Georg Restle: "Und jetzt nach Deutschland, wo Tausende Beschäftigte gerade dabei zuschauen müssen, wie ihre berufliche Existenz ruiniert wird. Es sind Frauen zumeist, die jahrzehntelang für die Kaufhauskette Galeria Karstadt Kaufhof geschuftet haben, nur um jetzt auf der Straße zu stehen. Viele von ihnen haben auf Lohn verzichtet und immer wieder darauf gehofft, dass es irgendwie doch weitergehen möge; doch für viele ist jetzt endgültig Schluss. In diesen Tagen machen weitere 18 Filialen dicht, ob in Hamburg, Cottbus oder Gelsenkirchen. Nur für einen hat sich das ganze Geschäft offenbar gelohnt. Der Unternehmer René Benko machte ein Milliardengeschäft mit den Immobilien von Karstadt und Kaufhof. Und nebenbei gabs auch noch Hunderte Millionen Steuergelder vom Staat. Die am Ende vor allem seinem Unternehmen nützten, nicht aber den Tausenden Beschäftigten, die jetzt nicht wissen, wie es weitergehen soll. Ingolf Gritschneder und Georg Wellmann."
Ihr ganzes Berufsleben hat Anja Sabrowski hier gearbeitet, im Galeria-Warenhaus in Gelsenkirchen.
Anja Sabrowski, Verkäuferin: "Ich bin hier seit dreißigeinhalb Jahren in dieser Filiale. Und irgendwann haben hier mal weit über 1.000 Menschen gearbeitet, und das baute sich dann peu à peu ab, irgendwann mal 70, dann waren es nur noch 60 und dann zum Schluss – also die sind wir gar nicht mehr – sind vielleicht noch 35."
Gelsenkirchen galt bei seiner Eröffnung als modernste Kaufhof-Filiale Deutschlands, jetzt gehört das Haus zu den ersten 18 Filialen, die infolge der Insolvenz des Konzerns bis Ende Juni geschlossen wurden. Rund 40 Filialen sollen bis Januar nächsten Jahres verschwinden, etwa 4.000 Beschäftigte verlieren ihren Job. Wie die Einrichtungsgegenstände, die nun auf dem Müll landen, fühlen sich auch viele Angestellte regelrecht entsorgt – und schon durch die Art und Weise der Kündigung gedemütigt – per Telefon.
Anja Sabrowski, Verkäuferin: "Das war tatsächlich sehr, sehr schlimm. Es war so schlimm, dass eine Kollegin, die seit über 40 Jahren oder 40 Jahre da ist, einen Schlaganfall bekommen hat während der Verkündung. Also, das war schon … es war wirklich hart."
Knallhart abserviert? Die Wut der Betroffenen richtet sich seit Jahren vor allem gegen den wichtigsten Galeria-Eigentümer, den österreichischen Multimilliardär René Benko. Gemeinsam mit internationalen Investoren hat er Millionen an Galeria Karstadt Kaufhof verdient. 2014 hatte Benko mit seiner SIGNA Holding zunächst Karstadt übernommen, ab 2019 kam noch Kaufhof hinzu. Während Galeria in den letzten drei Jahren zwei Pleiten hinlegte, wuchs das Vermögen des schillernden Benko laut Schätzungen des Wirtschaftsmagazins Forbes zeitgleich um rund 700 Millionen Dollar.
Prof. Gerrit Heinemann, Handelsexperte, Hochschule Niederrhein: "Herr Benko ist ein Immobilien-Fachmann und ich wüsste nicht, warum er irgendein Interesse am Warenhaus-Geschäft, also am operativen Einzelhandel, haben sollte. Und ich frage mich auch seit Jahren, was ist das Interesse von Herrn Benko und komme immer nur zu einem Ergebnis – Herr Benko möchte reicher werden."
Grundlage von Benkos Geschäftsmodell ist die Trennung des Warenhausgeschäfts von den Kaufhausimmobilien. Hierzu gibt es zwei Gesellschaften. Der Galeria-Konzern, also das Warenhausgeschäft mit Karstadt und Kaufhof gehört zur SIGNA Retail, die Gebäude zur SIGNA Real Estate, einem reinen Immobilien-Unternehmen. Beide Gesellschaften gehören zur SIGNA Holding. Benkos Familienstiftung mit Sitz in Innsbruck hält daran rund 80 Prozent.
Reiner Holznagel, Bund der Steuerzahler: "Von Anfang an war klar, dass Herr Benko mit der Übernahme dieser Gruppe ein Geschäft machen will. Insofern war auch deutlich, dass er ein anderes Geschäftsmodell verfolgt als die Fortführung dieser alten Warenhauskette."
Viel Geld lässt sich nämlich vor allem mit dem Verkauf der wertvollen Immobilien machen. 2020 veräußerte Benkos SIGNA-Gruppe 21 Kaufhof-Gebäude und kassierte aus dem gesamten Deal eine Vorabdividende von 450 Millionen Euro; nur wenige Tage vor der ersten Insolvenz. Die Pleite begründete der Konzern mit der Corona-Krise und beantragte Millionenhilfen. Tatsächlich zahlte der Staat dem maroden Konzern insgesamt 680 Millionen Euro. Die sind für den Steuerzahler inzwischen verloren.
