Bericht: Jochen Taßler, Kim Otto, Ralph Hötte
Georg Restle: „Und noch eine Frage schließt sich an: Wer profitiert eigentlich von den neuen Rüstungsaufträgen? Und wie verhindert man, dass das viele neue Geld nicht wieder völlig sinnlos verpulvert wird? Genau dafür hat sich Bundesverteidigungsministerin Von der Leyen externe, private Berater ins Boot geholt. Nicht irgendwelche, sondern Unternehmen mit engsten Verbindungen zur Rüstungsindustrie. Ein Einfallstor für Lobbyisten? Recherchen von Jochen Taßler, Kim Otto und Ralph Hötte.“
Was ist nicht alles schief gelaufen bei den Großprojekten der Bundeswehr in den letzten Jahren? Der Transportflieger A 400 M - kämpft seit Jahren mit Triebwerksproblemen. Mehrkosten für den Steuerzahler: Mindestens 1,4 Milliarden Euro.
Das Standardgewehr G 36 - ausgemustert, weil es nicht präzise genug zielte. Kosten für Ersatz: Geschätzt 630 Millionen Euro. Oder die Drohne EuroHawk - angeschafft, bekam aber nie eine Betriebserlaubnis. Unnütze Kosten: mehr als 1,3 Milliarden Euro. Verschiedene Skandale, die eins gemeinsam haben. Ihren Anfang nahmen sie hier, im Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr. Dort wird entschieden, was die Bundeswehr anschafft. Hochkomplexe Waffensysteme. Milliardenbudgets. Ohne die Beamten hier geht nichts. Im Verteidigungsministerium hat man nun offenbar genug von den ständigen Fehlplanungen. Ministerin von der Leyen will den Beamten ab sofort externe, private Berater zur Seite stellen. Und zwar in enormem Ausmaß. Das zeigt eine vertrauliche Rahmenvereinbarung, die MONITOR vorliegt. Darin steht, mehr als 100 Millionen Euro sollen im Bereich Beschaffung in den kommenden drei Jahren für externe Berater ausgegeben werden. In diesem Zeitraum fast 200 Vollzeitstellen.
Prof. Joachim Wieland, Universität Speyer: „In dem Umfang, wo Unterstützung hier angefordert wird von Privaten, bedeutet das faktisch eine verdeckte Privatisierung. Es bleibt nicht mehr viel, was in Öffentlicher Hand verantwortet wird. Deshalb ist das eigentlich schon jenseits der Grenze dessen, was dem Geist der Verfassung entspricht.“
Und die Berater sollen erstaunliche Kompetenzen bekommen: Strategie, Beratung bei herausgehobenen Projekten und vor allem Zugang zu vertraulichen, sogar geheimen Informationen. Exklusives Insiderwissen also.
Prof. Joachim Wieland, Universität Speyer: „Das ist relevant auch für ihre spätere, rein privatwirtschaftliche Tätigkeit und öffnet außerdem eine Flanke hin zur Arbeit ausländischer Geheimdienste, die versuchen könnten, bei diesen Mitarbeitern Wissen abzuschöpfen.“
Beauftragt sind zum Beispiel drei der größten der Branche. Ernst & Young, Pricewaterhouse Coopers und KPMG. Sie sollen unabhängig beraten. Und besser sein als die Beamten, denen gerne zu viel Nähe zur Rüstungsindustrie vorgeworfen wird. Aber sind die ausgewählten Berater wirklich so unabhängig? Recherchen von MONITOR wecken Zweifel. Ernst & Young zum Beispiel, testiert und berät auch Rüstungsunternehmen, wie Airbus und den Triebwerkshersteller MTU. Zwischen 2010 und 2015 haben die Berater damit 34,8 Millionen Euro verdient. Pricewaterhouse Coopers testiert und berät ebenfalls die Rüstungsindustrie, unter anderem die Militärsparte von Thyssen Krupp und die Waffenhersteller Rheinmetall und Diehl. Umfang im selben Zeitraum: 89,6 Millionen Euro. Und auch KPMG hat von gleich mehreren Rüstungskonzernen Großaufträge erhalten, darunter Airbus, Thyssen Krupp, Heckler und Koch und andere. Der Umfang hier: 132,6 Millionen Euro. Insgesamt haben die Beratungsfirmen in den letzten Jahren also satte 257 Millionen Euro allein mit den Rüstungsfirmen umgesetzt, die ganz oder teilweise in deutschem Besitz sind. Den Firmen, deren Angebote und Projekte sie nun im Auftrag des Staates prüfen sollen.
