Bericht: Jochen Taßler, Robert Kempe, Tom Klees
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Georg Restle: "In zwei Wochen sollen sie losgehen, die olympischen Winterspiele in Peking. Dann wird es hier bei ARD und ZDF jede Menge Wintersport geben – und damit wohl auch eine Bühne für ein Regime, das man mit Fug und Recht eine Diktatur nennen darf. Zu beobachten nicht nur bei der brutalen Niederschlagung der Demokratiebewegung in Hongkong. Das ist die eine Seite der Geschichte. Die andere Seite: wie eine Bundesregierung, die die Menschenrechte weltweit hochhalten will, klammheimlich verstummt, wenn es nur darum geht, ob man nicht zumindest einen diplomatischen Boykott wagen sollte. Jochen Taßler und unsere Sport Inside-Kollegen Robert Kempe und Tom Klees."
Es ist angerichtet. Für die Olympischen Spiele hat China keine Kosten gescheut: Nagelneue Sprungschanzen, ein eigens angelegtes Skigebiet. Die perfekte Bühne für große Spiele. Da ist sich der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees sicher.
Thomas Bach, Präsident Internationales Olympisches Komitee, Januar 2021 (Übersetzung Monitor): "Die Olympischen Winterspiele in Peking werden ein großer Moment sein, der die Welt zusammenbringt im Geist von Frieden, Solidarität und Freundschaft.”
Frieden, Solidarität, Freundschaft – mit der Realität im Gastgeberland hat das wenig zu tun. Das Regime in China steht für seine aggressive Außenpolitik in der Region massiv in der Kritik. Menschenrechte werden systematisch verletzt. In Tibet etwa, oder in der Provinz Xinjiang, wo Millionen Uiguren unterdrückt und kaserniert werden.
Wenzel Michalski, Human Rights Watch: "Die chinesische Regierung hält überhaupt nichts von Demokratie, sie hält überhaupt nichts von Menschenrechten. Im Gegenteil, alles muss so laufen, wie die Kommunistische Partei sich das ausdenkt. Es gibt keine Möglichkeit, dem auszuweichen oder irgendwie abweichlerisch zu sein.”
Das zeigt sich auch in Hongkong. Als ehemalige britische Kronkolonie hat die Stadt eigentlich einen Sonderstatus. Mehr Demokratie, mehr Freiheiten. Aber China hat die Demokratiebewegung brutal niedergenüppelt.
Ray Wong hat es erlebt. In Hongkong war er ein bekannter Aktivist. Er hat eine Partei mitgegründet, kämpfte jahrelang für mehr Demokratie. Bis die Staatsmacht 2016 zugriff.
Ray Wong, Menschenrechtsaktivist aus Hong Kong (Übersetzung Monitor): "Plötzlich stand die Polizei vor der Tür und sagte: Wir kommen rein, halten Sie sich von der Tür fern! Nach zehn Sekunden stürmten sie die Wohnung und rissen mich zu Boden."
Wong wurde als angeblicher Rädelsführer eines Aufstandes verhaftet. Ihm drohten bis zu zehn Jahre Haft. Er floh, bekam Asyl in Deutschland und studiert heute in Göttingen.
Ray Wong, Menschenrechtsaktivist aus Hong Kong (Übersetzung Monitor): "Vor dem Hintergrund all dieser Menschenrechtsverletzungen und Aggressionen kann ich nicht verstehen, dass das IOC die Spiele nach China gegeben hat. Es ist wirklich ein Schlag ins Gesicht für alle Demokratien."
Das IOC verteidigt die Entscheidung für China als Austragungsort bis heute. Auf MONITOR-Anfrage heißt es, das IOC könne politische Systeme nicht verändern. Und man müsse
Zitat: "in allen globalen, politischen Fragen neutral bleiben."
Neutralität, die endet, wenn es ums Geschäft geht. Olympia ist längst ein Riesenbusiness. Alleine in der Ära Bach hat das IOC Fernseh- und Sponsoring-Verträge im Wert von mindestens 20 Milliarden Euro abgeschlossen. Und China wird als Markt und Partner immer wichtiger. 2017 machte man den chinesischen IT-Giganten Alibaba zu einem der exklusiven Top-Sponsoren. Und zum Teil der IOC-Familie – wie Bach kurz darauf beim IOC-Besuch von Alibaba-Gründer Jack Ma verkündete.
Thomas Bach, Januar 2019 (Übersetzung Monitor): "Willkommen beim IOC, willkommen zu Hause, willkommen in Ihrer Familie."
Auch Chinas allmächtiger Staatspräsident Xi Jinping gehört für Bach offenbar zu dieser Familie. Schon 2013 verlieh er ihm den Olympischen Orden für seine Verdienste um den Weltsport. Aber geht es China um Sport? Oder um eine Machtdemonstration? Diktaturen nutzen Olympische Spiele immer auch zur Propaganda. Deshalb – und aus Protest gegen die Menschenrechtsverletzungen – haben die USA und einige andere Länder beschlossen, die Spiele diplomatisch zu boykottieren.
