MONITOR vom 10.09.2020

Donald Trump: Auf dem Weg zum Autokraten?

Bericht: Golineh Atai, Jürgen Fränznick

Donald Trump: Auf dem Weg zum Autokraten? Monitor 10.09.2020 10:59 Min. UT Verfügbar bis 30.12.2099 Das Erste Von Golineh Atai, Jürgen Fränznick

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Georg Restle: „Und ja, auch solche Flaggen gab es in Berlin. Deutsches Kaiserreich, das Symbol eines rechtsextremistischen Verschwörungsmythos und der US-amerikanische Präsident Donald Trump, vereint in einem Bild. Und nein, das ist keine wirkliche Überraschung. Denn lange schon haben Rechtspopulisten in der ganzen Welt Donald Trump zu ihrem großen Vorbild erklärt; auch hier in Deutschland. Ob Reichsbürger oder andere Rechtsextremisten, auch sie hoffen auf seine Wiederwahl am 3. November. Vielleicht auch deshalb, weil Donald Trump ihrem Ideal eines Antidemokraten immer näher kommt. Wie kein anderer US-Präsident vor ihm hat er demokratische Institutionen in den USA ignoriert und ramponiert und seine Macht für einen einzigen Zweck missbraucht: für sich selbst. Golineh Atai.“

Ein Amt für unbegrenzte persönliche Macht? Um seine Interessen zu schützen? Um seine Feinde zu bestrafen?

Donald Trump, US-Präsident (Übersetzung Monitor): „Wenn jemand der Präsident der USA ist, ist seine Macht total. So muss es sein – totale Macht! Ich habe das Recht, viele Dinge zu tun – das wissen die Menschen nicht mal. Ich habe das Recht zu tun, was ich will als Präsident. Aber, ich rede nicht mal drüber!“

Donald Trump. Der wohl umstrittenste Präsident der USA. Er habe die Institutionen der Vereinigten Staaten so sehr beschädigt wie kein anderer, sagen Kritiker. Die Verfassung und Demokratie ausgehöhlt.

George Packer, Schriftsteller und Journalist (Übersetzung Monitor): „Wir hatten noch nie einen Präsidenten, der ein Diktator sein wollte und es versuchte. Der die Verfassung missachtet, der nicht mal so tut, als ob er auf sie achtet. Trump ist eine einzigartige Bedrohung in unserer Geschichte.“

Wie hat Donald Trump die Checks and Balances – die Säulen der Gewaltenteilung – erschüttert? Die Legislative – dass ein Präsident ihre Macht aushebelt, wäre für die Gründerväter ein Akt der Tyrannei gewesen. Und doch hat Trump es immer wieder getan. Zum Beispiel hier, beim Bau des Grenzwalls zu Mexiko. Einem seiner wichtigsten Projekte.

Donald Trump, US-Präsident (Übersetzung Monitor): „Baut die Mauer – baut die Mauer!“

Der Kongress hat ihm dafür explizit keine Mittel gegeben. Kein Geld für den Grenzwall. Trump stimmt zu, unterschreibt den Haushalt. Dann die Kehrtwende. Plötzlich erklärt er einen nationalen Notstand an der Südgrenze. Ein Trick, um an Steuergelder zu kommen für sein Lieblingsprojekt. Später gibt er zu, dass eigentlich gar kein Notstand existierte.

Donald Trump, US-Präsident (Übersetzung Monitor): „Ich musste das nicht tun. Aber ich wollte, dass es schneller geht. Dass schneller gebaut wird.“

Stephanie Llanes, Verfassungsjuristin „Protect Democracy“ (Übersetzung Monitor): „Es ist klar, dass Präsident Trump die Kompetenz des Kongresses missbraucht und beschädigt hat – und damit alle drei Staatsgewalten. Besonders hier, indem er das Haushaltsrecht des Kongresses an sich gerissen hat.“

Die rechtsprechende Gewalt. Was passiert, wenn der Präsident ihre Unabhängigkeit verletzt? Und aus ihr eine politische Justiz macht? Erica Newland war zwei Jahre lang Spitzenjuristin im Justizministerium. Sie prüfte die Erlasse des Präsidenten auf ihre Verfassungsmäßigkeit – oder machte sie verfassungskonform, wie sie sagt. Unter Trump habe sich das Ministerium verändert.

