MONITOR vom 27.05.2021

Maskendeals und Nebeneinkünfte: Was bleibt vom Transparenzversprechen?

Bericht: Nikolaus Steiner, Frank Konopatzki

Maskendeals und Nebeneinkünfte: Was bleibt vom Transparenzversprechen? Monitor 27.05.2021 06:21 Min. UT Verfügbar bis 30.12.2099 Das Erste Von Nikolaus Steiner, Frank Konopatzki

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Georg Restle: „Diese Frau hier beherrscht seit Wochen die politische Debatte im Land. Die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock bekommt gerade zu spüren, wie dünn die Luft werden kann auf dem Weg ins Kanzlerinnenamt. Da kommt es gar nicht gut an, wenn Weihnachtsgeld oder andere Zahlungen der Partei nicht rechtzeitig an die Bundestagsverwaltung gemeldet werden. Und dafür gab es zu Recht Kritik. Dabei scheint es allerdings so, als seien einige Politiker von CDU und CSU ganz froh darüber, dass damit von einem Skandal abgelenkt werden konnte, der eine ganz andere Dimension hat, dem Korruptionsskandal um die Maskendeals von Unionsabgeordneten. Größtmögliche Transparenz wurde da vor einigen Wochen versprochen. Nur, was ist aus diesem Versprechen eigentlich geworden? Nikolaus Steiner.“

Es ist einer der größten Skandale in der Geschichte der Union. Abgeordnete von CDU und CSU fädelten in der Pandemie Maskendeals ein – und einige haben damit sehr gut verdient. Georg Nüßlein etwa, damals CSU, soll 660.000,- Euro bekommen haben. Er habe nichts Unrechtes getan, sagt er bis heute. Nikolas Löbel, damals Bundestagsabgeordneter von der CDU, räumte ein, 250.000,- Euro bekommen zu haben. Und Mark Hauptmann, ebenfalls damals in der CDU, soll fast eine Million kassiert haben, was er zunächst bestritten hatte. Die Union geriet unter Druck und versprach schärfere Regeln und mehr Transparenz.

Markus Söder (CSU), 21.03.2021: „Wir müssen klar Schiff machen, wir brauchen neue Regeln.”

Armin Laschet (CDU), 08.03.2021: „Und da wird jetzt auch durchgegriffen.”

Markus Söder (CSU), 21.03.2021: „Keine halben Sachen machen, sondern einen klaren Kurs und klare Linie für die Zukunft.”

Armin Laschet (CDU), 08.03.2021: „Schnell, konsequent, und auch durch Verschärfung der Regeln.“

Schärfere Regeln – aber wie sieht es mittlerweile aus in Sachen Transparenz? Noch vor der Bundestagswahl soll ein neues „Abgeordnetengesetz” verabschiedet werden. Unter anderem sollen Nebeneinkünfte schon ab 1.000,- Euro im Monat offengelegt werden müssen, Unternehmensbeteiligungen bereits ab 5 %. Und auch Aktienoptionen müssen transparent gemacht werden. Wichtige Schritte, aber wer kontrolliert, dass die schärferen Transparenzregeln auch tatsächlich eingehalten werden? Zuständig ist die Bundestagsverwaltung. Ihr Chef ist Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, Abgeordneter der CDU. Auch seine Stellvertreterinnen und Stellvertreter im Bundestagspräsidium sind allesamt Parteipolitiker, von den Grünen bis zur Linken. Wie unabhängig können diese Kontrolleure tatsächlich sein?

Timo Lange, LobbyControl: „Damit bleibt das Problem bestehen, dass der Bundestagspräsident hier seine Parteikollegen, Abgeordneten, Freunde letztlich kontrollieren muss und sich immer dem Vorwurf ausgesetzt sehen muss, dass er da möglicherweise befangen ist, wenn es um politische Freunde geht oder um politische Gegner.”

Wie lax manche Politiker die Regeln handhaben, zeigte sich vergangene Woche. Zahlreiche Bundestagsabgeordnete hatten unentgeltliche Tätigkeiten in Lobbyorganisationen nachgemeldet. Keine Kleinigkeit, denn egal, ob ehrenamtlich oder nicht, Lobbytätigkeiten müssen angezeigt werden. Viele Abgeordnete machten das aber erst, nachdem sie vom Portal abgeordnetenwatch danach gefragt wurden.

