MONITOR vom 03.03.2022

Putins nützliche Idioten: Wo Russlands Propaganda verfängt

Bericht: Julia Regis, Lara Straatmann

Putins nützliche Idioten: Wo Russlands Propaganda verfängt Monitor 03.03.2022 06:38 Min. UT Verfügbar bis 30.12.2099 Das Erste Von Julia Regis, Lara Straatmann

Kommentare zum Thema, weiterführende Links und der Beitragstext als PDF

Georg Restle: "Zeig mir, mit wem Du befreundet bist, und ich sage Dir, wer Du bist. Auch in Deutschland gibt es noch Menschen, die Putin eisern die Treue halten. Die seine Sicht auf die Welt teilen, seine Feindschaft gegenüber westlichen Demokratien, seinen völkischen Nationalismus. Besonders häufig zu finden am äußersten rechten Rand des politischen Spektrums. Besonders aktiv im Netz, aber auch auf der Straße, wo sie sonst gegen Flüchtlinge oder eine angebliche Corona-Diktatur protestieren. Mit Russland-Flaggen in der Hand. Julia Regis und Lara Straatmann."

Eine Flut von Bildern und Videos – der Krieg tobt auch im Netz. Russlands Staatsmedien verbreiten Falschinformationen und Propaganda – auch in Deutschland. Anstelle von Krieg ist hier nur von einer sogenannten "Militäroperation" die Rede, die angeblich einen globalen Krieg verhindern soll - ganz im Wortlaut des Kremls.

Zitat: "Tag sechs der Militäroperation." – "Es besteht keine Gefahr für die Zivilbevölkerung." (24.02.) – "Die Pressesprecherin des russischen Außenministeriums betonte, dass das, was gerade passiert, nicht der Anfang eines Krieges sei, sondern im Gegensatz, es soll einen globalen Krieg verhindern." (25.02.)

Die russischen Staatsmedien Russia Today, kurz RT oder Sputnik News, kurz SNA: Auf Webseiten, in den sozialen Medien, per Livestream – nonstop verbreiten Sie die Desinformation der russischen Regierung. Julia Smirnova ist gebürtige Russin, hat in Deutschland studiert. Sie arbeitet bei einem Institut, das Desinformationen analysiert.

Julia Smirnova, Institute for Strategic Dialogue: "Diese Sender sind sehr wichtig. Mit diesen Sendern will die russische Führung die eigene Sicht im Westen verbreiten, die Ukraine oder die NATO auch als Aggressor darzustellen."

Die EU hat das Verbreiten von Inhalten der russischen Staatssender verboten, doch über alternative Plattformen wird die Propaganda trotzdem weiter verbreitet. Und sie verfängt auch in Deutschland. Artikel und Videos werden in den sozialen Medien tausendfach geteilt. Der deutsche Ableger von Russia Today ist in der Verschwörer-Szene und in rechten Gruppen beim Messenger-Dienst Telegram eine der Hauptquellen. Smirnova und ihr Team haben hunderte solcher Kanäle untersucht. In Bezug auf den Russland-Ukraine-Konflikt ist Russia Today Deutsch im Zeitraum von November 2021 bis wenige Tage nach Kriegsbeginn dort das meistgeteilte Nachrichtenmedium. Kein Zufall, denn seit Jahren bedienen die Sender gezielt polarisierende Themen. Zuletzt vor allem Desinformation über die Corona-Pandemie – und jetzt auch über Putins Angriffskrieg auf die Ukraine. Und die russische Propaganda bleibt nicht nur im Netz. Wolgast in Mecklenburg-Vorpommern, zwei Tage vor der russischen Invasion. Auf einer Corona-Demonstration wird Wladimir Putin lautstark die Ehre erwiesen.

Redner: "Ich grüße hiermit unseren Freund Wladimir Putin!" – (Applaus)

Vergangenes Wochenende in Niedersachsen: Der Überfall auf die Ukraine wird hier als vermeintliche Notwehr Putins gerechtfertigt. Kreml-Propaganda von einem prominenten Gesicht der Querdenkerszene: Bodo Schiffmann.

Bodo Schiffmann (Videoausschnitt): "Hier muss man tatsächlich den Notwehr-Paragraphen heranziehen. Hier hat ein Führer eines Landes einen Befreiungsschlag ausgeführt."

Verharmlosung eines brutalen Angriffskrieges – und Demonstranten schwenken dazu die russische Fahne.

Miro Dittrich, Rechtsextremismus-Forscher (CeMAS): "Das passt sehr gut in ihr Weltbild. Zum einen denken sie ja, dass die normalen Medien alle gleichgeschaltet werden für eine geheime Elite, und diese Elite sagt jetzt, Russland wär böse. Also das ist so ein sehr instinktives: ja, dann glauben wir das Gegenteil. Zum anderen sehen sie in Putin einen Widerstand gegen diesen verweichlichten, durchsetzten Westen und erhoffen sich hier einen Widerstandskämpfer, der sie befreit."

