Bericht: Lutz Polanz, Jochen Taßler
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Georg Restle: „Zeugnisübergabe für junge Altenpflegehelfer. Darunter junge Männer aus Mali, Gambia und Nigeria. Ausgebildete Pflegekräfte, die hier in Deutschland dringend gebraucht werden und denen jetzt die Abschiebung droht. Eine der absurdesten Folgen der deutschen Asyl- und Einwanderungspolitik, die wir Ihnen heute noch ausführlicher zeigen werden. Guten Abend und willkommen bei Monitor.
Dass es in Deutschland einen Pflegenotstand gibt, hat sich wohl herumgesprochen. Aber wenn davon die Rede ist, geht es meistens um ältere Menschen. Dabei gibt da noch einen ganz anderen Pflegenotstand, und über den spricht kaum jemand. Er betrifft schwerkranke Kinder wie Finja - und deren Eltern, die daran verzweifeln, dass sie in ihrer Not kaum Unterstützung bekommen. Professionelle Hilfe von Pflegerinnen und Pflegern ist immer schwerer zu bekommen. Die Versorgungslücke in der Kinderpflege ist sogar noch größer als bei älteren Menschen. Und das Problem wächst. Die Zahl pflegebedürftiger Kinder und Jugendlicher ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen, von 130.000 im Jahr 2015 auf 160.000 im Jahr 2017. Lutz Polanz und Jochen Taßler über einen Pflegenotstand, der von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen - und von der Politik weitgehend ignoriert wird.“
Das ist Finja. Ein Jahr alt, und seit ihrer Geburt unheilbar krank.
Christiane Büttner: „Finja hat eine spinale Muskelatrophie, Typ 1. Das ist eine Erkrankung, wo sich quasi die Nervenzellen im Rückenmark selbst zerstören. Ja, es ist eine Krankheit, wo sich eigentlich die Muskeln immer mehr abbauen. Und irgendwann sie sich halt weder bewegen kann, noch sprechen kann, aber trotzdem im Kopf fit ist.“
Wie alt Finja wird, können die Ärzte nicht sagen. Vielleicht zwei, vielleicht älter. Sicher ist nur, sie wird an ihrer Krankheit sterben.
Christiane Büttner: „Man möchte Finja so viel bieten, wie irgendwie geht. Ihr die Zeit, die sie bei uns ist, so schön wie möglich zu gestalten - und das ist schon schwer. Muss man schon sagen.“
Für Finjas Eltern ist seit der Diagnose nichts mehr, wie es war. Erst der Schock, dann der Alltag. Finja braucht Pflege, praktisch rund um die Uhr. Die Maske hilft ihr beim Atmen. Alleine wären die Muskeln zu schwach. Selbstständig essen und trinken kann sie nicht.
Christiane Büttner: „Wir müssen Finja über die Magensonde füttern, sie kriegt die Flüssigkeit über die Magensonde. Die Nasenmaske muss frischgemacht werden, sie muss abgesaugt werden, die Gerätschaften müssen halt kontrolliert werden. Wir sind schon gut acht, neun Stunden - wenn man es zusammenrechnet - sind wir bestimmt beschäftigt.“
Nur mit Finja. Und die Büttners haben noch eine zweite, gesunde Tochter. Ohne Pflegedienst ist das kaum zu stemmen. Aber einen zu finden, erwies sich als fast unmöglich. Mehr als 200 Anbieter haben die Büttners angefragt, bis es nach Monaten endlich klappte.
Christiane Büttner: „Das lief am Anfang alles super bis uns dann wirklich komplette halbe Monate Dienste abgesagt worden sind, wo wir gesagt haben, so funktioniert das nicht. Das schaffen wir nicht.“
Melanie Kling ist Kinderkrankenpflegerin - ambulant. Sie ist viel unterwegs, zu Kindern wie Finja. Den Kampf um die Betreuung kennt sie von der anderen Seite. Der Bedarf ist riesig, die Personaldecke sehr dünn.
