MONITOR vom 05.12.2019

Glyphosat: Gekaufte Studien?

Bericht: Elke Brandstätter, Lutz Polanz

Glyphosat: Gekaufte Studien? Monitor 05.12.2019 06:23 Min. UT Verfügbar bis 30.12.2099 Das Erste Von Elke Brandstätter, Lutz Polanz

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Achim Pollmeier: „Wir starten mit einer Recherche über das wohl umstrittenste Pestizid der Welt – Glyphosat. In Europa wird seit Jahren über ein Verbot gestritten. Da zählt jedes gute Argument, natürlich wissenschaftlich belegt. Recherchen des Vereins LobbyControl zeigen nun erstmals, dass der Glyphosat-Hersteller Monsanto, heute Bayer, bei einem renommierten deutschen Wissenschaftler wohlwollende Studien in Auftrag gegeben hat, und dafür bezahlt. Elke Brandstätter und Lutz Polanz.“

Das ist Professor Michael Schmitz. 20 Jahre lang beriet er als Sachverständiger das Bundeslandwirtschaftsministerium und arbeitete als Gutachter für die Deutsche Forschungsgemeinschaft. Ein gefragter Wissenschaftler, auch bei Anhörungen im Deutschen Bundestag.

Prof. Christian Kreiß, Experte für Wirtschaftslobbyismus: „Wenn man im Sachverständigenrat in einem Ministerium ist für 20 Jahre, hat das natürlich ein unglaubliches Gewicht. Da hat man sehr starke Einflussnahme über das Ministerielle, über die Gremien, über die Einblicke, die man bekommt, auch über die Zugänge, die man bekommt.“

Bis 2015 lehrte Professor Schmitz als Agrar-Ökonom an der Uni Gießen. Und forschte hier zu allem, was mit Agrarpolitik und landwirtschaftlicher Produktion zu tun hat. Auch zu dem wohl umstrittensten Unkrautvernichter weltweit: Glyphosat. Für die einen unverzichtbar, um gute Ernten einzufahren. Für die anderen krebserregend und eine Bedrohung für die Artenvielfalt. Glyphosat, das ist ein Milliardenmarkt. In zwei Studien kam Schmitz gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern zu eindeutigen Ergebnissen. Ein Verzicht auf Glyphosat käme Deutschland und die EU teuer zu stehen. Bis zu 1,4 Milliarden US-Dollar jährlich. Außerdem sei der Glyphosat-Einsatz ökologisch von Vorteil. Er schone den Ackerboden und senke den CO2-Ausstoß.

Ulrich Müller, LobbyControl: „Die Studien liefern den Glyphosat-Herstellern zentrale Argumente, die sie in ihrer Lobbyarbeit verwendet haben, wie dass eben der Schaden zu groß sei, um auf Glyphosat zu verzichten, dass es für den Boden gut wäre, dass die EU sonst auf einmal Getreide importieren müsste. Und wenn diese Argumente jetzt als scheinbar neutrale Botschaften unhinterfragt dann in den Medien auftauchen, in der Politik auftauchen, dann wird es natürlich problematisch.“

Denn was Professor Schmitz nicht erwähnte, die beiden Studien entstanden zwar in den Räumen der Universität Gießen, haben mit dieser aber nichts zu tun. Jahrelang betrieb Schmitz unter der Adresse der Hochschule den Verein für Agribusiness-Forschung und ein dazugehöriges Institut. Und das ließ sich die Studien bezahlen. Vom weltweit bekanntesten Glyphosat-Hersteller Monsanto, heute Teil des Bayer-Konzerns. Die Protokolle des Vereins, auf die LobbyControl bei Recherchen gestoßen ist, liegen MONITOR vor. Danach entstand nicht nur die erste Studie über den Glyphosateinsatz in Deutschland unter finanzieller Förderung durch Monsanto. Auch für die zweite Studie, in der es um Bodenbearbeitung und Glyphosat geht, floss Geld von Monsanto. Wir wollen mit Professor Schmitz darüber reden, er aber nicht mit uns. Schriftlich teilt er uns mit:

Zitat: „Die Unabhängigkeit der Wissenschaft ist am Output zu messen, also an den Veröffentlichungen und deren Qualität.“

Kein Wort zum Geld von Monsanto. Scheinbar unabhängige Gutachten deutscher Wissenschaftler – international vermarktet – verdeckt finanziert von Monsanto. Für die Umweltaktivistin Carey Gillam, die sich seit Jahren mit den Lobbymethoden von Monsanto in den USA beschäftigt, kommt das nicht überraschend.

