Bericht: Nikolaus Steiner
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Georg Restle: "Zwei Wochen nach der Flutkatastrophe stehen Zehntausende jetzt vor den Trümmern ihrer Existenz. Und auch wenn die Hilfsbereitschaft groß ist, wissen viele nicht, wie es jetzt weitergehen soll. Auch deshalb, weil sie gegen die Folgen dieser Katastrophe nicht versichert waren. Weil Versicherungen sich immer wieder weigern, Hauseigentümern in Hochwassergebieten eine solche Versicherung anzubieten. Eine Versicherungspflicht würde hier helfen; aber dagegen wehren sich die Versicherungskonzerne seit Jahren mit aller Macht. Und haben damit bei der Politik Erfolg. Nikolaus Steiner."
Stolberg-Vicht bei Aachen. Ein Jahr harte Arbeit wurde hier von den Wassermassen zerstört. Vor drei Jahren hatten Claudia Creutz und Sascha Gillessen das alte Haus aus dem 19. Jahrhundert kernsaniert. Das Problem, es liegt direkt an einem Bach. Drei Jahre ist das gut gegangen – bis zu dieser Nacht.
Claudia Creutz: "Dann kam eine Flutwelle. Wir dachten ständig, dass Fenster brechen. Wir haben Autos vorbeischwimmen sehen, Wohnwagen. Ja, letztlich ist es hier so 1,60 m, 1,70 m hochgegangen."
Die Wände sind noch voller Wasser, ebenso wie das Fundament. Sie wissen nicht, ob und wann ihr Haus wieder bewohnbar sein wird. Fest steht aber, dass sie auf den Kosten sitzenbleiben, denn sie haben keine Versicherung. Mehrere hatten sie angefragt, keine wollte das Haus am Bach versichern, sagen sie.
Sascha Gillessen: "Wir haben uns natürlich auch selber Gedanken darüber gemacht, eine solche Versicherung abzuschließen, weil wir sind nicht so naiv zu glauben, dass Fluss am Haus keine Probleme bereitet. Wir haben es mit mehreren Versicherungsgesellschaften versucht. Das Problem war einfach, wir haben keine Versicherung letztendlich bekommen."
Keine Versicherung gegen Naturgefahren, weil die Versicherer sich weigern, weil Hausbesitzer keine wollen oder sie sich schlicht nicht leisten können – die Gründe sind vielfältig. In Deutschland sind weniger als die Hälfte der Gebäude umfassend gegen solche Elementarschäden versichert. Auch in den besonders betroffenen Bundesländern Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Verbraucherschützer fordern deshalb eine gesetzliche Versicherungspflicht.
Andrea Heyer, Verbraucherzentrale Sachsen: "Wenn wir eine gesetzliche Versicherungspflicht einführen, heißt dies, dass jeder Wohngebäudeeigentümer einen solchen Vertrag abschließen muss und der Versicherer einen solchen Antrag nicht ablehnen kann."
Die Bundeskanzlerin hält nichts von so einer Versicherungspflicht. Das machte sie bei ihrem Besuch im Katastrophengebiet deutlich. Die Versicherungen seien schlicht zu teuer.
Angela Merkel (CDU), Bundeskanzlerin, 18.07.2021: "Einfach mal mit einer verpflichtenden Versicherung – das kann zu sehr, sehr hohen Beträgen führen und die können dann überhaupt nicht aufgebracht werden."
Der Klimaökonom Reimund Schwarze vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung widerspricht. Er hat mit Experten vom Sachverständigenrat für Verbraucherfragen ein Versicherungspflichtmodell entwickelt, das bezahlbar ist und sozial verträglich. Konkret, bei einem Einfamilienhaus müssten die Eigentümer ca. 5,- Euro monatlich in Regionen mit geringem Risiko zahlen, und etwa 50,- Euro in Hochrisikogebieten. Voraussetzung, Eigentümer ergreifen präventive Maßnahmen – zum Beispiel speziell gesicherte Fenster – und dass es einen Selbstbehalt gibt.
Prof. Reimund Schwarze, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung: "Aber das ist nur möglich, indem wir die Republik als Ganzes versichern. Denn je kleiner das Kollektiv ist, umso größer wird die Prämie, umso höher wird die Prämie. Wenn es … wenn es alle sind, also wenn es gelänge, alle Gebäude oder nahezu alle Gebäude zu versichern, wird es sehr viel billiger."
Die Idee einer Versicherungspflicht ist nicht neu. Schon nach dem Elbe-Hochwasser 2002 wurde intensiv darüber diskutiert. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe wurde extra eingerichtet. Doch am Ende stand fest, es wird keine Versicherungspflicht geben. 2013 – wieder Überschwemmungen in mehreren Teilen Deutschlands. Wieder diskutiert eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe, und wieder das gleiche Ergebnis – es wird keine Versicherungspflicht geben. Juli 2021 – erneut eine Naturkatastrophe in Deutschland. Und die Justizminister:innen der Länder? Die wollen eine Pflicht zur Versicherung gegen Elementarschäden nun prüfen, mal wieder. Aber damals wie heute gebe es verfassungsrechtliche Bedenken. Das Argument, eine Versicherungspflicht sei ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Grundrechte, sowohl der Unternehmen als auch der Hausbesitzer. Rechtswissenschaftler Joachim Wieland widerspricht.
Prof. Joachim Wieland, Rechtswissenschaftler, Universität Speyer: "Grundrechtseingriffe sind zulässig, wenn sie verhältnismäßig sind. Das heißt vor allem, wenn sie für den Betroffenen zumutbar sind. Und in Zeiten drohender Klimakatastrophen und Schadensereignisse ist es für Eigentümer von Wohngebäuden aus meiner Sicht zumutbar durch den Abschluss einer Versicherung Vorsorge zu treffen und im Schadensfall dann nicht allein auf Hilfe des Staates angewiesen zu sein."
Auch der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft lehnt eine Pflichtversicherung als einzelnes Instrument ab. Sie nehme den Menschen den Anreiz, Vorsorge zu betreiben, die Risiken könnten für die Versicherer untragbar groß werden, heißt es. Versicherungsökonom Carsten Zielke überzeugt das nicht.
Carsten Zielke, Versicherungsökonom: "Die Versicherungswirtschaft ist darauf erpicht, weiterhin lukratives Geschäft zu schreiben. In dem Moment, wo sie keine Risikoselektion betreiben kann, wird die Profitabilität genommen. Bisher hat sich die Versicherungswirtschaft in der Abwehr einer Versicherungspflicht ganz eindeutig durchgesetzt."
Zurück in Stolberg-Vicht bei Aachen. Claudia Creutz und Sascha Gillessen wollen trotz allem hier wohnen bleiben, wollen anpacken, wieder alles aufbauen. Sie hoffen, irgendwann doch noch eine Versicherung zu bekommen – und dass sich eine solche Katastrophe nie wiederholt.
Georg Restle: "Was aber, wenn aus solchen Jahrhunderthochwassern aufgrund des Klimawandels Jahreshochwasser werden? Wer soll dann eigentlich für die Schäden bezahlen? Die Betroffenen? Die Allgemeinheit? Oder nicht doch eher die Verursacher dieses Klimawandels: Energieversorger, Autofahrer, Fluggesellschaften? Verursacherprinzip nennt sich das im deutschen Recht. Und das sollte eigentlich auch bei solchen Schäden gelten."
Kommentare zum Thema
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fÜR das versagen der verantwortlichen wird wie immer zu 100% der Bürger aufkommen müssen, den Hinterbliebenen der Opfer wird das bedauern ausgesprochen der rest wird ausgesessen.r.wolff