Georg Restle: "Jetzt aber erst mal zu einem Thema, das gerade jeden und jede im Land wütend macht. Die nach wie vor steigenden Lebensmittelpreise in deutschen Supermärkten. Dabei drängt sich die Frage auf, warum Grundnahrungsmittel wie Milch, Käse oder Butter eigentlich immer noch teurer werden, obwohl die Energiepreise und andere Kosten längst wieder gesunken sind. Ja, und warum steigen die Preise in den Supermärkten der vier großen Handelsketten ausgerechnet bei den günstigsten Lebensmitteln besonders stark? Hat das alles überhaupt noch irgendetwas mit dem Ukraine-Krieg oder den gestiegenen Energiekosten zu tun – wie immer wieder behauptet wird – oder gibt es ganz andere Gründe dafür? Herbert Kordes, Lutz Polanz und Laura Niedermüller."
Ein Supermarkt in Oldenburg. Wir sind verabredet mit Katja Eujen. Vor einem Jahr waren wir schon einmal mit ihr einkaufen. Die Preissteigerungen infolge des Ukraine-Krieges machten ihr damals schwer zu schaffen. Inzwischen flaut die allgemeine Inflation langsam ab. Nur, im Supermarkt merkt Katja Eujen davon nichts.
Katja Eujen: "Ich hab meistens so einen Plan, was ich die Woche koche und was wir brauchen und dann ist es so, dass plötzlich das Gemüse, was ich gerne möchte oder die Nudelsauce, die ich gerne brauche, ist viel zu teuer und dann überlege ich mir was anderes."
Tatsächlich fiel die Gesamtinflation im April auf 7,2 Prozent. Bei Nahrungsmitteln lag sie dagegen mit 17,2 Prozent mehr als doppelt so hoch. Woran das liegt, das hat Andreas Jobst eingehend untersucht. Er leitet die volkswirtschaftliche Forschung beim Versicherungskonzern Allianz. Vor allem Hersteller verpackter Lebensmittel machten zurzeit Kasse, sagt er.
Andreas Jobst, Allianz Research: "Wir haben bei Lebensmittelherstellern ganz klare Gewinnmitnahmen schon seit letztem Jahr gesehen. Eigentlich würden wir in der jetzigen Phase, in der Energiepreise abnehmen, genau das Gegenteil erwarten, dass Preise langsam abnehmen und dementsprechend niedrige Preise an den Verbraucher weitergegeben werden."
In Zukunft werde sich der Anstieg zwar verlangsamen, aber die Preise steigen trotzdem weiter, sagt er.
Andreas Jobst, Allianz Research: "Wir rechnen in diesem Jahr weiterhin mit einem starken Anstieg der Lebensmittelpreise. Die durchschnittliche Lebensmittel-Inflation wird dieses Jahr ungefähr 12 Prozent betragen."
Auf MONITOR-Anfrage antworten nur wenige Hersteller. Sie weisen den Vorwurf zurück, man würde an der Krise verdienen. Man habe längst nicht alle Kostensteigerungen weitergegeben, heißt es. Überprüfen lässt sich das kaum. Doch auch der Einzelhandel klagt über zu hohe Preisforderungen vieler Hersteller. EDEKA-Chef Markus Mosa etwa sagte Ende April:
Zitat: "Wir fordern die Markenindustrie auf, die Inflation nicht weiter künstlich in die Höhe zu treiben."
Der Handel als Anwalt der Verbraucher? Tatsächlich sind nicht nur Markenprodukte zuletzt deutlich teurer geworden, sondern auch die günstigen Eigenmarken, die gerade für Menschen mit wenig Geld wichtig sind. Einige Beispiele: 200 Gramm REWE-Kochschinken verteuerten sich zwischen Anfang 2022 und Anfang Mai um 20 Prozent. 500 Gramm Spaghetti bei Lidl: plus 52 Prozent, Weizenmehl von Aldi-Süd stieg um 76 Prozent im Preis. Und dieser Speisequark kostete bei EDEKA Anfang Mai gar 98 Prozent mehr als Anfang 2022. Einfach zur Konkurrenz gehen, bringt nichts, sagt Sven Reuter. Er hat die Preisentwicklung bei den Handelsmarken über Monate hinweg verfolgt.
Sven Reuter, smhaggle: "Bei den Handelsmarken sind die Preise bei vergleichbaren Produkten bei jedem Händler gleich hoch. Egal ob sie zu Aldi, Lidl oder EDEKA oder REWE gehen. Wenn jetzt ein Händler den Preis anhebt oder senkt, ziehen alle anderen Händler sofort wieder nach, und man hat wieder das gleiche Niveau. Das geht also innerhalb von wenigen Tagen so."
Die großen Vier – Aldi, Lidl, REWE und EDEKA – dominieren den Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland. Drei von ihnen antworten uns, Schuld an der Teuerung bei den Eigenmarken seien hohe Produktions- und Einkaufskosten. Und es gebe bei diesen Produkten kaum Einsparmöglichkeiten. Aber rechtfertigt das derart drastische Preiserhöhungen bei Grundnahrungsmitteln? Die Ökonomin Isabella Weber sieht die Politik am Zug und verweist etwa auf die USA. Dort regeln strenge Gesetze, wie stark die Preise lebenswichtiger Güter in Krisensituationen angehoben werden dürfen. Und übermäßige Gewinne könne man abschöpfen, indem man eine eigene Steuer auf sie erhebt.