Melanie Kling, Kinderkrankenpflegerin: „Ich fühle mich persönlich auch immer unter Druck gesetzt, wenn ich einen Anruf bekomme, ob ich einspringen kann, weil ich die Familien ja sehr gut kenne und auch ihre Notlage. Und ich persönlich kann denn immer schlecht nein sagen und versuche, das dann trotzdem zu ermöglichen.“
Melanie Kling weiß, wie sehr ihre kleinen Patienten und die Familien auf sie angewiesen sind. Annika zum Beispiel ist fünf und leidet unter einer seltenen Form der Epilepsie. Für Kinder wie sie da zu sein sei ein Geschenk, sagt Melanie Kling. Aber eben auch eine besondere Belastung. Sie liebt ihren Beruf, sonst würde sie sich den Stress nicht antun.
Melanie Kling, Kinderkrankenpflegerin: „Da komme ich schon an persönliche Grenzen. Ich würde mir einfach mehr Pflegekräfte wünschen, die einen unterstützen würden, dass man die Pflege besser sicherstellen könnte, dass man auch Ausfälle besser abfangen kann.“
Auf mehr als 160.000 ist die Zahl der pflegebedürftigen Kinder und Jugendlichen in den vergangenen Jahren angestiegen. Unter anderem, weil wegen des medizinischen Fortschritts mehr Kinder mit schweren Krankheiten überleben. Fast alle werden später zu Hause gepflegt, also ambulant.
Melanie Kling, Kinderkrankenpflegerin: „Tief einatmen … wo ist die Hand? Und wieder ausatmen … sehr gut!“
Gerade ambulant ist der Mangel an Pflegekräften groß. Fachleute gehen davon aus, dass mindestens 3.000 Vollzeitstellen fehlen.
Heike Witte, Pflegedienst „Krank und Klein“: „Der Druck nimmt permanent zu. Wir kriegen immer mehr Anfragen, die für eine Versorgung sind, es sind die Anfragen aus der Klinik, die Eltern, die sich melden, Angehörige, Freunde, die alle der Meinung sind, wir müssen unbedingt die Versorgung übernehmen, das Kind muss nach Hause. Und ich stehe auf der anderen Seite und weiß genau, ich hab nicht eine einzige Pflegekraft frei und kann nur ablehnen und sehe aber diese Not. Und egal, wie oft sie anrufen, ich muss bei diesem Nein bleiben, weil sonst würde ich eine Versorgung zusagen, die ich gar nicht halten kann. Und das Dilemma wird immer größer.“
Heike Witte ist Chefin eines ambulanten Pflegedienstes in Niedersachsen. Sie beschäftigt fast 100 Mitarbeiter. 50 Pflegekräfte könnte sie zusätzlich einstellen, sagt sie. Aber sie findet keine. Auch, weil sie von den Krankenkassen zu wenig Geld bekomme, um besser zu bezahlen. Die meisten Interessenten gingen deshalb lieber in eine Klinik.
Heike Witte, Pflegedienst „Krank und Klein“: „Wenn man das dann auch noch gegenüber der Klinik betrachtet, können wir etwa sagen, dass unsere Mitarbeiter 300,- Euro alleine in der Grundvergütung schon weniger bekommen und letztendlich auch Zulagen oder Sonderzuschläge bei uns überhaupt nicht finanziert werden können.“
Offenbar ein flächendeckendes Problem. Eine Studie im Auftrag der Bundesregierung kam schon 2015 zu dem Ergebnis, dass Fachkräfte bei ambulanten Pflegediensten …
Zitat: „bis zu einem Drittel weniger als in Krankenhäusern“
… verdienen. Heike Witte sagt nur Betreuung zu, die sie auch gut und sicher gewährleisten kann. Aber das ist offenbar nicht bei allen Diensten so. Familie Büttner hat es erlebt. Immer wieder schickte der Pflegedienst keine Krankenpfleger, sondern schlechter qualifizierte Pflegehelfer. Und die seien dem Job nicht immer gewachsen, sagt Christiane Büttner. Neulich erst, als Finja die Maske nicht anhatte, um die Atmung zu trainieren.
