Klimakatastrophe: Konzerne vor Gericht? Monitor 10.08.2023 10:31 Min. UT Verfügbar bis 30.12.2099 Das Erste Von Herbert Kordes, Laura Niedermüller

MONITOR vom 10.08.2023

Klimakatastrophe: Konzerne vor Gericht?

Sie verdienen Milliarden bei der Kohleverstromung oder der Zementproduktion: Großkonzerne mit enormem C02 Ausstoß, die seit Jahrzehnten dem Klima schaden. Doch wenn es darum geht, für die Folgen des Klimawandels mit aufzukommen, fühlen sich die großen Konzerne nicht zuständig. Immer mehr Juristinnen und Juristen bringen die größten Energiekonzerne jetzt vor Gericht und fordern, dass auch sie sich an den Kosten der Klimakatastrophe beteiligen.

Von Herbert Kordes, Laura Niedermüller

Georg Restle: "Zu denen gehört ganz sicher auch die dramatisch steigende Erderhitzung. Auch wenn man das hier in Deutschland kaum gespürt hat, dieser Juli war der heißeste Monat, der jemals auf der Erde gemessen wurde; und das mit schlimmen Folgen. Besonders betroffen davon der Süden Europas, wo auf die Hitze der Starkregen folgte. Wie hier in Slowenien, wo nach Sturzfluten infolge der heftigen Niederschläge Häuser und Straßen von den Fluten mitgerissen wurden. Viele fühlten sich angesichts dieser Bilder an die Überschwemmungen in Deutschland vor zwei Jahren erinnert, als mindestens 185 Menschen starben, und viele ihre gesamte Existenz verloren; vor allem hier im Ahrtal. Der geschätzte Gesamtschaden: Rund 40 Milliarden Euro. Dafür aufkommen müssen die Allgemeinheit und die Flutopfer selbst. Warum eigentlich nur die, könnte man fragen - und nicht auch diejenigen, die dafür wesentlich mitverantwortlich sind? Die großen Energiekonzerne etwa, die Jahr für Jahr massenweise klimaschädliche Treibhausgase ausstoßen und damit wesentlich zur Erderhitzung beitragen. Vielleicht finden Sie das ein bisschen abwegig. Aber genau darüber wird gerade vor Gericht gestritten - mitten in Deutschland. Laura Niedermüller und Herbert Kordes."

Mitte Juli 2021: Nach heftigem Dauerregen im Ahrtal und anderen Regionen überfluten riesige Wassermassen ganze Landstriche in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen: Mehr als 180 Menschen sterben, viele werden obdachlos, die Flut zerstört Häuser und Straßen. Darunter auch dieses Gebäude. Es steht bei Ahrweiler direkt an der Ahr und ist der Lebenstraum von Michael Lang. Der Gastronom betreibt hier eine Vinothek. Meterhoch stand sie im Wasser, als die Ahr sich am Abend des 14. Juli 2021 in einen reißenden Strom verwandelte. Michael Lang dokumentierte die Flut damals mit dem Handy.

Handyvideo: "Hier ist Land unter, die Feuerwehr hat den Strom abgestellt, und … ich kann nur beten, dass es nicht zu katastrophal werden wird."

 Doch es wurde katastrophal. Zwei Wochen vor der Eröffnung versank das Haus in den Fluten. Im Innern des Hauses, wo die Geschäftsräume waren, hat Michael Lang eine Ausstellung zur Flut eingerichtet.

Michael Lang (situativ): "Also hier war ursprünglich meine Ausschanktheke, hier war der Grill, da der Spülenbereich, hier war die Anrichte."

Bis in die erste Etage stieg das Wasser - und zerstörte auch die gerade fertig eingerichtete Wohnung. Die Wände sehen noch immer aus wie im Rohbau, die staatlichen Hilfen lassen auf sich warten. Etwa eine Million Euro würde es kosten, alles wiederherzurichten, schätzt Lang. Geld, das er nicht hat.

