Monitor Nr. 585 vom 16.10.2008

Finanzkrise am Ende? Wer zahlt die Zeche?

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Bericht: Sascha Adamek, Andreas Orth, Markus Zeidler

Finanzkrise am Ende? Wer zahlt die Zeche? Monitor 16.10.2008 06:08 Min. Verfügbar bis 02.05.2999 Das Erste

Moderation Georg Restle: "Und jetzt zur Finanzkrise: Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber man kann sich schon wundern, wer sich da plötzlich alles als Retter der Republik aufspielt. Die gleichen Leute, die uns gestern noch erklärt haben, dass der Staat sich gefälligst aus der Wirtschaft herauszuhalten habe, predigen uns heute die Teilverstaatlichung der Banken. Quasi über Nacht wurden da aus Kasino-Kapitalisten Talkshow-Sozialisten. Und einige der Marktideologen, die den Karren gehörig in den Dreck gefahren haben, halten jetzt die Hand auf, wenn dieser bisher so verteufelte Staat mit Hunderten Milliarden in die Bresche springt. Geld, das nicht von den Verursachern der Krise kommt, sondern von uns Steuerzahlern.

Wie gerecht also ist das 500-Milliarden-Paket der Bundesregierung? Und werden Banker und andere Zocker in Zukunft tatsächlich an die kurze Leine genommen? Die Medien sollten gefälligst mitjubeln, wenn es um die Rettung der deutschen Banken geht, hatte Bundesfinanzminister Steinbrück diese Woche gefordert.

Sascha Adamek, Andreas Orth und Markus Zeidler haben mal ins Kleingedruckte des Rettungspakets geschaut – und sich dann doch anders entschieden."

Die Welt im Würgegriff der Finanzkrise. Jetzt soll es der der Staat richten. Nur er kann - wenn überhaupt - die Banken retten, heißt es - mit einem milliardenschweren Not-Programm.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: "Das Maßnahme-Paket der Bundesregierung dient der Stabilisierung des Finanzsystems. Es dient dem Schutz der Bürgerinnen und Bürger und nicht dem Schutz von Bankinteressen."

Wirklich? Das ist das Rettungspaket. 500 Milliarden Euro schwer. Alternativen dazu – laut Gesetzentwurf: Keine.

Ohne Alternative also - wie aber sieht es aus mit der Gerechtigkeit? Die Steuer-Milliarden der Bundesregierung sollen das Vertrauen zurückbringen in die Finanzmärkte. Steuergeld von uns Bürgern. Unser Geld, für Unternehmen die sich bei der Jagd nach immer höheren Renditen verzockt haben; die gigantische Gewinne eingefahren haben, und die jetzt - in der Not - nach dem Staat rufen.

Warum aber werden die Verursacher der Pleiten finanziell verschont?

Prof. Gustav Horn, Konjunkturforscher, Hans-Böckler-Stiftung: "Es ist eine schreiende Ungerechtigkeit, dass eine kleine Gruppe der Bevölkerung, die Banker, das Wohl der gesamten Volkswirtschaft gefährdet hat und die Volkswirtschaft jetzt dafür zahlen muss. Dabei gäbe es eine Möglichkeit, zumindest einen Teil Gerechtigkeit walten zu lassen, indem man eine Steuer einführt auf Kapitaltransfers, wo die Banken für jeden Transfer von Kapital einen Steuersatz zahlen müssen, der dann auch zur Stabilisierung des Finanzmarktsektors in Zeiten einer Krise herangezogen werden kann."

Eine Steuer auf Spekulationsgeschäfte? Kein Wort zu einer solchen Selbstbeteiligung der Banken an ihrer Rettung im Gesetzentwurf. Der Steuerzahler wird also ohne Not allein zur Kasse gebeten.

Das Multi-Milliardenpaket. Wie hoch ist unser Risiko? Die Bundesregierung will für die Banken bürgen und sich mit Steuergeld an maroden Banken beteiligen. Dieser Teil des Pakets ist wenig strittig. Eine der geplanten Maßnahmen jedoch wurde bislang öffentlich kaum wahrgenommen. Es mag an der Sprachregelung der Regierung liegen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: "Sofern es erforderlich werden sollte, wird der Fonds auch die Möglichkeit haben, den Finanzunternehmen Problemaktiva abzukaufen."

