Bericht: Peter Onneken, Diana Löbl
Georg Restle: „Eine Unterkunft, die gerade mal Platz für eine Matratze hat. Ein Leben auf zwei Quadratmetern - und das alles im Auftrag eines der größten deutschen Unternehmen. Wir hätten das nicht für möglich gehalten. Für Kurierfahrer im Auftrag der Deutschen Post ist dies jedoch Alltag. Damit wir alle täglich unsere Briefe bekommen und damit die Post Millionen-Gewinne machen kann. Dafür müssen vor allem Fahrer aus Osteuropa in ihren Kleintransportern nicht nur arbeiten, sondern auch schlafen, essen, leben. Peter Onneken und Diana Löbl haben einen dieser Fahrer begleitet, unterwegs in Deutschland, in einem der reichsten Länder der Welt.“
Hamburg, später Abend. Wojteks Sprinter wird beladen mit Briefen. Er transportiert sie im Auftrag der Post. Wojtek selbst arbeitet für einen Subunternehmer. Er hat eine lange Nacht vor sich. Heute fährt er von Hamburg zum Frankfurter Flughafen. Pünktlich nach fünf Stunden und 55 Minuten muss er die Post abgeben, sonst gibt es Ärger. Er fährt fast jede Nacht.
Wojtek (Übersetzung Monitor): „Ja, die Arbeit ist sehr anstrengend. Meine biologische Uhr sagt mir, dass ich nachts schlafen soll. Nachts schlafen, ja. Normal.“
Geschafft. Pünktlich um 3:35 Uhr erreicht er das Internationale Postzentrum in Frankfurt. Jetzt fährt er weiter zu seinem heutigen Schlafplatz.
Wojtek (Übersetzung Monitor): „Bett, das Thema Bett. Ich habe hier so eine Matratze, aber wie zu Hause werde ich hier nie schlafen können.“
Keine Unterkunft, nicht einmal ein Bett. Wojteks Arbeitgeber stellt ihm lediglich dieses Brett zur Verfügung. Wojtek ist hier nicht alleine. In Frankfurt stehen viele Autos vor der Post, die für Subunternehmen fahren. Wie Wojtek schlafen und leben die Fahrer in ihren Autos. Der Sprinter als Schlafplatz, Küche, Badezimmer. Die meisten wollen nicht mit uns sprechen. Einer ist bereit, uns zu treffen. Nur unerkannt will er bleiben. Auch er schlafe in seinem Sprinter, erzählt er. Fast immer vor dem Briefzentrum der Stadt, in das er gerade liefert.
Fahrer: „In ganz Deutschland, komplett. Es gibt keine Orte, in die wir nicht liefern. Wir stehen in kleinen Städten, in großen Städten - in ganz Deutschland.“
Das sind die 82 Briefzentren der Post. Über 60 Millionen Briefe werden hier jeden Tag hin und her transportiert. Auch von Fahrern, die in ihren Autos leben. Auf die treffen wir in vielen Städten. Etwa in Berlin, Hamburg oder Leipzig, direkt auf dem Postgelände. In Nürnberg sehen wir viele dieser weißen Lieferwagen, die im Auftrag der Post unterwegs sind.
Renate Birkel, Betriebsratsvorsitzende, Deutsche Post, Nürnberg: „Ich bin traurig, dass Menschen so leben müssen, weil es doch eigentlich täglich vorkommt, dass Fahrer hier schlafen in den Autos.“
Früher hat die Post die Post noch selbst transportiert. Die Betriebsrätin erinnert sich an über 20.000 Fahrer - festangestellt. Heute sind es gerade noch 2.600. Der Rest wurde an Subunternehmer ausgelagert, das sei billiger. Dabei verdient die Post gerade im Briefgeschäft gutes Geld. Hier gibt es immer noch ein Defacto-Monopol. 90 Prozent Marktanteil. Macht für die Sparte 2015 satte 1,1 Milliarden Euro Gewinn. Und Experten schätzen, dass alleine die Portoerhöhung Anfang des Jahres mehrere hundert Millionen Mehreinnahmen einbringt. Zahlen, von denen Wojtek nur träumen kann.