Michael Lang: "Das war so ein bisschen mein Traumobjekt und so habe ich all mein Geld und meinen Elan, mein Engagement genommen und habe All-in gespielt und habe alles auf eine Karte gesetzt."

Eine Studie im Auftrag der Bundesregierung schätzt den Gesamtschaden der Flutkatastrophe an der Ahr und in anderen Regionen auf rund 40 Milliarden Euro. Der Großteil der Aufbauhilfe kommt vom Staat oder Versicherungen - den Rest müssen die Flutopfer selbst tragen. Aber warum nicht die, die für diese Schäden mitverantwortlich sind? Die großen Industrieunternehmen etwa, die Jahr für Jahr massenweise klimaschädliche Treibhausgase ausstoßen? Viele Ausstellungsbesucher hier verstehen das nicht.

 Besucher: "Also meine persönliche Meinung ist, dass man diese Konzerne mit reinzieht, also finanziell damit reinzieht. "

Besucherin: "Die verdienen sich dumm und dusslig, und von daher - ja!"

2. Besucher: "Da sollte ein Fonds gegründet werden, wo größere Konzerne, die da Riesengewinne machen, auch einzahlen, ja."

Es wäre ein Novum, die Verursacherhaftung großer Treibhausgas-Emittenten für Klimawandelschäden! Ein absurder Gedanke? Keineswegs, sagt Dr. Friederike Otto. Sie forscht am Imperial College London zu den Folgen des menschengemachten Klimawandels und hat auch zur Flutkatastrophe gearbeitet.

 Friederike Otto, Klimawissenschaftlerin, Imperial College London: "Also ich denke, es ist überhaupt nicht abwegig, die Konzerne mit in die Haftung zu nehmen, denn die extremen Niederschläge, die die Flutkatastrophe ausgelöst haben, wären ohne den menschengemachten Klimawandel weniger intensiv gewesen."

Am Landgericht Essen wurde bereits eine solche Klima-Klage gegen einen Großkonzern verhandelt. Die Richter wiesen die Klage ab. Jetzt liegt der Fall beim Oberlandesgericht Hamm. Und hier halten die Richter die Klage offenbar nicht für aussichtslos. Was sie schreiben, klingt neu, geradezu wegweisend:

Zitat: "Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit und Schlüssigkeit des (...) Klagebegehrens bestehen nicht."

Dass die Unternehmen mit behördlicher Genehmigung arbeiten, sei juristisch nicht ausschlaggebend, sagen Experten. Die Betriebserlaubnis berechtige nicht, andere zu schädigen. Und darum geht es vor Gericht. Der Palcacocha-Gletschersee in Peru - die Heimat von Saul Lliuya. Der Bergführer hat 2015 Klage gegen den Essener Energiekonzern RWE eingereicht. RWE soll sich an den Kosten des Klimawandels in dieser Region beteiligen, denn: Das schmelzende Eis des Gletschers lässt den See darunter ständig voller werden.

Saul Luciano Lliuya, Kläger (Übersetzung Monitor): "Wenn die Lagune so groß ist, ist das schon ziemlich besorgniserregend, insbesondere wenn sich auf dem Gipfel des Berges noch ein großer, überhängender Gletscher befindet."

Saul Lliuya fürchtet, dass sich der Gletschersee wegen des Klimawandels weiter ausbreitet und irgendwann seine Heimatstadt überflutet. Eine Studie zur Schmelze des Gletschers gilt als ein entscheidendes Beweismittel in dem Verfahren. Sie kommt zu dem Ergebnis:

Friederike Otto, Klimawissenschaftlerin, Imperial College London: "Der Gletscher hätte sich in seinen Ausmaßen überhaupt nicht verändert, wenn es den menschengemachten Klimawandel nicht gegeben hätte. Das heißt, alles, was an zusätzlichem Schmelzwasser in diesem See ist, ist dem Klimawandel zuzuordnen."

