MONITOR vom 09.06.2022

Ölembargo: Wie griechische Tanker weiter Putins Kassen füllen

Bericht: Lara Straatmann, Jakob Faust

Ölembargo: Wie griechische Tanker weiter Putins Kassen füllen Monitor 09.06.2022 08:31 Min. UT Verfügbar bis 30.12.2099 Das Erste Von Lara Straatmann, Jakob Faust

Georg Restle: "Härtest mögliche, zubeißende Sanktionen, die Putin hart treffen und für Russland gar zerstörend seien. Wenn man Ursula von der Leyen so zuhört, könnte man tatsächlich glauben, dass da eine geschlossene EU mit allerschärfsten Waffen gegen Russland vorgeht. Doch davon kann kaum die Rede sein, Und nicht nur Ungarn blockiert. Auch ein anderer EU-Staat stellt sich quer, wenn es um lukrative Geschäfte mit Moskau geht – Griechenland. Dabei geht es um solche Ozeanriesen – griechische Öltanker – die jede Menge russisches Öl über die Weltmeere transportieren. Genau solche Geschäfte wollte die EU-Kommission eigentlich unterbinden, um das Öl-Embargo gegen Russland durchzusetzen. Doch daraus wurde nichts, weil die milliardenschweren griechischen Reedereien gegen die Sanktionen Sturm – und das sehr zur Freude Putins. Lara Straatmann und Jakob Faust."

Der Hafen von Rotterdam. Größter Umschlagplatz für Öl aus Russland. Hier beginnen unsere Recherchen. Von hier aus wird ein Drittel des russischen Öls für Europa weiterbefördert. Öl, welches Putin Milliarden an Einnahmen beschert. Ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor – auch für den Hafen von Rotterdam – erklärt uns Hafensprecher Leon Willems.

Leon Willems, Pressesprecher Rotterdamer Hafen (Übersetzung Monitor): "Es ist sehr wichtig. Ein wesentlicher Teil des Öls, das hier im Rotterdamer Hafen verarbeitet wird, kommt aus Russland. Allerdings geht das Volumen an Öl seit der Ankündigung des Ölembargos zurück. Wir sehen, dass ungefähr 15 Prozent weniger russisches Öl im Hafen umgeschlagen wird."

Weniger russisches Öl auf dem Seeweg nach Europa. So hatte sie es angekündigt, Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Ende Mai auf dem EU-Gipfel. Europa einigt sich auf ein Ölembargo. Das Ziel, keine europäischen Geschäfte mehr mit russischem Öl auf dem Seeweg. Dies sei ein harter Schlag gegen den Kriegstreiber Putin.

Ursula von der Leyen, EU-Kommissionspräsidentin, 31.05.2022 (Übersetzung Monitor): "Diese Sanktionen schlagen hart zu und zerstören wirklich die finanzielle Grundlage von Putins Krieg und sie treffen die russische Wirtschaft hart."

Tatsächlich? Immerhin dürfen die Tanker mit dem russischem Öl noch sechs weitere Monate nach Europa fahren. Für Putins Staatskasse macht das zusätzliche Milliarden-Einnahmen und jede Menge Zeit, andere Abnehmerländer für sein Öl zu finden. Und die stehen bereit. Der chinesische Präsident Xi Jinping hält Putin die Treue. Ein Fünftel der russischen Ölexporte gehen bereits nach China – und es sollen deutlich mehr werden. Großes Interesse am russischen Öl hat auch der indische Präsident Modi; seit Jahresbeginn hat Russland den Anteil seiner Exporte nach Indien verzehnfacht.

Prof. Simon Johnson, Ökonom, Massachusetts Institute of Technology (Übersetzung Monitor): "Russland kann seinen Handel völlig neu ausrichten und größere Unterbrechungen müssen sie nicht befürchten. Also diese Verzögerung begrenzt die Wirksamkeit des Sanktionspakets enorm."

Der russische Hafen Noworossijsk am Schwarzen Meer. Von hier geht ein großer Teil des russischen Öls in die Welt. Für die weiten Transportwege in den chinesischen Hafen Zhanjiang etwa braucht Russland große Tanker, über die Putin selbst nicht verfügt. Das Gleiche gilt für den weiten Weg nach Indien. Schon jetzt wird das Öl dorthin zu Dreivierteln von europäischen Reedereien transportiert. Vor allem mit ihnen, den Tankern griechischer Reedereien. 27 Prozent der Tanker weltweit sind in griechischem Besitz – die größte Flotte überhaupt. Seit dem Krieg sind die griechischen Reedereien noch stärker in das Geschäft mit dem russischen Öl eingestiegen. Zahlen des Institute of International Finance zeigen, im April vergangenen Jahres übernahmen die griechischen Reedereien 33 Prozent der Öltransporte aus Russland. In diesem Jahr waren es 60 Prozent. Die Griechen konnten ihren Marktanteil nahezu verdoppeln.

Prof. Simon Johnson, Ökonom, Massachusetts Institute of Technology (Übersetzung Monitor): "Die griechischen Tanker sind das Herzstück, das Schlüsselelement in der aktuellen Situation, denn mit ihnen kann Putin sein Öl überall auf der Welt verkaufen, vor allem in die großen Volkswirtschaften Asiens. Und ohne diese Tanker würde sich die Lage völlig verändern. Das würde enormen Druck auf Putins Einnahmen ausüben."

