MONITOR vom 09.12.2021

Odyssee auf dem Land: Eine Irrfahrt mit dem ÖPNV

Bericht: Jan Schmitt, Dominik Braun, Véronique Gantenberg

Odyssee auf dem Land: Eine Irrfahrt mit dem ÖPNV Monitor 09.12.2021 07:30 Min. UT Verfügbar bis 30.12.2099 Das Erste Von Jan Schmitt, Dominik Braun, Véronique Gantenberg

Kommentare zum Thema, weiterführende Links und der Beitragstext als PDF

Georg Restle: "Verkehrswende. Was in den Städten noch machbar scheint, dürfte auf dem Land dann schließlich zur Mammutaufgabe werden. Da, wo Bahnen nie und Busse nur sehr selten halten, und wo man sich ohne Auto quasi gottverlassen fühlt. Verkehrswende? Schwierig. Wie schwierig, zeigen wir Ihnen jetzt mal im Praxistest. Wir wollten mit einem Bürgermeister von einem bayrischen Dorf ins Nachbardorf fahren, sechs Kilometer Entfernung. Und haben uns dafür ein ziemlich exotisches Reisemittel ausgewählt – den Bus nämlich, Auf dem Land, wo der Begriff Öffentlicher Personennahverkehr eine sehr relative Größe ist, wie Dominik Braun Ihnen zeigt."

Wir treffen Bürgermeister Bernhard Hübl in Kallmünz im Landkreis Regensburg. Hier hat fast jeder ein Auto und Hübl zeigt uns, warum das so ist. Heute fahren wir mit ihm in den Nachbarort Dietldorf – mit dem Omnibus.

Bernhard Hübl, Bürgermeister Kallmünz: "Dietldorf liegt aber im Landkreis Burglengenfeld, ist aber nur 6 km von Kallmünz entfernt und es gibt dort von Kallmünz keine direkte Verbindung. Wir müssen uns also einen Umweg suchen."

Der Umweg hat es allerdings in sich. Zwar liegt Dietldorf direkt neben Kallmünz, aber in einem anderen Landkreis. Deswegen sieht der Weg mit dem Bus ganz schön anders aus.

Bernhard Hübl, Bürgermeister Kallmünz: "Wenn wir diesen Weg nehmen, dann müssen wir von Kallmünz nach Regensburg, von Regensburg nach Burglengenfeld, um von dort versuchen, innerhalb dieses Stadtgebietes – Dietldorf gehört zu Burglengenfeld – dort hinzukommen."

Reporter: "Und wie viele Kilometer haben wir dann insgesamt?"

Bernhard Hübl, Bürgermeister Kallmünz: "So grob, so grob, 20, das sind ein bisschen mehr, 50, sagen wir mal knappe 70 Kilometer?"

Den Fußweg zur Bushaltestelle dabei nicht eingerechnet.

Bernhard Hübl, Bürgermeister Kallmünz: "So, ich hätte gerne eine Karte nach Regensburg."

Ein Ticket – aber nur für die erste Etappe. Zwar liegt Dietldorf im selben Verkehrsverbund, aber einen Fahrschein dorthin gibt es nicht. Keine direkte Verbindung, kein Fahrschein. Der Beginn einer langen Reise.

Bernhard Hübl, Bürgermeister Kallmünz: "Ich brauche mindestens drei Fahrscheine. Einmal diese Strecke nach Regensburg, dann von Regensburg nach Burglengenfeld, dann von Burglengenfeld nach Dietldorf. Es könnte aber sein, dass wir auch noch einen vierten Fahrschein brauchen, weil wir in Burglengenfeld wahrscheinlich umsteigen müssen."

Der erste Fahrschein hat schon mal 5,20 Euro gekostet. Der Bus ist aber nicht nur teuer, er kommt auch nicht so oft vorbei. Wartezeit bis zu zwei Stunden.

Bernhard Hübl, Bürgermeister Kallmünz: "Wenn ich das verpasse, muss ich nochmal warten. Also es … es ist kompliziert."

Und die Fahrzeit? Die hängt davon ab, wie oft der Bus hält.

Bernhard Hübl, Bürgermeister Kallmünz: "Werner, wie viele Haltestellen hast denn du?"

Busfahrer: "25 bis 30. Naja, also ca. 25 Haltestellen – bis Regensburg."

Bernhard Hübl, Bürgermeister Kallmünz: "Halten wir da überall?"

Busfahrer: "Nein, halten tun wir nicht, nur wenn jemand einsteigt."

Bernhard Hübl, Bürgermeister Kallmünz: "Bloß wenn wer an der Station steht, wird gehalten. Ansonsten fährt er durch, aber es sind 25 Stationen circa."

25 Stationen – bis nach Regensburg. Das liegt allerdings 25 km südlich von Kallmünz. Das Ziel, Dietldorf, dann wieder 30 km im Norden.