Isabella Weber, Ökonomin, University of Massachusetts Amherst: "Ich halte die Übergewinnsteuer für ein geeignetes Instrument, um gegen diese enormen Preissteigerungen vorzugehen, da diese Preissteigerungen darauf abzielen, die Profitmargen zu steigern und die Übergewinnsteuer den Anreiz, das zu tun, einstellen würde."
Mit dieser Bundesregierung ist das allerdings kaum zu machen: Bundesfinanzminister Christian Lindner wehrte sich letztes Jahr bereits vehement gegen eine Übergewinnsteuer für die Energiekonzerne. Es sind Menschen wie diese, die bei den hohen Preisen nicht mehr mithalten können. Wir sind bei der Wuppertaler Tafel. Tafel-Vorstand Peter Vorsteher betrachtet die Entwicklung mit Sorge. Der Kundenkreis hier werde immer größer, sagt er.
Peter Vorsteher: "Das bedrückt uns natürlich sehr, weil umso mehr wird der Bedarf sein, dass hier die Bevölkerung hier in Wuppertal, dass dann Leute aus dem Mittelstand zu uns kommen, die bis dato kein Kunde der Wuppertaler Tafel waren."
Aber es gibt noch einen Treiber der Lebensmittelinflation: Spekulanten. Ökonomen schätzen, dass Spekulanten bis zu 30 Prozent am Agrarrohstoffmarkt beteiligt sind und die Preise entsprechend hochtreiben – besonders vergangenes Jahr im Zuge des Ukraine-Krieges. Immerhin war das Land vor dem Krieg einer der größten Getreideexporteure der Welt. Zehn Hedgefonds verdienten im ersten Quartal 2022 geschätzte 1,9 Milliarden Dollar mit Wetten auf Weizen und Soja, so Analysen des Recherchekollektivs Lighthouse-Reports und der Organisation Unearthed. Die Folge – drastisch steigende Preise, obwohl die Getreide-Knappheit tatsächlich allenfalls gering gewesen sei, sagen Experten, wie der UN-Sonderberichterstatter Olivier de Schutter.
Olivier de Schutter, UN-Sonderberichterstatter für etreme Armut (Übersetzung Monitor): "Diese Hedgefonds sind parasitär und problematisch für die Stabilität dieser Märkte geworden. Wissen Sie, es gibt wetterbedingte Ereignisse, es gibt Ernten von mehr oder weniger guter Qualität. Es gibt verschiedene Probleme in den globalen Versorgungsketten, die manchmal brechen können. Aber Finanzspekulationen verschlimmern dies noch."
Die EU verhandelt derzeit über erweiterte Finanzmarkt-Regeln – aber will man auch dieses Problem angehen? Der Grünen-Europaabgeordnete Martin Häusling wirft insbesondere der Kommission vor, das Problem schlicht zu ignorieren.
Martin Häusling (Grüne/EFA), Mitglied des EU-Parlaments: "Ich habe bei einer Diskussion um Ernährungssicherheit die Kommission gefragt, was sie denn schätzt, wie viel Spekulationen denn an den Getreidepreisen beteiligt sind Darauf hat die Kommission gesagt, es gäbe keinerlei Erkenntnisse darüber, dass es Spekulationen gäbe und dass es Spekulationsgewinne gäbe. Also, da muss ich sagen, da wäre ich ja fast vom Stuhl gefallen."
Tatsächlich beurteilt die EU-Kommission die hohen Preisausschläge auf den Getreidemärkten als normales Marktverhalten. Und teilt MONITOR mit, sie sehe für schärfere Regeln derzeit keinen Anlass. Ein Ende der steigenden Lebensmittelpreise erwarten Experten frühestens nächstes Jahr. Und damit wird der Einkauf beim Supermarkt für noch mehr Menschen vor allem Verzicht bedeuten.
Georg Restle: "Unerschwingliche Preise für existenzielle Güter. Nur damit Gewinne "mitgenommen" werden können. Das ist die Realität einer Marktwirtschaft, die von vielen so gerne als sozial bezeichnet wird."
Kommentare zum Thema
Schaltet bei Monitor das "Testbild" ; das ist unterhaltsamer als das permanente Monitor-Geschwätz !
Die Politik muß endlich aufgefordert werden , die Interessen der Mehrheitsgesellschaft , die zu mehr als 50 % in teuren Mietwohnungen lebt, mit Almosenrenten abgespeist wird , welthöchste Steuern zahlen muß , wahrzunehmen . Alles , was die Ampel aktuell macht ist genau das Gegenteil von dem und kontraproduktiv, Massenarmutsmigration, Steuersubventionen, gepushte Pflege und Gesundheitskosten durch beitragslose Migranten , durch "Klimasteuern gepushte Preise bei Strom , Energie, Heizung etc, Pflege,
Auch mal was Positives: Mir ist aufgefallen, dass sich die Drogeriekette "dm" bisher zumindest in einigen Bereichen nicht an dem Preiserhöhungsreigen der dominierenden Konzerne beteiligt hat. So wurden die Preise von 1Kg Biomehl (0,99 zu 1,39), Vollkornnudeln 500g (0,99 zu 1,39) und passierten Tomaten (Flasche 0,99 zu 1,49) bei dm bis neulich nicht erhöht. Es geht also auch anders.