Reiner Holznagel, Bund der Steuerzahler: "Aus meiner Sicht hätte der Staat viel mehr darauf drängen müssen, dass erst mal Hilfsmaßnahmen innerhalb der Holding organisiert werden, so dass Herr Benko auf der einen Seite mit seinem profitablen Immobilienvermögen das nicht profitable Geschäft stützt. Ich sehe nicht die Notwendigkeit, dass immer der Steuerzahler hier einspringen muss."
Doch aus seinem Milliardenvermögen investierte Benko viel zu wenig in die stark sanierungsbedürftigen Warenhäuser, sagen die Angestellten. So auch Anja Sabrowski in Gelsenkirchen.
Anja Sabrowski, Verkäuferin: "Ich glaube, dass ein Herr Benko nicht an dem operativen Geschäft tatsächlich interessiert ist. Bei uns liefen seit geraumer Zeit keine Rolltreppen mehr, unsere Aufzüge funktionierten nur noch dann und wann mal, das ging sowohl für die Lastenaufzüge, sodass die Kollegen gar nicht mehr die Waren auf die Flächen bekommen haben."
Das heruntergewirtschaftete Warenhaus in Gelsenkirchen gehörte zu genau den 21 Immobilien, die Benko kurz vor der Insolvenz an Investoren verkauft hatte. Inzwischen gehören der SIGNA-Gruppe nur noch 30 Galeria-Gebäude selbst. Doch Benko hatte ein Problem. Er konnte die Häuser zwar verkaufen, aber Galeria blieb als Mieter weiter an die Mietverträge gebunden. Und die waren äußerst kostspielig mit Laufzeiten bis zu 20 Jahren. Mit der Insolvenz bot sich nun die Gelegenheit, auch dieses Problem zu lösen. Eine Vielzahl der zuvor verkauften Gebäude befinden sich nun auf der Schließungsliste. Von den 129 Galeria-Häusern sollen bis Ende Januar 2024 rund 40 schließen. Auffällig, lediglich drei dieser Warenhäuser gehören Benkos SIGNA-Gruppe. Das heißt, seine eigenen Immobilien blieben von den Schließungen weitgehend verschont.
Prof. Gerrit Heinemann, Handelsexperte, Hochschule Niederrhein: "Es ist aus meiner Sicht völlig klar, dass Häuser, die nicht Herrn Benko gehören und wo offensichtlich noch Verhandlungspotenzial besteht – das heißt von den Vermietern noch zusätzliche Zugeständnisse zu erwarten sind – plötzlich auf die Schließungsliste kommen und sich die Vermieter quasi mit Geld davon herunter kaufen können. Das hat ein Geschmäckle.“
Vor der Kamera möchte kein Vermieter Stellung beziehen, anonym sprechen manche gar von Erpressung, auch gegenüber der Immobilien-Zeitung.
Christoph von Schwanenflug, Redakteur Immobilien Zeitung: "Es gab Vermieter, die sich von Galeria erpresst fühlten, wir haben mit einem gesprochen, der sagt, er hätte um 20 bis 25 Prozent die Miete gesenkt in der ersten Insolvenz und Galeria stand dann bei ihm auf der Matte und wollte in der zweiten Insolvenz eine erneute Mietsenkung um 30 Prozent haben."
Lassen sich die Eigentümer nicht auf solche Deals ein, droht die Schließung der Häuser – auf Kosten der Arbeitsplätze. Weder Galeria noch SIGNA haben unsere Fragen dazu beantwortet.
Zurück in Gelsenkirchen. Langjährigen Kunden begegnet Anja Sabrowski nur noch auf der Straße. In den letzten Tagen haben sie und ihre Kollegen noch die Filiale ausgeräumt – ab Montag hat sie keine Arbeit mehr – nach über 30 Jahren in diesem Kaufhaus.
Georg Restle: "Die Frage, die sich viele immer wieder stellen, warum die Politik eigentlich nichts dagegen unternimmt, dass da einer immer reicher wird, während die anderen ihre finanzielle Existenz verlieren. Gute Frage in einem System, in dem vor allem die Gesetze des Marktes regieren."
Kommentare zum Thema
Das Problem ist doch, dass es keine Partei mehr gibt, die sozial denkt und die arbeitende Bevölkerung wirklich (und nicht nur vorgeblich) vertritt. Seit dem Kurswechsel der SPD haben doch alle nur noch Profitmaximierung für Aktionäre etc. im Sinn. Dummerweise ist damit der Untergang unseres politischen Systems verbunden. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Demokratie am Ende ist.
Warum verlangt der Staat die Staatshilfe nicht vonRene Benno zurück
Ich finde es unwürdig, dass mal wieder alles auf "den Kapitalisten" geschoben wird. Die Politik weiß doch, in welchem Wirtschaftssystem wir leben und hat das selbst so definiert. Einerseits ist es eigentlich systemfremd, so viel Geld einem Unternehmen nachzuwerfen. Dann gätte es dieses Problem erst gar nicht gegeben. Im Aushandlung Prozess hätte man auch andere Regeln festlegen können. Auch das hat die Politik verbockt. Und letztlich hätte man Karstadt-Kaufhof auch insolvent gehen lassen können. Das Gerede um Arbeitsplätze nervt dich nur. Solche Warenhäuser er nehmen doch auch Fachgeschäften Kunden weg, und ohne sie wird ja auch nicht weniger gekauft. Die Kunden wären in andere Geschäfte gegangen, die entsprechend Personal brauchen. Dass der Stationärhandel generell gegenüber Online Marktanteile verliert - das ist ein Trend, den man mit Steuermitteln nur verlangsamen kann. Aber ob das sinnvoll ist?