Sprecherin der Regierung Biden (Übersetzung Monitor): "Die Biden-Regierung wird keine diplomatischen Vertreter schicken."
Justin Trudeau, Premierminister Kanada (Übersetzung Monitor): "Wir werden keine diplomatischen Vertreter schicken."
Und die neue Bundesregierung? Sie will sich einem diplomatischen Boykott bislang nicht anschließen. Dabei hat sie sich den Einsatz für Menschenrechte auch im Sport auf die Fahnen geschrieben. Der Sprecher für Menschenrechte der FDP, Peter Heidt, forderte vor kurzem im Deutschlandfunk sogar noch einen vollständigen Boykott der Spiele durch Deutschland.
Peter Heidt (FDP), Sprecher für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, Deutschlandfunk 02.01.2022: "Es ist für mich eigentlich ein Wahnsinn, dort jetzt diese Winterspiele durchzuführen. Ich weiß, die Sportler bereiten sich darauf vor, aber eigentlich müssten wir diese Winterspiele komplett boykottieren."
Doch im Interview mit MONITOR und Sport Inside rudert er plötzlich zurück. Man wolle eine gemeinsame, europäische Linie finden, sagt er jetzt. Aber das sei mit Frankreich gerade schwierig.
Peter Heidt (FDP), Sprecher für Menschenrechte und humanitäre Hilfe: "Wir haben das innerhalb der Ampelkoalition in unserem Fachbereich besprochen und die Meinung war ganz klar die, dass ein politischer Boykott das Richtige wäre. Aber wir haben an der Stelle eben auch festgehalten, wir wollen jetzt nicht die Franzosen brüskieren."
Kein Bekenntnis zu Menschenrechten, weil Frankreich es nicht will? Oder will man den größten Handelspartner China nicht verärgern? Auch die Bundesregierung betont auf Anfrage, man suche nach einer gemeinsamen, europäische Linie. Dazu sei man noch
Zitat: "in Abstimmung mit unseren europäischen Partnern".
Deutsche Ministerinnen und Minister werden wohl nicht nach China reisen. Bundeskanzler Scholz nicht, Sportministerin Faeser nicht. Und auch nicht Außenministerin Baerbock. Das seien aber "persönliche Entscheidungen", betont man.
Der Hongkonger Aktivist Ray Wong findet die unentschlossene Haltung der Bundesregierung unerträglich.
Ray Wong, Menschenrechtsaktivist aus Hongkong (Übersetzung Monitor): "Einer der Gründe, warum ich nach Deutschland gekommen bin, ist, dass ich dachte, Deutschland – mit seiner einzigartigen Geschichte – würde Menschenrechte und Demokratie mehr wertschätzen. Aber jetzt sehen wir, dass die Bundesregierung die Bedeutung von Menschenrechten geringschätzt und wirtschaftliche Interessen wichtiger nimmt als diese Werte."
In zwei Wochen beginnen die Spiele. Wie im Sommer 2008 werden spektakuläre Bilder um die Welt gehen. Und alles andere wird weit, weit weg erscheinen.
Georg Restle: "Peking morgen – Katar übermorgen. In Sachen Menschenrechte wird dieses Sportjahr ein eher Beschämendes werden."
Kommentare zum Thema
Man muß schon exorbitant bekloppt sein, um Kommerzsport wie Profikickerei von dt. Fußballmillionären , die zum Teil Kickervermögen von 80 Mio Euronen vor sich her schieben, weiterhin mit der Zwangs-GEZ zu pushen
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Die Hetze in den Medien gegen Russland und China muss endlich beendet werden. Die Ukraine hatte mit der EU „und“ mit der Russischen Föderation eine gute Nachbarschaftsverbindung. Erst als US-Politiker mit großer Macht versuchten die Ukraine in die Interessensphäre der tausende Kilometer entfernten USA zu ziehen (vermutlich unter Einsatz von Provokateuren die Maidan-Demonstrationen mit dem Ziel die Regierung zu stürzen) gab es Unfrieden in der Ukraine welcher zur Abspaltung der Krim, des Donbass und Krieg führten. Ein Grund für die US-Aktivitäten in der Ukraine wird wahrscheinlich der Wunsch von US-Politiker nach einer Aufstellung des gegen Russland gerichteten US-Raketenschirms an der ostukrainischen Grenze sein. Selbstverständlich wirkt sich eine solche Raketenaufstellung für Russland gleich gefährlich aus als würde Russland oder China in Kuba oder Mexiko einen gegen die USA gerichteten Raketen-Schutzschirm aufstellen. In diesem Fall würden auch US-Amerikaner sehr unruhig werden.