MONITOR vom 08.04.2021

Hass und Hetze im Netz: Kaum Schutz für Opfer

Bericht: Lara Straatmann

Hass und Hetze im Netz: Kaum Schutz für Opfer Monitor 08.04.2021 07:32 Min. UT Verfügbar bis 30.12.2099 Das Erste Von Lara Straatmann

Kommentare zum Thema, weiterführende Links und der Beitragstext als PDF

Georg Restle: „Diese Frau hier musste erfahren, wie allein gelassen man sich in diesem Land fühlen kann, wenn man von Rassisten aufs Übelste beleidigt, verleumdet oder sogar mit dem Tod bedroht wird. Alleingelassen auch von Sicherheitsbehörden, die eigentlich Schutz bieten sollten. Jasmina Kuhnke ist eine Mutter von mehreren Kindern. Eine Frau, die kein Blatt vor den Mund nimmt und sehr offen ausspricht, was sie denkt. Dafür bezahlt sie einen hohen Preis. Eine Warnung vorneweg: In dem Film, den sie gleich sehen, zeigen wir zutiefst rassistisches Vokabular, das wir sonst eigentlich nicht weiter verbreiten wollen. In diesem Fall haben wir uns entschlossen, es ausnahmsweise doch zu tun, offen zu dokumentieren, wie weit die Verrohung in diesem Land mittlerweile vorangeschritten ist, und wogegen die Polizei wenig bis nichts unternimmt. Lara Straatmann.“

Jasmina Kuhnke: „Sei dankbar, dass wir dich von den Bäumen geholt haben, Drecksviech! Vielleicht sollte diese Jasmina Kuhnke einfach des Landes verwiesen werden, weil sich Kontakte schließen. Menschen wie dich mag man einfach nicht. Halt die Fresse, Jasmina!”

Jasmina Kuhnke, Deutsche, geboren in Hagen, Mutter mehrerer Kinder. Eine bundesweit erfolgreiche Kolumnistin – auf Twitter folgen ihr mehr als 80.000 Menschen. Meinungsstark und manchmal auch sehr provokant kämpft sie gegen Rassismus. Seit Jahren wird sie deshalb im Netz mit Hass überschüttet – etwa:

Zitat: „Man fragt sich eh, wie sie die Blagen aus dem dürren Junkyarsch gedrückt hat?”

Zitat: „Ich kenne Ochsen und Affen mit mehr Hirn.”

Zitat: „Sklavenhändler hinbestellen mitnehmen lassen.”

Regelrechte Hetzkampagnen von rechts, an denen sich unter Hashtags wie „#HaltdieFresseJasmina“ auch bürgerlich-konservative Journalist*innen beteiligen.

Jasmina Kuhnke: „Man wird plötzlich zur Fremden gemacht, Ich bin hier geboren, ich leiste meinen Beitrag, so gut ich kann, wie jede/jeder andere auch. Und genau so möchte ich auch behandelt werden.“

Doch die Bedrohung hat die virtuellen Grenzen längst überschritten, erstmals möchte sie deshalb offen darüber sprechen. Im Februar ist der Hass plötzlich zu einer realen Gefahr für sie und ihre Familie geworden. Hier war bis kurzem ihr Zuhause – und das ihrer Kinder. Anderthalb Jahre haben sie hier gewohnt, gerade hatten sie sich alles schön gemacht. Heute ist die Wohnung leer, geräumt innerhalb kürzester Zeit – aus Angst. Im Februar wurde ihnen mit einem Schlag klar, sie müssen hier weg. Der Grund: Rassisten veröffentlichten dieses Video.

Video: „Gegenüber steht mein PC, in meiner Phantasie tue ich dir weh, du blutest.“

Ein Video voller rassistischer Beleidigungen, Gewaltphantasien und einer konkreten Todesdrohung.

Video: „Ich will dich massakrieren.“

Ich will dich massakrieren. Dann wird ihre Adresse veröffentlicht samt Foto des Hauses. Plötzlich wissen alle, wo sie wohnt.

Jasmina Kuhnke: „Panik, und das Gefühl so … ausgeliefert zu sein. Auch das Gefühl, wo geh ich jetzt hin, also was mache ich jetzt?“

Der Psychoterror beginnt noch am Abend. Plötzlich etliche Pizzalieferungen, die die Familie nie bestellt hatte. Mutter und Kinder in Panik, dass gewaltbereite Rassisten vor der Tür stehen.

Jasmina Kuhnke: „Also ich kann gar nicht mehr erzählen, wie oft es an unserer Tür geklingelt hat. Wir haben die Rollläden runtergelassen, haben versucht, irgendwie ruhig zu bleiben, Hilfe zu bekommen.“

Hilfe von denen, die sie schützen sollten – noch am Abend ruft die Familie die Kölner Polizei an – es folgen laut Protokollen mehr als ein Dutzend Telefonate mit der dringenden Bitte, dass die Polizei zumindest kommt und das Haus einige Zeit beobachtet.