Putin als Befreier – diese Vorstellung wird auch von rechtsextremen Medien befeuert. Etwa von dem vom Verfassungsschutz beobachteten Compact-Magazin. Das einflussreiche Sprachrohr der Szene titelte am Wochenende:

Zitat: "Weltkrieg gegen Putin".

Der Chefredakteur des Magazins, Jürgen Elsässer, behauptet auch nach dem russischen Angriff,

Zitat: "Russland ist nicht der Aggressor".

Propaganda für den Kreml-Chef von ganz rechts außen.

Prof. Matthias Quent, Soziologe, Hochschule Magdeburg-Stendal: "Putin und große Teile der extremen Rechten verbindet diese Verachtung für den als schwach und dekadent angesehenen Westen und seine liberalen, demokratischen, menschenrechts-orientierten Werte und außerdem ein völkischer Nationalismus, der letztlich auch imperiale Züge trägt."

Und beim parlamentarischen Arm der extremen Rechten? Sondersitzung des Bundestages. Begrüßung des ukrainischen Botschafters Andrij Melnyk – alle Fraktionen stehen auf und applaudieren. Nur die Abgeordneten der AfD bleiben sitzen und verweigern die Solidaritätsbekundung. Die Spitze der Partei verurteilt zwar den Angriff auf die Ukraine, doch aus der zweiten Reihe kommt jede Menge Bewunderung und Verständnis für den russischen Machthaber Putin – selbst nach dem Angriff auf die Ukraine. Jörg Dornau, AfD-Abgeordneter in Sachsen, macht sich am Morgen des Kriegsbeginns eine Äußerung Trumps zu eigen und meint:

Zitat: "Trump nennt Putins Vorgehen genial!"

Hans Thomas Tillschneider, AfD-Abgeordneter in Sachsen-Anhalt bestritt sogar, dass es sich um einen Angriff Russlands handelt. Er schrieb:

Zitat: "Russland wehrt sich!"

Mittlerweile ist der Tweet gelöscht. Ein völkerrechtswidriger Angriff. Von deutschen AfD-Politikern verharmlost und gerechtfertigt.

Prof. Matthias Quent, Soziologe, Hochschule Magdeburg-Stendal: "Große Teile der extremen Rechten in Deutschland kämpfen denselben Krieg wie Putin mit Worten, mit Informationen, den Krieg gegen die Demokratie. Und damit unterstützen und helfen sie den Interessen Putins."

Während in der Ukraine Menschen sterben, stellen sich Teile der rechten Szene stramm an Putins Seite: im Netz, in den Parlamenten und auf der Straße.

Georg Restle: "Angeblich war es Lenin, der für solche Menschen eine treffende Bezeichnung gefunden hat: 'Nützliche Idioten'."

Kommentare zum Thema

  • Peter W. 15.03.2022, 11:05 Uhr

    Dieser Kommentar wurde gesperrt, weil er gegen unsere Netiquette verstößt. (die Redaktion)

  • Thomas Holm 04.03.2022, 13:04 Uhr

    Die AfD war schon immer für Patriotismus, Identität, wehrhaftigkeit. Jetzt finden es auch andere gut aber die AfD bleibt die böse Partei ?

  • Ralf Binder 04.03.2022, 11:13 Uhr

    Als man „Klimahysterie“ zum Unwort des Jahres machte wurde erst richtig deutlich, wie treffend dieser Ausdruck ist. Das gleiche Hineinsteigern bis in die Hysterie findet man bei Corona und hier wieder beim Konflikt um die Ukraine. Ich kann immer nur das kleinere Übel wählen und obwohl ich viele Denkansätze bei all diesen Themen mittrage, lande ich immer wieder durch Hysterie auf der anderen Seite. Zur Diffamierung sucht man sich einzelne tatsächlich zweifelhafte Postionen raus und verallgemeinert die. Der eigene Blödsinn fällt aber komplett unter dem Tisch. Z.B. hat Düsseldorf eine Maskenpflicht im Freien mit Ansteckungsgefahren an der frischen Luft über 5 Meter Distanz begründet. Der Unfug wurde vom Gericht ohne Prüfung kassiert aber Gerichte geben dem Gesetzgeber viel Spielraum und jede Menge Quatsch ist noch in Kraft; geht man daran wäre „Lockerung das falsche Zeichen“. Auch hier wird wieder eine Kulisse aufgebaut die an vielen Punkten brüchig ist; dann bin ich eben Ukaine-Leugner.