Erica Newland, ehem. Juristin US-Justizministerium (Übersetzung Monitor):„Es war, als ob unser Job darin bestand, das Recht und die Fakten zu verbiegen, um Trump die gewünschte Antwort zu liefern – also ihm ein Alibi zu verschaffen.“

Unter Justizminister William Barr wird das Recht noch mehr zugunsten des Präsidenten verschoben. Barr ermöglicht, dass die Gegner Trumps verfolgt und Gesetzesverstöße von Trump-Freunden folgenlos bleiben.

Erica Newland (Übersetzung Monitor): „Der Präsident und William Barr haben die Wandlung des Justizministeriums beschleunigt. Sie machten aus einem Ministerium, das dem amerikanischen Volk dienen soll, die persönliche Anwaltskanzlei des Präsidenten, die nur Trumps Interessen schützt – und nicht unsere Interessen.“

Zum Beispiel Roger Stone – Trumps Kumpane, Politikberater, Verschwörungstheoretiker. Ein Gericht spricht ihn schuldig, im letzten Präsidentschaftswahlkampf für Trump illegale Absprachen mit Russland getroffen und den Kongress darüber belogen zu haben. Die Staatsanwaltschaft fordert bis zu neun Jahre Haft.

Donald Trump, US-Präsident (Übersetzung Monitor): „In diesem Land wollen wir Gerechtigkeit. Und Roger Stone wurde nicht angemessen behandelt.“

Stone wird per Gnadenerlass zum freien Mann. Er weigerte sich, Trump vor Gericht zu belasten – und wurde belohnt. Laut einer Harvard-Untersuchung sind 31 von 36 Begnadigungen Trumps umstritten und dienten seinen persönlichen Interessen und Kontakten. Über 2.000 ehemalige Beamte des Justizministeriums fordern nach dem Gnadenerlass für Stone den Rücktritt des Ministers. Aber nichts passiert, niemand hier tritt zurück. Nur Erica Newland ist gegangen. Sie hat gekündigt.

Die Exekutive: Was passiert, wenn der Präsident seine Macht missbraucht? Portland/Oregon – eine Stadt an der Westküste. Seit über hundert Tagen demonstrieren Menschen hier für Black Lives Matter – für Trump ein Affront.

Donald Trump, US-Präsident (Übersetzung Monitor): „Das ist viel schlimmer als in Afghanistan. Ich werde das Militär schicken und das Problem schnell lösen.“

Das Problem schnell lösen, gegen den Willen eines US-Bundesstaates. In Portland tauchen militarisierte Spezialeinheiten ohne Abzeichen auf, Truppen des Grenzschutzes und Heimatschutzes. Sie werfen Tränengas auf Zivilisten. Sie schlagen einen Navy-Veteranen, der friedlich fragt, warum das Militär gekommen ist. Sie schüren Gewalt, werfen Demonstranten in Lastwagen ohne Kennzeichen. Sie schubsen und treten die Mütter, die für Menschenwürde protestieren. Demetria Hester ist eine dieser demonstrierenden Mütter. In Portland war die Aktivistin bereits als Opfer rechtsextremer Gewalt bekannt. Selbst vor ihr machten die Polizisten nicht halt.

Demetria Hester, Black Lives Matters Aktivistin (Übersetzung Monitor): „Sie sind in voller Montur. Wenn du dich nicht schnell genug bewegst, schubsen sie dich, kesseln dich ein und schlagen dich. Die Symptome vom Tränengas sind schrecklich. Die meisten Mütter haben dadurch Hormonschwankungen bekommen, Schlafstörungen, Panik und posttraumatische Belastungsstörungen.“

Der Einsatz dieser Sondereinheiten gegen Demonstranten: ein klarer Rechtsbruch, das sagen selbst Konservative.