Tobias Lindner (B90/Die Grünen): „Ich sehe einen massiven Interessenskonflikt. Einerseits ist der Staat der Kunde, den man neutral beraten soll und wo man Hilfestellung geben soll, bei wem man Rüstungsgüter kauft. Und andererseits sind genau die Unternehmen ja auch die Kunden von solchen Beratungs- oder Wirtschaftsprüfungsunternehmen.“
Und es gibt nicht nur finanzielle, es gibt auch personelle Verbindungen. Personalrochaden, etwa zwischen dem US-Ableger von KPMG und der US-Rüstungsfirma Raytheon. Die stellt unter anderem das Raketenabwehrsystem Patriot her. Deutschland überlegte, eine modernisierte Variante anzuschaffen. 2016 wechselte Top-Manager Michael Wood von KPMG zu Raytheon. Umgekehrt wechselte einige Jahre zuvor Darren Burton von Raytheon zu KPMG. Dort ist er inzwischen in der Geschäftsleitung. KPMG hat der Bundesregierung auch in Sachen Patriot Empfehlungen gegeben. Und es gibt noch mehr Beispiele, die zeigen, wie schwer es fallen dürfte, Unabhängigkeit zu garantieren. Bei Triton etwa. Einer Drohne, die Deutschland anschaffen will. Im Rahmen eines vertraulichen Gutachtens für das Verteidigungsministerium hat KPMG das Projekt analysiert. Und empfiehlt Triton als das System, das den Anforderungen am nächsten kommt. Ein unabhängiger Rat? Vielleicht. Aber es gibt erstaunliche Verbindungen. Triton wird von der US-Firma Northrop Grumman hergestellt und soll mit Technik von Airbus ausgestattet werden. Airbus vergibt seit Jahren Aufträge an KPMG. Seit 2010 allein im Wert von mindestens 55 Millionen Euro. Und man kennt sich. Kenneth Bedingfield, der heutige Vize-Präsident von Northrop Grumman, war vor seinem Wechsel 2015 17 Jahre lang bei KPMG. Beeinflussen solche Beziehungen die Empfehlungen? KPMG weist das zurück.
Tobias Lindner (B90/Die Grünen): „Natürlich gibt es da Netzwerke, natürlich fließen da auch irgendwie Informationen. Und wenn es nur um die Kriterien geht, wie ein Beschaffungsamt entscheidet. Am Ende kann es der Staat nicht überblicken, ob es Seilschaften, ob es Netzwerke gibt und in welcher Form. Man wäre besser beraten gewesen, wenn man das mit eigenem Personal gemacht hätte.“
Die Verteidigungsministerin sieht in all dem kein Problem. Die Beratung sei schließlich zeitlich begrenzt. Außerdem dürften die Berater nur unterstützen. Die Entscheidung bliebe bei den zuständigen Beamten.
Jan van Aken, (Die Linke), Auswärtiger Ausschuss: „Wer so einen Deal macht, dass er die Berater der Rüstungsindustrie ins eigene Haus holt, sie an alle internen Unterlagen lässt. Damit haben quasi alle Rüstungskonzerne in Deutschland direkten Zugriff auf die Beschaffungsentscheidung. Das ist die dichteste Verbindung zwischen Verteidigungsministerium und Rüstungsindustrie, die ich kenne.“
Die neuen, externen Berater des Verteidigungsministeriums: Effizient sollen sie sein. Die Frage ist nur: Für wen?
Kommentare zum Thema
@Marina Heckmann wichtiger als das Nicht-Funktionieren der Waffensysteme , dürfte sein, dass grundsätzlich KEINE Waffenbeschaffung für ein Armee, die im Dienst der USA unterwegs ist "unsren" Gesetzen entspricht; laut GG hat Deutschland eine reine Verteidigungsarmee und die albernen und zynischen Aussagen früherer "Verteidigungsminister" (wir verteidigen unsre Freiheit am Hindukusch) sollten aktuell, weil die Situation viel zu brisant ist, nicht in Abwandlungen neu erstehen.
US- MIK und deutscher MIK arbeiten Hand in Hand miteinander bei Milliardenschweren Umsätzen im Waffengeschäft und verwenden dabei unser aller Steuergelder, ohne auch nur ein einziges mal uns zu fragen... Danke , mesdames vdLeyen und Merkel , dass sie wie immer wissen, was gut für uns ist !
Milliarden!!! Euro des Steuerzahlers verpulvert für Aufrüstungsmaterial, das gar nicht funktionabel ist. Nun sollen es Berater richten... Gibt es in Deutschland überhaupt noch qualifizierte Berater bzw. fähige Leute? Siehe...Berliner Flughafen, Stuttgart 21, Jade-Weser-Port, Elbphilharmonie etc. etc....Ich wundere mich, das bei Herrn Schäuble noch Euro zu holen sind! Wenn diese sog. Berater auch noch Insider-Wissen bekommen, nützt auch die zeitliche Begrenzung nichts......Frau von der Leyen hätte Arbeitsministerin bleiben sollen.....