Bernhard Hübl, Bürgermeister Kallmünz: "Wir sind ziemlich genau 40 Minuten jetzt unterwegs. Wenn wir zu Fuß nach Dietldorf gehen würden, dann hätten wir jetzt, ja, locker schon die Hälfte geschafft."

Ankunft in Regensburg.

Bernhard Hübl, Bürgermeister Kallmünz: "Das ist jetzt unsere Station, gell? Also steigen wir aus."

Die Frage, was nun? Welcher Bus könnte der richtige sein. Wann fährt der ab? Und vor allem, wo?

Bernhard Hübl, Bürgermeister Kallmünz: "Hm, wir müssen die Straße wechseln, weil wir die andere Richtung fahren. Jetzt geht es dann nur stadteinwärts. Wir müssen praktisch da drüben, weil da die Linien weggehen, Richtung Burglengenfeld."

Und dann heißt es … warten – 23 Minuten! Dann kommt der Bus nach Burglengenfeld.

Bernhard Hübl, Bürgermeister Kallmünz: "Servus, ich brauche eine Karte nach Burglengenfeld, für mich."

Reporter: "Und was haben Sie jetzt gelöhnt?"

Bernhard Hübl, Bürgermeister Kallmünz: "Diese Fahrt nach Burglengenfeld kostet jetzt 6,70 Euro, Einzelfahrschein."

Zusammen 11,90 Euro. In Burglengenfeld muss Bernhard Hübl dann wieder umsteigen."

Reporter: "Kleiner Zwischenstand. Wie lang sind wir unterwegs?"

Bernhard Hübl, Bürgermeister Kallmünz: "Wir sind jetzt fast zwei Stunden unterwegs. Also ein bisschen haben wir noch."

Zu Fuß wäre man jetzt schon da. Die nächste Haltestelle liegt ein paar Straßen weiter. Von hier soll der Bus abfahren, der dann bis nach Dietldorf fährt. Angeblich.

Bernhard Hübl, Bürgermeister Kallmünz: "Bin mir jetzt nicht sicher, wo wir da wegkommen oder wo der Weg … da steht jetzt nichts drauf, Dietldorf… Dietldorf-Hauptstraße ab … Dietldorf-Hauptstraße an …"

Werktag, Schultag, Feiertage, Ferien. Es ist kompliziert.

Bernhard Hübl, Bürgermeister Kallmünz: "Wenn man nicht fit ist, wann schulfrei ist oder Schultag ist, dann kann man sich da schon verirren. Oder man steht am Bus und es kommt überhaupt keiner, weil vor mir aus ein schulfreier Tag ist."

Und dann kommt er doch, der Bus nach Dietldorf. Und hält an der Haltestelle – fast jedenfalls. Bernhard Hübl will eine Fahrkarte kaufen. Geht aber nicht, denn das ist ein Schulbus. Und hier gibt es nur Zehnerkarten. Am Ende darf er umsonst mit, der einzige erwachsene Fahrgast. An den Bauernhöfen unterwegs steigen die Schüler nach und nach aus. Der Schulbus ist der einzige, der hier überhaupt hält. Und dann sind wir tatsächlich da, in Dietldorf.

Reporter: "Wir haben es geschafft, oder?"

Bernhard Hübl, Bürgermeister Kallmünz: "Jetzt haben wir's geschafft. Drei Stunden und fünf Minuten haben wir gebraucht. Also man sieht, das Auto ist praktisch."

Verkehrswende auf dem Land – es ist ein sehr weiter Weg.

Kommentare zum Thema

  • Manuela Schulz 11.12.2021, 18:44 Uhr

    Herr Hübl scheint nicht zu wissen, dass Burglengenfeld eine kreisangehörige Stadt im Landkreis Schwandorf ist.

  • Bernhard Schmidt 10.12.2021, 22:33 Uhr

    Die DB findet eine wesentlich kürzer Verbindung (45min). [Link entfernt. Bitte beachten Sie unsere Netiquette.]

  • Frank Schaper 10.12.2021, 15:24 Uhr

    Liebes Monitor-Team, leider ist dieser Beitrag schon journalistisch eine Nullnummer. Man hätte sich mit dem Bürgermeister und Anderen darüber austauschen können, warum so wenige Busse von Kallmünz nach Burglengenfeld fahren (was das Grundproblem ist) und welche Problemlösungen es geben könnte. Lieber füllten Sie den Beitrag aber mit einer weiteren Fahrt ins Nirgendwo, nur um zu suggerieren: Der ÖPNV ist auch keine Lösung für das Mobilitätsproblem. Mein Vorschlag fürs nächste Mal: 4 min im Auto-Stau und 3 min Parkplatzsuche. Erkenntnisgewinn ist genauso groß.