisten Milei zum Präsidenten massiv unterstützt. Auch in Deutschland hat das Atlas-Netzwerk Verbündete, mit besten Kontakten zur Bundesregierung.

Von Andreas Maus, Julia Regis, Silke Diettrich

Georg Restle: "Und jetzt zu diesem Mann: Donald Trump will zurück ins Weiße Haus – und seine Chancen stehen nicht schlecht. Die Gerichtsverfahren gegen ihn aufgeschoben, die Umfrage‑Ergebnisse vielversprechend. Der Trumpismus scheint auf dem Siegeszug, nicht nur in den USA, sondern weltweit. Und dabei spielt ein globales Netzwerk eine wichtige Rolle, dessen Partner Trumps Vorstellung von Politik, Staat und Gesellschaft überall in der Welt voranbringen wollen. Ein einflussreiches Netzwerk, das auch Verbindungen nach Deutschland hat. Mit besten Drähten in die Bundesregierung. Andreas Maus, Silke Diettrich und Julia Regis."

O-Ton: "Please welcome, the next President of the United States."

Ein Mann auf dem Weg zurück an die Macht. Donald Trump hat die Vorwahlen gewonnen, seine Konkurrenten in der Partei – aus dem Rennen.

Donald Trump: "It's been an incredible period of time in our country's history."

Für seine Anhänger ist klar: er ist der nächste US-Präsident. Schon Ende Februar auf der CPAC-Konferenz – dem Treffen der Konservativen in den USA – gaben sie sich siegessicher.

Steve Bannon: "Das ist ein Kreuzzug der Gerechtigkeit. Seid ihr mit dabei?"

Jack Posobiec: "Willkommen zum Ende der Demokratie. Wir sind hier, um sie endgültig über Bord zu werfen."

Die Demokratie über Bord werfen? Das soll hier ironisch klingen. Tatsächlich wird genau das von Trump-Unterstützern vorbereitet. Das Drehbuch dafür ist schon geschrieben.

Das "Project 2025". Auf 900 Seiten wird präzise beschrieben, wie der Staat nach einem Trump-Sieg radikal umgebaut werden soll. Ein Angriff auf die Exekutive und ihre Institutionen.

Zitat: "Unser Ziel ist es, eine Armee von angepassten, überprüften, geschulten und vorbereiteten Konservativen aufzustellen, die sich ab Tag eins an die Arbeit macht, um den administrativen Staat zu zerlegen."

Annika Brockschmidt, Publizistin: "Das ist eine Gesellschaftsvision, die quasi rechts libertäre Wirtschaftspositionen verbindet mit einer erzreaktionären, christlichen und nationalistischen Vorstellung davon, wie die Gesellschaft auszusehen hat."

Koordiniert und geleitet wird das Projekt hier in Washington von der "Heritage Foundation". Eine ultrakonservative Stiftung, die sich selbst als die "weltweit führende Denkfabrik für politischen Einfluss" sieht. Ihr Präsident Kevin Roberts sagte gegenüber der New York Times Anfang des Jahres, es ginge darum, den Trumpismus zu institutionalisieren. Die Verbindungen der Stiftung reichen weit über die USA hinaus. Sie ist Teil eines weltweiten Netzwerks. Des Atlas Network – mit mehr als 500 Organisationen und Stiftungen. Die Idee dahinter: ein Netz zu etablieren von einflussreichen neoliberalen Thinks Tanks, die eine gemeinsame Agenda teilen. Gegen staatliche Regulierung in der Wirtschaft, gegen staatliche Sozialleistungen oder gegen staatlich verordneten Klimaschutz.

Annika Brockschmidt, Publizistin: "… der Kern dieses sehr unübersichtlichen Netzwerks ist rechtslibertäre Wirtschaftsinteressen, die dramatische Folgen haben, beispielsweise für Umwelt und Klimapolitik zu verbinden und zu einer politischen Koalition zu schmieden mit Organisationen, die eher der traditionellen konservativen Rechten zuzuordnen sind."

Um wessen Interessen also geht es? Und: Wer finanziert das Atlas Netzwerk? Früher gab es laut Medienberichten Geld etwa vom Tabakkonzern British American Tobacco, vom Ölmulti Exxon Mobile oder von Stiftungen des Milliardärs Charles Koch, der sein Vermögen mit Erdöl und Gas gemacht hat. Atlas bestreitet solche Spenden auf Anfrage nicht, allerdings würde man schon seit Jahren kein Geld mehr von solchen Unternehmen erhalten.