Doch nichts davon passiert, die Polizei habe keine Bedrohungslage gesehen, sagt sie. In den Tagen danach erhält die Familie rassistische Postkarten. Die Botschaft: Wir wissen, wo du wohnst!

Jasmina Kuhnke: „Wenn man so eine Angst hat wie ich in dem Moment, dann gesagt zu bekommen von den Menschen, die eigentlich einen schützen sollen, dass sie das nicht sehen und nicht wahrnehmen, … macht das Ganze eigentlich noch schlimmer.“

Keine Schutzmaßnahmen? Auf Anfrage wollte sich die zuständige Kölner Polizei zu diesen Vorwürfen nicht äußern. Laut Staatsanwaltschaft seien Ermittlungen wegen des Videos eingeleitet. Schon letztes Jahr hatte Kuhnke den Hinweis bekommen, dass Rechte ihre Adresse suchen würden, sie stellte Anzeige. Doch das Verfahren wurde eingestellt – mangels Anfangsverdacht. Seit dieser Zeit unterstützt Felicia Köttler von der Beratungsstelle Rechtsextremismus die Familie. Auch sie habe nach dem Video gefordert, dass die Polizei die Bedrohung anerkennt und Hilfestellung bietet. Wie so oft ohne Erfolg, sagt sie.

Felicita Köttler, Mobile Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus, Köln: „Die gängige Praxis ist, dass betroffene Personen schon bei der Anzeigenstellung und auch im laufenden Ermittlungsverfahren nicht ernst genommen werden, dass ihnen nicht zugehört wird, dass nicht selten den Opfern eine Mitschuld gegeben wird, also dass es immer wieder dazu kommt, dass gesagt wird, ja, wenn Sie sich laut positionieren, wenn Sie da aktiv sind, dann ist das ja die Ursache für den rechten Hass und die rechte Bedrohung.“

Mitschuld der Betroffenen? Fehlender Opferschutz? Dabei hatte die Bundesregierung schon vor Jahren dem Hass im Netz den Kampf angesagt. Es folgte das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das Gesetz zur Bekämpfung der Hasskriminalität und zuletzt der Gesetzentwurf zur Strafbarkeit von Feindeslisten. Darin vor allem: Höhere Strafen und mehr Pflichten für Netzbetreiber. Doch was hilft all das, wenn Ermittlungsbehörden eine Bedrohung nicht anerkennen und Opfer am Ende doch alleine lassen? Für Experten zeigt der Umgang mit dem Fall Kuhnke ein Kernproblem.

Michael Blume, Beauftragter für Antisemitismus, Baden-Württemberg: „Es wird immer noch so getan, als ob das Ausrutscher von Einzelnen wären, es wird nicht gesehen, dass wir Situationen haben, wo geradezu Kampagnen gefahren werden, vor allem auch gegen Frauen. Deswegen braucht es da ganz klar eine Sensibilisierung, dass wir erkennen, der Schutz dieser Menschen ist nicht irgendetwas, das man auch tun könnte oder eben nicht tun könnte, sondern da geht es um die Kernfrage von Freiheit und von Äußerungsfreiheit überhaupt.“

Sich und ihre Familie selbst schützen zu müssen, dieses Gefühl nagt an ihr. Was, wenn auch ihre neue Adresse öffentlich wird? Der Preis dafür, sich weiter laut zu äußern, bleibt für Jasmina Kuhnke hoch und dennoch:

Jasmina Kuhnke: „Wenn ich einfach nur Twitter ausmachen müsste, einfach nur meinen Laptop zuklappen und mein Handy ausstellen würde, und damit wären dann rassistische Übergriffe abgestellt, das wär schön. Also es ändert einfach nichts, und deshalb werde ich mein Verhalten auch nicht ändern. Also, es gibt ja keinen Grund für mich, jetzt leise zu sein.“

Weitermachen. Etwas anderes kommt für sie nicht in Frage. Um das Feld nicht denen zu überlassen, die sie und andere mit ihren Hetzkampagnen zum Schweigen bringen wollen.

Georg Restle: „Mutige Frau! Was Betroffenen übrigens auch helfen würde, eine aktive Zivilgesellschaft, die gerade im Netz noch deutlicher Flagge zeigt gegen rassistische Hetzkampagnen und all diejenigen, die sie verbreiten.“

Kommentare zum Thema

  • Petter Seeher 17.12.2021, 20:18 Uhr

    Die Polizei sind rechtlich Teilweisse die händegebunden. Da müste die Regierung §§gesetzlich nachbessern. Solte als mindest anforderung bei solchen und Ähnlichen fällen mit blick auf das grund recht und die in ähnlicher exestierender form diese gesetze anwenden in der Übergans Phase in der wir uns derzeitig befinden bis in die Zeitpassende gesetze geschaffen wurden.

  • Harald 25.10.2021, 18:53 Uhr

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  • Klaus Dieter 04.09.2021, 23:09 Uhr

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