Léa Briand, abgeordnetenwatch.de: „Das zeigt, dass die Abgeordneten, weil sie nichts an Sanktionen zu befürchten haben, nichts an Konsequenzen zu befürchten haben, mit den Veröffentlichungsregeln sehr lasch umgehen.“

Das Bundestagspräsidium kann Abgeordnete bei Verstößen rügen oder sanktionieren und Ordnungsgelder verhängen. Aber eine Sanktion ist in den letzten Jahren nur ein einziges Mal verhängt worden. Zu wenig Kontrolle, kaum Sanktionen. Das kritisieren Expert*innen des Europarats seit Jahren – zuletzt in einem Bericht vom März. Darin wurde nochmal darauf verwiesen, dass es Hinweise für einen

Zitat: „Mangel an Effektivität bei dem administrativen Kontrollmechanismus”

gebe. Es stelle sich die Frage,

Zitat: „… ob sich die Bundestagsverwaltung nicht in zu großer Nähe zur Macht befindet, als dass sie Abgeordnete wirksam kontrollieren (…) könnte…“.

Deshalb brauche es weitere Schritte – über das neue Abgeordnetengesetz hinaus, sagen Kritiker.

Timo Lange, LobbyControl: „Was wir uns vorstellen, ist ein unabhängiges Gremium, eine unabhängige Stelle, die entsprechende, auch Ermittlungs- und Untersuchungskompetenzen hat.”

Léa Briand, abgeordnetenwatch.de: „Das gibt’s schon in viel anderen Ländern, bei denen die Transparenzregeln grundsätzlich schärfer sind. Das ist zum Beispiel der Fall in Frankreich, es gibt wirklich eine unabhängige Autorität oder wirklich Verwaltung/Behörde, die sich um alle diese Themen kümmert.“

Aber auch bei einem anderen Transparenzversprechen hakt es. So wollte die Große Koalition das Parteiengesetz reformieren – parteiübergreifend. Unter anderem, um mehr Transparenz bei Parteispenden zu erreichen. Denn bislang gilt, Spenden bis 10.000,- Euro müssen gar nicht einzeln veröffentlicht werden. Spenden bis 50.000,- Euro werden meist erst nach anderthalb Jahren in den Rechenschaftsberichten öffentlich. Ein Gesetzentwurf der SPD vom März sollte das ändern. Die Veröffentlichungsgrenzen sollten massiv abgesenkt, mehr Transparenz geschaffen werden. Aber aus der Gesetzesreform wird nichts. Seit letzter Woche ist klar, das Vorhaben ist erstmal vom Tisch. Union und SPD konnten sich nicht einigen, schieben sich gegenseitig den schwarzen Peter zu. Friedrich Straetmanns von den Linken war an den Verhandlungen zu dem überparteilichen Gesetz beteiligt. Er kritisiert, trotz Maskenaffäre sei es ausgerechnet die Union, die blockiert.

Friedrich Straetmanns (DIE LINKE), Bundestagsabgeordneter: „Die Union hat quasi signalisiert, wir sind bereit, dort grundlegende Gesetzesänderungen anzugehen, haben aber dann – das muss ich im Nachhinein sagen – erst mal abgewartet, wie sich die öffentliche Meinung entwickelt. Und je mehr Abstand zu den Affären besteht, desto geringer war das Engagement der Union, irgendetwas am Parteiengesetz Nennenswertes zu ändern und nicht nur Kosmetik zu betreiben.”

Ein schärferes Abgeordnetengesetz, dessen Kontrolle fragwürdig ist. Und ein neues Parteiengesetz, das gar nicht kommt. So sieht sie aus, die Bilanz vom großen Transparenzversprechen.

Georg Restle: „So geht wohl Krisenkommunikation in der Politik. Erst größtmögliche Reue zeigen, dann medienwirksam versprechen, künftig alles anders zu machen – und dann darauf hoffen, dass niemand mehr so genau hinschaut, wenn schließlich doch vieles beim Alten bleibt.“

Kommentare zum Thema

  • Kevin Schlosser 02.06.2021, 00:13 Uhr

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  • meinungs´freiheit´ 30.05.2021, 22:13 Uhr

    Naja---Affären, Korruption, Manipulation---mit Masken,sicher bald auch Impfstoffe,aber nun erst recht kriminelle Abrechnungen. Also nochmal langsam: Bevölkerung soll(muß?!) glauben, sie befände sich in einer DEMOKRATIE, also sogar einer von Merkel und Co. Doch was kommt zum Vorschein ? Mißwirtschaft ,Einmischung in Angelegenheiten anderer Völker, Unterdrückung bzw. Verfolgung oppositioneller Bürgerbewegungen, Schre ARM-Reich immer mehr ausweiten usw. Alle Strukturen im Lande sind versifft. Aufgabe und Chance für die Alternative für ein gutes Deutschland ist angesagt. Es sollte vermieden werden, dass CDU und Co. unser Land weiter in die Krisen führen !!!

  • Rudolf Wolff 30.05.2021, 12:40 Uhr

    Bei den Maskendeals hat sich mal wieder das Ethisch - Moralische Marode Gesicht der Union,s - Parteigesicht gezeigt, es ist einfach nur noch Eklig die Parteien leben in ein Neofeudalismus des 21ten Jahrhundert, und das Volk muss sich mit der Neoknechtschaft des 21ten Jahrhundert abfinden.r.wolff