Von wem das Geld heute kommt? Das macht man nicht öffentlich. Über Steuerdokumente finden wir einen wichtigen Unterstützer: den "Donors Trust" – eine Art Vermittler. Spender geben das Geld an den Trust. Der leitet die Gelder dann weiter – auch an das Atlas Netzwerk.

Die Finanzexpertin Anna Massoglia hat analysiert, wer sonst noch vom Donors Trust profitiert:

Anna Massoglia, US-Finanzanalystin, OpenSecrets: "Viele dieser Gruppen haben umstrittene Partner, solche, die sich auf die nächste Trump-Regierung vorbereiten, solche, die als Hassgruppen gelten, die gegen die Rechte von LGBTQ+ kämpfen oder gegen die Bekämpfung des Klimawandels."

Ein Spendenfonds, über den rechte und auch extrem rechte Gruppen unterstützt werden? Wie passt das zum neoliberalen Atlas Netzwerk? Spenden von solchen Fonds seien in den USA üblich, schreibt Atlas auf Anfrage. Man zähle sich weder zum linken noch zum rechten Lager. Aber um welche Ziele geht es Atlas? Und wie erfolgreich ist das Netzwerk dabei? Das lässt sich in Argentinien beobachten.

Letztes Jahr bei der Wahl von Javier Milei zum Präsidenten spielten auch Partner des Atlas Netzwerks eine wichtige Rolle. Das Land steckt seit Jahren in einer tiefen Krise. Eine Situation, die den Aufstieg Javier Mileis zum Präsidenten ermöglichte.

Milei selbst nennt sich Anarchokapitalist. Sein Symbol im Wahlkampf: Die Kettensäge. Er zeigt, wie man einen Staat "zerlegt". Ministerien für Bildung, Gesundheit und soziale Entwicklung will er: abschaffen!

Seit Milei an der Macht ist, hat sich die soziale Lage noch weiter verschärft. Die Armutsquote ist von rund 40 auf 57 Prozent gestiegen. Zehntausende gehen gegen seine Politik auf die Straße. Per Notstandsdekret werden Sozialausgaben radikal gekürzt – eine marktradikale Politik, ganz im Sinne von Ideen, wie sie auch das Atlas Netzwerk vertrete, sagt der Historiker Quinn Slobodian.

Quinn Slobodian, Historiker, Boston Universitiy: "Milei ist faszinierend, weil er in der Reihe der populistischen Führer der letzten zehn Jahre, das bisher beste Beispiel für einen Politiker ist, der eine reine Verkörperung dieser Atlas-Netzwerk-Ideologie ist."

Der politische Umbruch im Land, schreibt uns Atlas, sei auch ein Erfolg der Partner in Argentinien. Jahrelang habe man daran gearbeitet:

Zitat: "... die Öffentlichkeit und politische Entscheidungsträger zu bilden."

Also: Einfluss nehmen – auf Politik und Medien.

Und es gibt auch direkte Verbindungen zwischen den Atlas Partnern und Javier Milei: 2018 erhielt er einen Preis von einer Stiftung aus dem Atlas Netzwerk.

Der politische Ziehvater von Milei, Alberto Benegas Lynch, ist Präsident des Akademischen Rates der Stiftung Libertad e Progreso, auch ein Atlas-Partner.

Und Mileis Aussenministerin Diana Mondino gehört zum Akademischen Rat der Fundacion Atlas.

Ist Argentinien also eine Art Blaupause? Partner des Atlas-Netzwerks feiern nicht nur den Erfolg von Milei, sondern auch den von Rechtspopulisten in Europa, wie den von Geert Wilders in den Niederlanden.

Kevin Roberts vom Atlas-Partner Heritage Foundation drückte es beim US-Sender Fox so aus:

Kevin D. Roberts: "Wir als politische Rechte glauben, die 2020er werden eine goldene Ära, nicht nur hier, sondern weltweit."

Goldene Zeiten für die politische Rechte? Wie sehen das andere Atlas-Partner, etwa in Deutschland?

