Bericht: Andreas Maus, Véronique Gantenberg
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Georg Restle: „Ein Impfstoff gegen Corona. Darauf hoffen nicht nur die Menschen hier in Deutschland, darauf hofft die ganze Welt. Allerdings steht zu befürchten, dass sich diese Hoffnung nicht für alle erfüllen wird, jedenfalls nicht für alle gleichermaßen. Denn längst schon hat ein globales Wettrennen eingesetzt, wer da als erstes den Zugriff erhält und wer wieviel von dem knappen Gut abbekommt. Dabei steht jetzt schon fest, die ärmeren Länder werden die großen Verlierer in diesem Rennen sein. Den größten Teil des Kuchens haben sich die reichen Industrienationen längst schon gesichert. Und das lange bevor überhaupt feststeht, ob und wann ein solcher Impfstoff überhaupt auf den Markt kommt. Andreas Maus und Véronique Gantenberg.“
Das Wettrennen um einen Corona-Impfstoff – rund um die Uhr, in Laboren weltweit. Über 200 sind derzeit in der Entwicklung. Fast ein Dutzend davon befindet sich bereits in der klinischen Testphase. Impfstoffe, die den Menschen in der ganzen Welt helfen sollen, wie deutsche und europäische Politikerinnen immer wieder betonen.
Angela Merkel (CDU), Bundeskanzlerin: „Jeder Mensch kann an dem Virus erkranken, und deshalb haben wir die Aufgabe, weltweit gemeinsam zu handeln.“
Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission (Übersetzung Monitor): „Impfstoffnationalismus riskiert Menschenleben. Nur Impfstoff-Kooperation rettet Leben.“
Kein Impfstoffnationalismus, heißt, eine gerechte Verteilung der Impfstoffe – um Menschenleben zu retten. Vor allem in ärmeren Ländern, die besonders unter der Pandemie leiden. Zum Beispiel Peru. Das Land wurde von der Corona-Pandemie besonders hart getroffen. Das Gesundheitssystem ist massiv überlastet. Peru hat weltweit mit die höchste Todesrate. Jeder Vierte lebt hier von weniger als 5,- Euro pro Tag. So wie Julia Martel. Sie wohnt mit ihren Kindern in einer kleinen Hütte in einer Favela am Stadtrand von Lima.
Julia Martel (Übersetzung Monitor): „Meine kleine Tochter ist schwerbehindert. Sie wurde vor einem Jahr am Herzen operiert. Wenn ich rausgehe habe ich Angst, das Virus mitzubringen. Gott bewahre, dass ich sie anstecke.“
Vor allem wegen ihrer Tochter, die besonders gefährdet ist, hofft Julia Martel auf einen Impfstoff. Doch sie und die Menschen hier befürchten, am Ende leer auszugehen.
Agapita Duran Gonzalez (Übersetzung Monitor): „Ich glaube nicht, dass die Impfung hier in unsere Gemeinde kommen wird. Die wird doch nur an Leute gegeben, die mehr Geld haben. Unsere Siedlung, wir sind Vergessene, hier kommt gar nichts an.“
Der globale Wettlauf um die Impfstoffe – er ist längst in vollem Gang. Bevor überhaupt klar ist, ob ein Impfstoff zugelassen wird, sind diese praktisch schon ausverkauft. Vor allem größere Industrieländer haben sich bereits den Löwenanteil der vielversprechendsten Kandidaten gesichert. Das zeigen Berechnungen des britischen Analyse-Unternehmens Airfinity. Insgesamt wurden bis heute weltweit Verträge über Optionen für fast 6,4 Milliarden Impfdosen mit den Pharmakonzernen geschlossen. Davon haben sich allein die USA, Japan, die EU und andere Industriestaaten 43 Prozent gesichert. Dabei leben in diesen Staaten nur 13 Prozent der gesamten Weltbevölkerung. Zahlen, die besorgniserregend seien, sagt Max Lawson von der Entwicklungshilfeorganisation OXFAM.
Max Lawson, OXFAM Großbritannien (Übersetzung Monitor): „Ich denke, die Folge, wenn reiche Staaten Impfstoffe horten und praktisch die Hälfte aller verfügbaren Impfstoffe aufkaufen – die Folge wird sein, dass viele, viele Menschen in den Entwicklungsländern sterben werden, als Ergebnis dieses Hortens von Impfstoffen.“
Die Weltgesundheitsorganisation warnt deshalb vor einem „Impfstoff -Nationalismus”. Davor, dass einzelne Staaten sich frühzeitig große Mengen an Impfstoffen auf dem Weltmarkt sichern.
Tedros Adhanom Ghebreyesus, Generaldirektor Weltgesundheitsorganisation (Übersetzung Monitor): „Die oberste Priorität muss sein, einige Menschen in allen Ländern zu impfen, und nicht alle Menschen in einigen Ländern. Dies ist nicht nur ein moralisches Gebot und ein Gebot der öffentlichen Gesundheit. Es ist auch ein wirtschaftliches.“
Und nicht nur das, sagt der Virologe Hendrik Streeck. Eine ungleiche Verteilung von Impfstoffen sei auch epidemiologisch fatal.