Problemaktiva? Der Kanzler-Code für faule Kredite, heute wertlose Papiere. Mit diesen Papieren haben die Banker uns in die Krise gezockt. Jetzt soll der Staat den Finanzschrott kaufen. Bad Bank nennt man das – eine Schrott-Bank. Ein hochriskanter Deal für uns Steuerzahler, eine solche Bad Bank.

Prof. Reinhard Schmidt, Internationales Bank- und Finanzwesen, Uni Frankfurt: "Die Idee einer Bad Bank, das heißt eines Finanzfonds, der von den Banken die schlechten Kredite und die schlechten Wertpapiere übernimmt, die Problematik liegt auf der Hand. Es bedeutet nämlich, dass die Banken all das, was nicht wertvoll ist, dahin abschieben und die guten Finanztitel für sich behalten. Und damit endet der Staat automatisch in einer schlechten Position."

Hohes Risiko für den Steuerzahler. Wie steht es da künftig um die staatliche Kontrolle der Banken? Die Regierung betont, die Staatshilfe gäbe es nicht umsonst. Das Steuergeld an die Banken sei an Gegenleistungen geknüpft.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: "So wird es zum Beispiel Auflagen zur Begrenzung der Managergehälter, zur geschäftspolitischen Ausrichtung des Instituts, zur Kreditvergabe an kleine und mittlere Unternehmen geben können."

Die Botschaft fürs Volk: Wenn sich der Staat an einer Bank beteiligt, um sie so zu retten, bestimmt er die Geschäftspolitik der Bank auch mit. Wirklich? Im Gesetzentwurf steht auf Seite vier ein Satz, dessen Tragweite sich nur dem Juristen offenbart.

Zitat: "Die §§ 65 bis 69 der Bundeshaushaltsordnung finden keine Anwendung."

Die Konsequenz:

Prof. Christian Pestalozza, Staats- und Verwaltungsrecht, FU Berlin: "Wenn der Bund sich an einem privatrechtlichen Unternehmen beteiligt, muss er sich nach der Bundes-Haushaltsordnung einen angemessenen Kontrolleinfluss sichern, zum Beispiel dadurch, dass er in gehöriger Weise in den Aufsichtsgremien vertreten ist und dort mit die gesellschaftsrechtlichen Entscheidungen bestimmen kann. Das neue Gesetz sieht derartiges nicht vor. Die Bundes-Haushaltsordnung ist insofern außer Kraft gesetzt. In welcher Weise der Bund sich seinen Einfluss also sichert, ist völlig offen."

Anders in England. Menschen, die Schlange stehen, um an ihr Erspartes zu kommen. Das soll es auch hier nie wieder geben. Doch ausgerechnet im Mutterland des Kapitalismus geht die Regierung viel radikaler vor. Keine vagen "Kann-Vorschriften" wie in Deutschland. Hier übernimmt der Staat konsequent das Kommando über die angeschlagenen Banken, setzt voll auf Verstaatlichung.

Der Milliarden-Plan – was macht er mit unserer Demokratie? Er hat das neue Gesetz maßgeblich gestrickt, Finanzminister Peer Steinbrück. Sollte das Parlament seinen Gesetzentwurf morgen unverändert abnicken, würde er sich selbst entmachten. Der Bundestag würde einen Blankoscheck ausstellen für die tatsächliche Verwendung der Steuermilliarden. Die Missachtung der parlamentarischen Haushaltsrechte - für Experten verfassungsrechtlich höchst bedenklich.

Prof. Christian Pestalozza, Staats- und Verwaltungsrecht, FU Berlin: "Das Gesetz ist, was die Art und Weise der Mittelverwendung und auch der Höhe der jeweilig eingesetzten Mittel anbelangt, außerordentlich zurückhaltend und schweigsam und ermächtigt das Finanzministerium an mehreren Stellen, Einzelheiten durch Rechtsverordnung zu regeln. Dabei ist diese Ermächtigung so weit gefasst und so unbestimmt gefasst, dass das den Anforderungen der Verfassung eigentlich nicht genügt."

Die Zeit drängt, die Regierung muss handeln. Keine Frage. Doch gerade in Krisenzeiten sind soziale Gerechtigkeit und parlamentarische Kontrolle von zentraler Bedeutung. Hoher Zeitdruck rechtfertigt nicht alles.

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