Auch hier ist Atlas gut vernetzt – die Kontakte reichen sogar bis ins Finanzministerium. Ökonomischer Chefberater von Finanzminister Christian Lindner ist seit zwei Jahren Lars Feld. Feld ist Vorsitzender von NOUS, einem Zusammenschluss von Ökonomen, Philosophen, Historikern – mit neoliberaler Ausrichtung. Und Nous ist auch seit Jahren ein Partner des Atlas Netzwerks. Mit Tom Palmer ist sogar ein Mann aus der Führung von Atlas Nous-Mitglied.

Wir treffen Lars Feld am Rande einer Tagung in Wien. Und wollen von ihm wissen, wie er zu Atlas-Partnern steht? Auch zu Organisationen im Netzwerk, die demokratische Strukturen abbauen wollen? Konfrontiert mit unseren Recherchen wird Feld nachdenklich.

Prof. Lars P. Feld, Persönlicher Berater des Bundesfinanzministers: "Vor dem Hintergrund der Entwicklungen in den USA schauen wir ganz kritisch darauf, wie das Atlas Netzwerk damit umgeht, insbesondere den autoritären Strukturen, die sich in der Unterstützung des Trumpismus ergeben und werden vor dem Hintergrund auch unsere Partnerschaft überdenken müssen."

Er sieht das offenbar anders. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler. Seit Jahren ist er mit dem Atlas Netzwerk verbunden. 2015 gründete er in Berlin das Prometheus Institut, das als Partner vom Atlas Netzwerk dessen Kernidee teilt: möglichst wenig staatliche Regulierung.

Man setzt sich gegen ein Tabakwerbeverbot ein, kritisiert staatliche Klimapolitik. Der Rundfunkbeitrag ist hier ein Zwangsbeitrag, der abgeschafft gehört. Prometheus, ein deutscher Think Tank, der offenbar bestens in die Atlas Strategie passt.

Quinn Slobodian, Historiker, Boston University: "Wenn man sich das Atlas-Modell als eine Art Wette auf viele kleine Akteure vorstellt und hofft, dass einige dieser Akteure zu größeren Akteuren werden, dann ist es sinnvoll, sich an kleine oder mittelgroße Akteure wie das Prometheus-Institut oder Frank Scheffler zu wenden."

Prometheus schreibt auf Anfrage, man arbeite nicht mit Personen zusammen, die eine rechtskonservative bis autoritäre Weltanschauung haben. Man stehe für eine offene Gesellschaft. Trotzdem nimmt man offenbar in Kauf, Teil eines weltweiten Netzwerks zu sein, in dem Organisationen Ziele von Rechtspopulisten unterstützen. Und auch seine Wiederwahl vorbereiten.

Georg Restle: "Am 5. November wird in den USA gewählt. Mal schauen, ob sich das Atlas‑Netzwerk dann eine neue Trophäe in den Schrank stellen kann

Startseite Monitor

Kommentare zum Thema

  • Aga Bellwald 04.04.2024, 23:07 Uhr

    Da braut sich etwas zusammen, das unsere Demokratien und ein faires Miteinander auf lange Sicht zerstören wird. Alles, was in Jahrzehnten an Rechten für Frauen, Kinder, Arbeiter*innen, sozial Benachteiligte und andere nicht privilegierte Gruppen hart erkämpft wurde, soll total platt gemacht und dem Gott Profit geopfert werden. Noch eine Prise "Christentum" reingebröselt und schon ist es schmackhaft gemacht für gewisse Kreise. Tja, man kann halt doch Gott UND dem Mammon dienen, nicht wahr?Und wie steht's mit den Verbindungen ins rechtsextreme Lage? Wäre interessant, auch dort die Finanzströme anzuschauen, denn es kommt mir stets die Karikatur von John Heartfield in den Sinn. Wer sie kennt, weiss, was ich meine.

  • Ralf B. 04.04.2024, 22:36 Uhr

    Der Beitrag macht Hoffnung. So viele extrem Gebilde in dem Atlas Netzwerk. Danke für den Bericht.

  • Karl Heinz 04.04.2024, 22:17 Uhr

    Ein schöner Bericht über die transkontinentalen rechtsradikalen Netzwerke. Ich hoffe das Monitor oder die ARD demnächst eine ausführliche Berichterstattung zu den deutschen Partnern der Atlas Netzwerke sendet. Mit Namen von Akteuren und Parteien, die daran teilhaben und inwieweit das alles schon ein Prüffall für den Verfassungsschutz ist. Wird Atlas in den USA eigentlich von den zahlreichen Geheimdiensten überwacht oder sind die mit ihm Boot?