Christiane Büttner: „Und dann hat sie sich irgendwie verschluckt oder verhaspelt. Und dann hab ich schon gesehen, Finja fängt an und geht mit der Sauerstoffsättigung nach unten und hab dreimal angesprochen, mach bitte die Beatmungsmaschine an. Und erst nach der dritten Ansprache ist sie angemacht worden, und da war Finja schon bei einer Sauerstoffsättigung von 60 Prozent.“
Für Finja lebensgefährlich. Es sind solche Notsituationen, auf die Pflegehelfer kaum vorbereitet, für die sie auch nicht ausgebildet sind. Mit einigen lassen die Büttners ihr Kind nicht mehr alleine - ein Dilemma.
Rebecca Toenne, Netzwerk für die Versorgung schwerkranker Kinder und Jugendlicher: „Die Frage, die sich wahrscheinlich am Ende des Tages stellt, ist was ist besser? Jemanden zu haben, der unterstützt, obwohl er nicht entsprechend qualifiziert ist oder ganz alleine dazustehen? Und ich befürchte, dass solche Situationen auch zunehmen werden, vor dem Fachkräftemangel. Nichtsdestotrotz warne ich vor solchen Versorgungen, weil ich sie einfach für gefährlich halte.“
Eine gefährliche Entwicklung, die vorhersehbar war. Trotzdem wurde kaum etwas gegen den Mangel an Kinderpflegern getan. Im Gegenteil, die vergangenen Jahre zeigen, immer weniger Kliniken bilden überhaupt aus. Offiziellen Zahlen zufolge gab es dort 2008 noch 10.420 Ausbildungsplätze für Kinderkrankenpfleger, 2016 nur noch 8.753. Dabei kann fast jede vierte offene Kinderkrankenpflegerstelle schon jetzt nicht besetzt werden. Die Versorgungslücke ist damit doppelt so groß wie in der Altenpflege, wo der Fachkräftemangel so laut beklagt wird.
Rebecca Toenne, Netzwerk für die Versorgung schwerkranker Kinder und Jugendlicher: „Was mir sehr fehlt, ist die Diskussion, wie wollen wir Familien mit schwerkranken Kindern und Jugendlichen langfristig zu Hause versorgen? Und da ist die Politik aus meiner Sicht doch sehr gefragt und müsste noch stärker den Fokus auch auf diese besondere Gruppe von Betroffenen legen.“
Auf konkrete Fragen von MONITOR zum Pflegenotstand bei Kindern und Jugendlichen antwortet das Bundesgesundheitsministerium aber nicht. Stattdessen verweist es auf eine Reihe von Maßnahmen, mit denen die Pflege insgesamt verbessert werden soll - bessere Bezahlung etwa. Oder Anreize, mehr auszubilden. Vor allem das Pflegeberufegesetz soll die Pflege für Azubis attraktiver machen. Ab 2020 werden die Ausbildungen zum Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpfleger damit zusammengeführt. Spezialisierungen gibt es - bei Interesse - nur noch im letzten Ausbildungsjahr.
Zitat Bundesgesundheitsministerium: „Mit dieser Reform werden Auszubildende besser auf die veränderten Anforderungen in der Praxis vorbereitet und erhalten mehr Berufs- und Aufstiegschancen.“
Tatsächlich? Fachleute befürchten, dass sich durch die Generalisierung weniger Azubis auf Kinderkrankenpflege spezialisieren. Und dass die Qualität leidet, weil für die spezifischen Bedürfnisse von Kindern in der Ausbildung weniger Zeit bleibt.