Paul Rosenzweig, ehemaliger Beamter US-Heimatschutzministerium (Übersetzung Monitor): „Das ist eine autoritäre Antwort auf einen Protest. Das erinnert einen an Russland oder China. Seit dem amerikanischen Bürgerkrieg vor 150 Jahren haben wir ein Gesetz, das dem Präsidenten verbietet, Militär für zivile Zwecke einzusetzen. Wenn ein Staatschef das Militär einsetzt, um Dissens zu unterdrücken, dann ist die Demokratie wirklich gefährdet.“

Das Wahlrecht macht aus dem Volk den Souverän. Was aber, wenn der Zugang zur Wahlurne bestimmten Bürgern erschwert wird?

Milwaukee/Wisconsin – im Mittleren Westen. Ein Swingstate, einer der Bundesstaaten, wo es auf jede Stimme ankommt, und die die Wahl entscheiden können. Donald Trump hatte Wisconsin 2016 mit knappem Vorsprung gewonnen. Ein Grund dafür, es gingen deutlich weniger Schwarze zu Wahl. Vor allem hier, in Milwaukees armem Nordwesten. Schwarze hier zum Wählen zu bewegen bedeutet: Jahrzehnte der Vernachlässigung anzusprechen.

Keviae Guiden, BLOC (Übersetzung Monitor): „Hier sind fünf Masken drin, wiederverwendbare. Meine Name ist Kiva. Ich brauche dich, damit du wählen gehst. Dritter November – ok?“

Keviae Guiden arbeitet für eine Organisation, die Sozialarbeit macht und politisch aufklärt. Wie wählen in der Pandemie? In Zeiten von Corona? Kiva erklärt, registriert ihre Ausweise, sagt, wie man Briefwahlunterlagen beantragt. Denn auf die Briefwahl kommt es an. Genau dagegen richtet sich Donald Trumps Kampagne.

Donald Trump, US-Präsident (Übersetzung Monitor): „Die Briefwahl, ein Desaster. Das werden die manipuliertesten Wahlen der Geschichte. Wir wollen keine Briefwahl, in keinem Bundesstaat! Das führt zu totalem Wahlbetrug!“

Trumps Ziel: Die Wahlbeteiligung zu senken. Wenn mehr Bürger wählen gehen, wählen überproportional mehr Schwarze, die traditionell die Demokraten wählen. Genau das will er offenbar verhindern. Für Angela Lang ist diese Taktik Wahlunterdrückung.

Angela Lang, BLOC (Übersetzung Monitor): „Wahlunterdrückung ist ein Riesending in unserer Community. Die Republikaner in Wisconsin und im Land machen aus der globalen Pandemie eine Waffe, um mit ihr Wählerstimmen zu unterdrücken. Sie versuchen das Tempo der Post zu drosseln, so dass die Leute nicht rechtzeitig ihre Briefwahlunterlagen bekommen.“

Wahlunterdrückung mit allen Mitteln. Trump und die Republikaner setzten in diesem Wahljahr eine riesige Prozesswelle in Gang. In neunzehn Bundesstaaten geht die Partei vor Gericht, um mehr Briefwahl zu verhindern und überhaupt den Zugang zur Wahlurne zu erschweren. Die Prozesse richten sich gegen Initiativen wie die von Kiva. BLOC will vor Gericht erstreiten, dass alle Bürger in Wisconsin sicher vor Corona wählen können. Die Republikaner gehen dagegen mit eigenen Verfahren vor.

Angela Lang, BLOC (Übersetzung Monitor): „All die Zeit und das Geld wären besser ausgegeben, um uns in diesen dunklen Zeiten gut zu führen, anstatt es für die Menschen schwieriger zu machen, wählen zu gehen.“

Donald Trump oder der Staat bin ich. Ein Präsident, den die Verfassung eigentlich nicht vorgesehen hatte.

George Packer, Schriftsteller und Journalist (Übersetzung Monitor): „Er ist das, was die Gründerväter fürchteten, weil sie den König von England erlebt hatten, der absolut regierte. Deshalb setzten sie all diese Kontrollen in die Verfassung, damit es in unserer Republik nie zu einem König kommt. Aber diese ganzen Kontrollen sind nur so stark wie die Menschen, die sie benutzen und durchsetzen wollen.“

Vielleicht geht es genau darum: Ob am 3. November erneut ein Mann ins Weiße Haus gewählt wird, der die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika weiter und dauerhaft beschädigen wird.