Die Anwältin Roda Verheyen aus Hamburg vertritt Saul Lliuja vor Gericht. Sie wollen, dass sich RWE an den Kosten eines Dammes gegen eine Flut beteiligt. Nach einer Liste des amerikanischen Climate Accountability Institute liegt RWE immerhin auf Platz 30 der größten Emittenten von Treibhausgasen weltweit. Trotzdem stellt sich die Frage, warum ausgerechnet RWE - wenn es international noch größere Emittenten gibt?

Roda Verheyen, Rechtsanwältin für Klimaschutz: "Da ich nun mal hier in Deutschland Anwältin bin und die RWE AG immer noch der größte europäische Einzel-Emittent ist, war es folgerichtig, zunächst einmal mit der RWE AG zu beginnen. Wichtig ist dabei zu wissen, dass wir die RWE also hier nicht verantwortlich machen für den gesamten Klimawandel."

 … sondern nur für den Anteil, den RWE an den globalen Emissionen der vergangenen Jahrzehnte hatte; rund 0,5 Prozent nach Berechnungen amerikanischer Wissenschaftler. RWE selbst sieht sich zu Unrecht am Pranger: Das Unternehmen schreibt:

 Zitat: "Nach geltendem Recht können einzelne Emittenten nicht haftbar gemacht werden für solche weltumspannenden Phänomene wie den Klimawandel."

 Doch Roda Verheyen geht es bei der Klage um mehr als um die Verurteilung eines einzelnen Unternehmens.

Roda Verheyen, Rechtsanwältin für Klimaschutz: "Natürlich hat ein solches Urteil eine Signalwirkung, weil es ja dann grundsätzlich heißen würde, ein großer Emittent kann für die Folgen des Klimawandels anteilig zur Verantwortung gezogen werden."

Denn die Konzerne wissen seit langem um die Folgen ihrer Emissionen auf das Klima. Der Energieriese Exxon etwa hat schon vor Jahrzehnten eigene Studien dazu anfertigen lassen - mit eindeutigen Ergebnissen. Der Klimaforscher Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung hat sich diese Studien genau angesehen.

 Stefan Rahmstorf, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung: "Exxon wusste nicht nur, dass das CO2, also die Emissionen aus fossiler Energieverbrennung, zu einer Klimaerwärmung führen können, sondern sie haben sogar sehr präzise vorhergesagt in eigenen Computersimulationen, wie stark diese Erwärmung ausfallen wird. Und die waren sehr akkurat, also die haben spätestens seit den 80ern genau vorhergesehen, was ihre Produkte verursachen würden."

Aktuell wächst die Zahl der Klagen gegen große Treibhausgas-Emittenten weltweit - auch in Europa. Flughafen Berlin, Anfang Juni. Miriam Saage-Maaß von der Menschenrechtsorganisation ECCHR empfängt Besuch aus Indonesien. Unter den Gästen: Edi Mulyono. Er lebt auf der indonesischen Insel Pari - etwa 40 Kilometer vor Jakarta. Edi Mulyono ist Fischer und fürchtet um seine Heimat, denn der steigende Meeresspiegel führe immer häufiger zu Überschwemmungen. Allein letztes Jahr doppelt so oft wie üblich. Edi Mulyono und weitere Bewohner der Insel haben deshalb jetzt den schweizerischen Baustoffhersteller HOLCIM verklagt. HOLCIM gilt als einer der größten Zementhersteller der Welt.

Edi Mulyono, Kläger (Übersetzung Monitor): "Wir - kleine Leute auf einer kleinen Insel - haben nie Emissionen verursacht oder unserem Lebensraum etwas Schlimmes zugefügt. Ich denke also, dass HOLCIM als Großunternehmen, das die Umwelt so stark verschmutzt hat, für die Folgen des Klimawandels Verantwortung zeigen muss."