Rebecca Toenne, Netzwerk für die Versorgung schwerkranker Kinder und Jugendlicher: „Das ist - glaube ich - für jeden erstmal klar, dass ein Ausbildungsberuf, den man vorher drei Jahre gemacht hat, dass das nicht in einem Jahr mal gerade so zusammengeschrumpft die gleiche Qualität der Ausbildung haben kann.“
Heike Witte, Pflegedienst „Krank und Klein“: „Ob es Ernährung ist, wie Kinder ernährt werden, ob es die Entwicklungsphasen sind, ob es die Krankheitsbilder sind, die ich sonst über drei Jahre gelernt habe, muss ich innerhalb kürzester Zeit lernen und das … da kann ich diese, diesen tiefgreifenden Überblick gewinnen, als wenn ich drei Jahre mich speziell mit Kindern auseinandersetze.“
Familie Büttner bekommt ab September einen neuen Pflegedienst. Ausschließlich qualifiziertes Personal hat der versprochen. Und ein halbes Jahr lang gesucht, bis er das Team zusammen hatte. Die Eltern hoffen, dass Finja dann zuverlässig gut versorgt ist. Und sie zumindest ein bisschen Zeit für sich und ihre beiden Kinder haben.
Georg Restle: „Fehlende Pflegekräfte, geringe Bezahlung, überforderte Angehörige. Das gilt für die Pflege junger Menschen genauso wie bei älteren. Wie gigantisch der Pflegenotstand in diesem Land ist, zeigen allein schon die Zahlen. Etwa 36.000 offene Stellen in der Alten- und Krankenpflege können zurzeit nicht besetzt werden. Rund 50.000 zusätzliche Pflegekräfte werden heute schon benötigt, im Jahr 2030 dürften es weit über 100.000 sein. Wie soll dieser riesige Bedarf gedeckt werden? Geht es nach Gesundheitsminister Spahn, sollen es jetzt auch Pflegekräfte aus dem Ausland richten.“
Kommentare zum Thema
weniger Medizinstudenten, mehr Pflegeschüler!
Jeder Mensch, ob jung oder alt, männlich oder weiblich, kann das Schicksal eines Intensivpflegepatienten erleiden. Nach dem Schicksalsschlag muß man dann Glück haben, wie das familiäre, politische und fachliche umfeld auf Intensivpflegepatienten eingestellt ist. familiär ja überwiegend positiv. Politisch und fachlich läßt es mehr, als nur zu Wünschen übrig. "ARD-14.05.13-FAKT-Hohes Sterberisiko durch schlecht geschulte Intensivpflege ZDF-14.04.15-Frontal21-Rendite mit Schwerstkranken-Das Geschäft mit der Intensivpflege ARD-01.03.18-Kontraste-Streit ums Geld-Warum Intensivpflegepatienten der Willkür der Krankenkassen ausgesetzt sind ARD-27.03.18-Report München-Ambulante Intensivpflege - Ein krankes Geschäft ARD-25.07.18-Plusminus-Beatmungspatienten - Wie finanzielle Fehlanreize Patienten gefährden "Mein Fazit: Das christliche in einer Regierung läßt sich daran erkennen, wie christlich sie den schwächsten in der Gesellschaft den Rücken stärkt.
Ein Jahr habe ich im Pflegestift gearbeitet. Am meisten in der Küche. Eines Tages an Mangels Reinigungskraft die Chefin hat mich geschickt die Zimmer zu putzen, ich mache eine Tür auf entgegen kommt mir solche Gestank in der Nase ich hätte fast ummächtig geworden. Im Zimmer lag eine Frau an Geräten angeschaltet, fast eine Leiche. Ist das Human solche Patienten am Leben zu halten? Wie Egoistisch ist unsere Human System? Ich möchte wenn kommt Zeit lasst mich bitte sterben. Der Mensch wird geboren zu sterben und diese Naturgesetz kann man nicht ändern, nur der Qual diesen Leuten verlängern.