Georg Restle: „Genau darum geht es, und das hätte dann ganz sicher nicht nur Auswirkungen auf die USA.“

Kommentare zum Thema

  • Waltraud Remmers 11.11.2020, 20:41 Uhr

    Auch für mich sind alle diese Geschehnisse ein Zeichen dafür, das Trump die Demokratie umstürzen will. Wenn die Einwohner der USA nicht endlich aufwachen, wird Trump bald zum nächsten Präsidenten, ohne die Wahlen gewonnen zu haben. Es wird Zeit für einen massiven Widerstand gegen ihn. Bis jetzt ist er mit allen seinen Vorhaben durchgekommen und er wird es wieder schaffen. Verbale Attacken haben keine Wirkung auf ihn, er braucht massiven Widerstand- die Bürger der USA müssen sich mobilisieren und ihn gemeinsam absetzen.

  • Jo Beeck 27.09.2020, 08:22 Uhr

    Trump nutzt das "was er hat" und wie die Welt vielerorts ist ....etwas anders als Evan Musk oder andere! Mehr "Schein als Sein" ist sein Leben von Beginn an -unter dem despotischen Vater und der Sozialisierung im "Baugewerbe" - derb,grob &stupid! Weitere Ausbildung durch einen Mafia-Anwalt in privater Pseudo-"West Point"-Akademie und DIE Erfahrungen wie man mit JA-Sagern aus der Politik und ihren Macht-Erhaltungsbemühungen umzugehen/-springen hat ...brachten ihn dazu seine Rache an Obama anzugehen! Er handelt wie die Pharaos in Ägypten,die unliebsame Ahnenbilder zerstören liessen! Obama ist sein Feind ....dem er nie das Wasser reichen könnte! Seine Patsch-Händchen bei grossem Körperbau im Stile eines Quarterback darzustellen bringen dieselben nur zum Lachen -weil diese Leader -wie Obama-die "Pfeife" vor ihnen erkennen können!

  • Aga Bellwald 11.09.2020, 19:03 Uhr

    Liebes amerikanisches Wahlvolk, bitte befreit euch und uns vom Dauerhorror dieses egomanen, psychopathischen, rassistischen und völlig durchgeknallten "Präsidenten". Nochmals vier dunkle Jahre hielte unser Planet nicht länger aus, auch euer Land wäre vollends im Arsch.

    • Jakob Weber 16.09.2020, 12:08 Uhr

      Das was Sie da schreiben --Liebes amerikanisches Wahlvolk, bitte befreit euch und uns vom Dauerhorror dieses egomanen, psychopathischen, rassistischen und völlig durchgeknallten "Präsidenten". Nochmals vier dunkle Jahre hielte unser Planet nicht länger aus, auch euer Land wäre vollends im Arsch—trifft eher Deutschland zu. Die Menschen ertragen diese arroganten, inkompetenten und gewissenlosen Politiker*innen nicht mehr. Die Vertreter des Volkes (???) haben durch Corona-Diktatur die Lebensqualität, die Demokratie und die Wirtschaft in Deutschland vor die Wand gefahren. Diese Lügner ertragen die Bevölkerung nicht mehr. Die Merkel-Regierung soll abgewählt werden. Deutschland ist nun ein Vorbild weltweit in Sachen rücksichtlose und brutale Autorität und Diktatur geworden. Menschenrechte gab es mal in Deutschland…. 2020 wurde gänzlich abgeschafft.

    • Aga Bellwald 14.10.2020, 20:46 Uhr

      Ach, wenn Deutschland eine Diktatur wäre, so könnten Sie hier nicht so frei schreiben, sondern wären längst im Hotel Gitterblick. Bin ein bisschen spät dran mit meiner Antwort, aber das musste gesagt werden. Ihr und mein Land sind und bleiben Demokratien, daran ändern weder Trump noch Corona etwas. 😃