Die Klage gegen einen großen Zementhersteller solle zeigen, es geht nicht nur um Energiekonzerne, sagt Miriam Saage-Maaß vom ECCHR, die die Kläger aus Pari unterstützt.

 Miriam Saage-Maß, Rechtsanwältin, ECCHR: "Ich glaube, dass wir insgesamt zu wenig darüber nachdenken, dass Unternehmen genuin eigentlich auch menschenrechtliche Verantwortung tragen und dieser gerecht werden müssen und dass wir zu sehr bereit sind, die Kosten, die Unternehmen durch ihre Produktion bewusst ausgliedern, in der ganzen Welt - ich würde sagen - zu vergesellschaften."

…also der Allgemeinheit überlassen. HOLCIM betont auf Anfrage, Klimaschutz habe höchste Priorität. Zum laufenden Verfahren will sich der Konzern nicht äußern. Zurück im Ahrtal: Michael Lang hat seinen Traum von der Vinothek nie aufgegeben - auch wenn es noch einige Jahre dauern wird, bis hier wieder alles so aussieht, wie es vor der Flut war.

Georg Restle: "Man kann den Menschen im Ahrtal nur alles Gute wünschen und auch wenn wir damit rechnen müssen, dass sich solche Katastrophen wegen des menschengemachten Klimawandels künftig häufen werden - auch hier in Deutschland."

Kommentare zum Thema

  • Elke 11.08.2023, 09:09 Uhr

    Dieses Thema ist seit Jahrzehnten bekannt.Wir Menschen lernen NICHTS dazu.Geld regiert die Welt und Ki. LD - logisches Denken , Fehlanzeige!

  • Michael Kemp 11.08.2023, 01:45 Uhr

    Der Kapitalismus muss vor Gericht. Wir brauchen keinen grünen Wirtschaftsminister, also einen veganen Schlachter, der angesichts des Klimawandels darüber nachdenkt, wie ein Land, das lange vor Ablauf des Jahres sein Recourcen-Budget verbraucht hat, seine Wirtschaft ankurbeln kann. Wir brauchen weltweit eine gerechte Verteilung von Arbeit und Ertrag mit so wenig Produktion und Transport wie möglich. Wir brauchen keine 4 Mrd Fluggäste pro Jahr, kurze Baumwollunterhosen für 50 €, Handys zum fünfachen Herstellungspreis, Zwiebeln aus Neuseeland, Autos, die nach 6000 Km neue Buchsen an den Achsen benötigen, 1000 Stromanbieter, prokapitalistische Parteien, Datenkraken, milliardenschwere Konzerne und den ganzen Schwachsinn. Kommt eh nur Frust und Entfremdung bei raus.

  • Nadine Fella 11.08.2023, 00:44 Uhr

    Früher wurde bei "Monitor" sehr viel Wert auf eine optimale Recherche gelegt. Leider ist Ihre Sendung zu einem Linksgrün-versifften Hetzportal verkommen. Die katastrophale Ahrflut von vor zwei Jahren, mit Ihrem Klimamächen zu verknüpfen ist ein Schlag ins Gesicht der Opfer. Im Gegensatz zu Ihnen kenne ich mehrere, u.a. einen Bürgermeister, persönlich. Der extreme Wasserstand kam auch durch die von dieser verfassungsfeindlichen Partei (Die Grünen) zustande. Diese haben dafür gesorgt, dass die Ufervegetation nicht zurückgeschnitten wurde. Fluten von diesem Ausmaß kommen alle 100 Jahr vor, zuletzt 1910, davor 1804. Diese Katastrophe war also absehbar und statistisch überfällig. Die hohe Opferzahl hat die links rot-grüne RTL-Landesregierung zu verantworten. Warum belügen Sie auf derart freche Weise die Zuschauer? Wahrscheinlich, weil der Sommer 2023 Ihre Klimalüge glänzend widerlegt. Dass meine Rundfunkgebühren für solche Herzgeschichten rausgeworfen werden, ärgert mich extrem MfG