Sanktionen gegen griechische Tanker. Genau das hatte die EU ursprünglich im Blick. MONITOR liegt der unveröffentlichte Kommissionsvorschlag für das Embargo vor; darin hieß es noch:

Zitat: "Es ist verboten, Rohöl (…) mit Schiffen, die unter der Flagge eines Mitgliedstaats registriert sind oder sich im Eigentum eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats (…) befinden (…), in Drittländer zu befördern,..."

Der griechische Regierungschef Mitsotakis protestierte im Sinne der mächtigen Reedereibranche, drohte mit Veto – mit Erfolg. Im finalen Text zum beschlossenen Ölembargo, welcher MONITOR vorliegt, fehlt der Absatz komplett. Die Kommissionspräsidentin von der Leyen – also eingeknickt vor den Profitinteressen der griechischen Reeder?

Prof. Erdal Yalçin, Ökonom, Hochschule für Wirtschaft in Konstanz: "Die Möglichkeit, dass griechische Reedereien weiterhin russisches Öl befördern, bedeutet schlichtweg, dass man die Sanktionen butterweich macht. Auf der einen Seite kommuniziert man, man möchte umfassende, starke Ölsanktionen einführen und mit demselben Atemzug sagt man, aber wir lassen jetzt trotzdem einzelne Länder weiterhin Öl liefern."

Die Kommissionspräsidentin spielt die Sache herunter; es gebe schließlich das Verbot für europäische Schiffsversicherungen. Das stimmt, im Beschluss findet sich ein Verbot für die Versicherung von Schiffstransporten von russischem Öl in Drittländer. Doch wird das den Ölverkauf Putins stoppen? Wohl kaum, meint der Deutschlandchef von Lloyd-Versicherungen.

Jan Blumenthal, Deutschlandchef Lloyd's Versicherungen: "Das Versicherungsverbot, das den Sanktionen folgt, wird Putin nicht daran hindern, sein Öl loszuwerden. Und sein Öl wird er loswerden auf asiatischen Märkten und entsprechend wird der Transport auch auf asiatischen Märkten durch asiatische Versicherer versichert werden."

Für die griechischen Reedereien sei das Versicherungsverbot kein Problem, erklären Ökonomen.

Prof. Erdal Yalcin: "Versicherer aus Asien werden es Griechenland ermöglichen, Öl weiterhin aus Russland zu exportieren und gleichzeitig werden diese Reedereien zusammen mit Russland auch neue Märkte in Ostasien suchen, um dann eben den abnehmenden Absatz in Europa durch neuen Absatz in Ostasien zu ersetzen."

Ein Triumph, den Griechenlands Regierungschef Mitsotakis geradezu feiert.

Kyriakos Mitsotakis, Ministerpräsident Griechenland, 31.05.2022 (Übersetzung Monitor): "Es gibt keine – und das möchte ich betonen – Sanktionen gegen die griechische Schifffahrt, was den Transfer von Öl aus Russland in Drittländer betrifft. Ich sehe nicht, dass es wesentliche Konsequenzen für die griechische Schifffahrt gibt."

Keine Konsequenzen für die griechischen Reedereien – das heißt auch, keine Konsequenzen für Putin, kritisieren EU-Parlamentarier.

Michael Bloss (B'80/Grüne), Mitglied des EU-Parlaments: "Putin hat alle Möglichkeiten, sogar jetzt auf europäische Reeder zuzugreifen und damit sein Öl in die ganze Welt zu verschicken. Also, wir wollten Putin treffen, aber was wir gemacht haben ist, ihm die europäischen Reeder anzudienen und gleichzeitig seine Einnahmen zu erhöhen."

Es ist ein guter Deal für beide – für Russland und für Griechenland. Putins Kriegskasse wird sich damit auch weiter füllen, mit Hilfe griechischer Öltanker und – der Europäischen Union.

Georg Restle: "Butterweiche Sanktionen – und nicht zu vergessen, auch Deutschland hat immer wieder blockiert, wenn es um seine Wirtschaftsinteressen ging. Und das nicht nur ein Thema russische Gasimporte. Auch das sollte man hier nicht unerwähnt lassen."

Kommentare zum Thema

  • Aga Bellwald 09.06.2022, 22:29 Uhr

    Die EU-Sanktionskeule ist zum harmlosen Gummihämmerchen verkommen. Und so wird eine Kriegswende und schliesslich das lang ersehnte Ende der Schlächterei in weite Ferne rücken und Putins Traum immer mehr Formen annehmen. Und Vladi "the Warpig" lacht sich kaputt. Schlimme Aussichten und keine wirksame Lösung in Sicht. Tönt pessimistisch, ist aber die Realität, die sich mir gerade zeigt. Zeit, dass sich die Ukraine endlich effektiv verteidigen kann, damit sie letztendlich nicht zwischen Russland und Ungarn zerrissen wird.

  • Volker 09.06.2022, 22:19 Uhr

    Sanktionen haben noch nie was genutzt - Europa schießt immer wieder in die Kniee. Russland hat jetzt schon mehr als 50 % mehr Umsatz mit Energie gemacht und der Rubel steht besser wie die Weichwährung Euro. Die Inflation ist bei uns auf dem Weg nach der Türkei 73,5 %.

  • Volker 09.06.2022, 22:12 Uhr

    Tolle Deskresearch - Öl geht nach Indien - vorher gab´s 10 Mrd. vom CumEx Scholz für Indien - und Indien liefert uns Benzin. Werbesender für Frauen würden sagen - alles richtig gemacht.