Prof. Hendrik Streek, Virologe, Universität Bonn: „Weil wir merken doch: dass so eine Pandemie und eine Eindämmung nur erfolgen kann auf einem globalen Level. Kein Land kann sich abschließen, kein Land kann sich verschließen und auch wenn ein einziges Land dann einen Impfstoff haben würde, geht die Tragödie dann in anderen Ländern weiter.“
Deswegen hat die WHO zusammen mit der Impfallianz Gavi und anderen die Initiative COVAX ins Leben gerufen. Diese hat das Ziel, Geld einzusammeln, um damit die ärmsten Länder mit einem zukünftigen COVID-19-Impfstoff zu versorgen. COVAX sei ein richtiger Schritt, sagen Experten. Aber ein Problem sei, wichtige Länder wie die USA und Russland sind als Geldgeber nicht dabei. Außerdem, die geplante Anzahl der Impfdosen, die COVAX beschaffen will, reiche nicht aus. Bis Ende 2021 will sich COVAX eine Milliarde Impfdosen bei Pharmaunternehmen sichern. Die sollen dann auf die 92 ärmsten Entwicklungs- und Schwellenländer verteilt werden. Aber dort leben rund vier Milliarden Menschen. Das bedeutet umgerechnet gerade mal 0,3 Impfdosen pro Person. Zum Vergleich: Die EU hat sich mit ihren Deals bislang Optionen für fast vier Impfdosen pro Einwohner gesichert. Bei den USA sind es beinahe fünf, und in Großbritannien fast sechs. 0,3 Impfdosen pro Person für die Ärmsten. Und das auch nur für den Fall, dass alle aussichtsreichen Impfstoffe tatsächlich zugelassen werden. Und viel mehr wird es kaum werden, denn die Produktionskapazitäten sind begrenzt. Vor diesem Hintergrund sei das egoistische Verhalten der wohlhabenden Länder gefährlich, sagt der südafrikanische Epidemiologe Salim Abdool Karim.
Salim Abdool Karim, Epidemiologe, Universität Natal, Durban (Übersetzung Monitor): Auf der einen Seite haben wir COVAX, das versucht, einen gerechteren Weg zu schaffen. Sie bekommen aber die ersten Impfdosen gar nicht erst in die Hände, weil zwei oder drei Länder mit ihrer finanziellen Schlagkraft alles aufgekauft haben. Ich halte Impfstoffnationalismus für eine direkte Bedrohung für COVAX.“
Einen wirksamen Corona-Impfstoff zu entwickeln ist das eine. Um die Pandemie dann auch wirklich effektiv zu bekämpfen, dafür braucht es vor allem weltweite Solidarität.
Georg Restle: „Solidarität, schön wärs!“
Kommentare zum Thema
Das Thema geht wieder völlig an der Realität vorbei, wie so oft beim ÖRR ! Corona bedroht fast nur alte Menschen ab 72 Jahren . Diese leben weltweit ganz vorrangig in den reichen Industrieländern des Westens. Arme Länder sind die sog. Schwellenländer, die infolge des hohen Geburtenüberschusses eine durchweg junge Population aufweisen und somit auch kaum von Corona betroffen sind. Deshalb hört man auch hierzu aus Afrika Nichts. Etwas mehr nationaler Egoismus wäre daher zum Schutz der eigenen Bevölkerung wünschenswert, auch wenn dann dumme dt. Politiker schreien "Impfsoffnationalist". In der Schule gäbs dafür Note 6 mit Vermerk "Thema verfehlt".Das ist leider bei fast allen vom ÖRR aufgebauschten Themen der Fall (z.B angeblicher Rassismus in der gesellschaftl. Mitte,Nazis,Rechtspopulisten,Polizeiwillkür) . Der Staatsfunk ist bereits seit langem nicht mehr imstande ,losgelöst von der Obrigkeit unabhängig, neutral die Sorgen der Mehrheitsgesellschaft journalistisch widerzugeben !
Impfstoffe ausverkauft?In der westlichen“Demokratie“Dominanz der Freiheit und Gerechtigkeit?Oder sind da nicht doch ganz andere Prioritäten „unantastbarer“ als die scheinheilige Floskel eines spätreaktionären Regimes? Natürlich hat(hätte)es jedes Volk in der Hand,ob es sich lieber weiter von sogenannten Polit-und Wirtschaftseliten an der Nase herumführen läßt oder gescheiterweise den Sumpf rigoros austrocknet.Am einfachsten sind grundlegende Reformen mittels Wahlen erreichbar.Wenn nicht die tägliche mediale Kopfwäsche wäre,das Blockwartinstrumentarium und der Globalisierungswahnsinn,um folgsame„Weltbürger“zu kreieren.
Was will man da noch sagen? So, wie die reichen Industriestaaten die armen Länder im Süden seit jeher behandelt haben, so tun sie's auch jetzt. Ob's um Rohstoffe geht oder, wie in Eurem eindrücklichen Beitrag gezeigt, um die Verteilung von Impfdosen, überall nur egoistisches Handeln. Aber alles, was wir diesen Ländern seit sehr langem antun, fällt irgendwann auf uns zurück. Weltweite Solidarität stell ich mir anders vor.