Carey Gillam, Umweltaktivistin (Übersetzung Monitor): „Ich habe bei meinen Recherchen über 21 Jahre gesehen, dass Monsanto dies anscheinend zur üblichen Praxis gemacht hat. Ich habe Dokumente, die zeigen, dass Monsanto Mitarbeiter dafür auszeichnete, dass sie heimlich an wissenschaftlichen Studien mitschreiben. Und sie sprechen darüber, wie sie diese Studien dann nutzen können, um Aufsichtsbehörden auf der ganzen Welt zu beeinflussen.“

Schmitz und seine Mitautoren verschwiegen nicht nur die Finanzierung ihrer Arbeit. Sie stellten ihre Ergebnisse zum Teil auch mit falscher Herkunft vor. Auf der 58. Deutschen Pflanzenschutztagung etwa tauchen die Autoren offiziell als Vertreter der Justus-Liebig-Universität Gießen auf. Die beiden Glyphosat-Studien werden später im Journal für Kulturpflanzen veröffentlicht, dem Fachjournal des zuständigen Bundesforschungsinstitutes, ebenfalls mit Verweis auf die Uni Gießen.

Prof. Christian Kreiß, Experte für Wirtschaftslobbyismus: „Also wenn eine wissenschaftliche Studie von Dr. Marlboro oder von Dr. Volkswagen oder Dr. Monsanto unterschrieben ist, glaubt das kein Mensch. Aber wenn ich mir jetzt einen Wissenschaftler an einer Uni suche – oder auch nur die Uni-Nähe – und als Institut mich so ausgebe, als wäre ich Universität Gießen. Wenn ich das also so ein bisschen vertusche, dann hat man natürlich die Integrität der Universitäten auf seiner Seite und dann hat das Wort ein völlig anderes Gewicht.“

Auch der Bayer-Konzern, zu dem Monsanto inzwischen gehört, verbreitete bis zuletzt eine der Studien von Professor Schmitz. Auf der weltweiten Infoseite zu Glyphosat tauchte sie als ganz normale Informationsquelle auf. Dabei müsste Bayer längst gewusst haben, dass die Studie von Monsanto mitfinanziert wurde. Denn hochrangige Vertreter des Unternehmens saßen jahrelang im Vorstand von Schmitz Verein für Agribusiness. Bayer erklärt dazu auf MONITOR-Anfrage, der fehlende Hinweis auf die Finanzierung der Studie entspräche nicht den Grundsätzen des Unternehmens. Aber:

Zitat: „Wir haben zum jetzigen Zeitpunkt keinen Anlass, an den Methoden, Inhalten oder Ergebnissen der Studien zu zweifeln.“

Ulrich Müller, LobbyControl: „Bayer muss jetzt offenlegen, welche Studien von Monsanto in Deutschland, aber auch darüber hinaus in Europa zu Glyphosat finanziert wurden. Und es muss sicherstellen, dass nicht in der weiteren Glyphosat-Debatte noch mal Studien verwendet werden als vermeintlich unabhängige Studien, die aber von Industrieseite finanziert werden.“

Die Lobbyschlacht in Brüssel, um das umstrittene Glyphosat weiter in der EU einsetzen zu können, läuft auf Hochtouren. Da sollte jeder wissen, woher die Argumente kommen.

Achim Pollmeier: „Wer Glyphosat einsetzt, stößt also weniger CO2 aus, heißt es in einer der Studien. Das Argument der Klimafreundlichkeit darf natürlich nicht fehlen.“

Kommentare zum Thema

  • Manfred 17.07.2020, 02:54 Uhr

    Liebe Mitmenschen, ich war gestern in einem Getreidefeld joggen,habe mich gewundert weshalb von dem reifen Getreide ein böser Geruch von Chemie rüber kam. Anwohner fragten mich ob ich Glyphosat inhallieren war und sagten mir, eine Woche vor der Ernte würde das " Unkrautvernichtungsmittel" gesprüht um ein gleichmäßiges abtrocknen des Getreides zu erreichen, also nichts mit Unkraut. Ich fand das so empörend, "GIFT AUF DEM ACKER" Deutschlandfunk vom 04.10.12 fand ich darauf hin im Netz, ich glaubte niemand weiß das. Einfach lecker das Brot. Wegen jedem Scheiß wird auf die Straße gegangen. :-(

  • Michael 04.01.2020, 15:11 Uhr

    Liebes Monitor-Team, anstatt hier einen Pseudoskandal hebeizureden, wäre es doch viel interessanter den Inhalt der Studie zu bewerten und nicht die einseitige Meinung von Umweltverbänden ungeprüft darzustellen. Warum findet in den Medien nicht ein fachlicher Austausch statt? So steht dieser Beitrag für genau das, was im Beitrag kritisiert wird - den Zuschauer zu beeinflussen.

  • Christ. Ton 30.12.2019, 16:37 Uhr

    Ps Und : Ein XXL "DANKE SCHÖN" geht noch an LOBBYCONTROL (KÖLN /EU), ich bin enorm froh und dankbar das es EUCH gibt!