Wojtek (Übersetzung Monitor): „Das Gehalt bei 20 Arbeitstagen beträgt 1.200 Euro. Davon wird mir 220 Euro für die AOK abgezogen und 300 Euro für Steuern. Also 980 Euro ... das macht 680 Euro.“
1.200 Euro im Monat? Für einen Vollzeitjob. Und dann auch noch 520 Euro Abzüge? Das kann nicht rechtens sein. Seit einem Jahr geht das schon so, sagt Wojtek. Bis heute habe er aber keinen schriftlichen Arbeitsvertrag, keine Lohnabrechnung. Seinen Arbeitgeber dürfen wir nicht darauf ansprechen, das müssen wir Wojtek versprechen. Der Arbeitgeber handle ganz klar gegen geltendes Recht, sagt der ehemalige Richter am Bundesarbeitsgericht Franz Josef Düwell. Er hätte längst einen schriftlichen Vertrag aufsetzen und Wojtek auch die langen Wartezeiten bezahlen müssen. Vor allem aber kritisiert Düwell die Unterkunft.
Prof. Franz Josef Düwell, Vorsitzender Richter a.D. am Bundesarbeitsgericht: „Wir haben seit 1896 eine Vorschrift im Bürgerlichen Gesetzbuch § 618 BGB. Und danach muss jeder Arbeitgeber für seinen Arbeitnehmer sorgen, dass bei der Verrichtung der Tätigkeiten keine gesundheitlichen Gefahren bestehen. Wenn man auf so einem Brett schläft, ist das sicherlich gesundheitlich abträglich.“
Und die Post? Sie spart mit dem Subunternehmersystem. Formal hat sie mit Arbeitsverhältnissen wie dem von Wojtek nichts zu tun, auch wenn sie nach dem Mindestlohn-Gesetz für zu wenig gezahlten Lohn mithaftet. Sprechen will die Post mit uns nicht. Erklärt schriftlich:
Zitat: „Die genaue Ausgestaltung der Arbeitsverträge und ggf. auch die Art der Unterbringung der Fahrer, […], obliegen dabei den jeweiligen Servicepartnern.“
Die Post sieht also keine Verantwortung. Dabei dürfte ihr die Lage der Fahrer bekannt sein. Oft schlafen sie auf dem Postgelände, nutzen sanitäre Einrichtungen, die die Post vor dem Outsourcing den eigenen Fahrern zu Verfügung gestellt hat.
Prof. Franz Josef Düwell, Vorsitzender Richter a.D. am Bundesarbeitsgericht: „Wenn man die Organisation vor der Outsourcing-Maßnahme anschaut, dann stellt man fest, es gab ja für die postinterne Erfüllung der Dienstleistung, diese sogenannten Überlager, die Unterkünfte für die Auslieferungsfahrer. Und es ist doch klar, wenn diese Organisationsstruktur nur fremd vergeben wird, dass auch weiterhin solche Unterkünfte benötigt werden. Man stellt sich hier bewusst unwissend und in Wirklichkeit ist man wissend. Das finde ich verwerflich.“
Wojtek hat inzwischen gekündigt. Er will jetzt für einen anderen Kurierdienst fahren und sich endlich eine Wohnung suchen. Doch viele andere Fahrer, die dafür sorgen, dass wir täglich Post bekommen, werden weiter in ihren Transportern schlafen und leben müssen.
Kommentare zum Thema
Mich würde interessieren, ob SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz und seine Partei diese Menschen und diese unsäglichen Verhältnisse im Blick haben. Und ob es ihm gelänge, diese Zustände abzustellen und nicht nur der Post mal richtig an die Testikel zu gehen. Ich fürchte aber, daraus würde nichts. Diese Fahrer sind ja nicht die einzigen, die in der Bundesrepublik mittlerweile unter unsäglichen Bedingungen ihr bescheidenes Geld verdienen. Das ist skandalös, unwürdig, und ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte.
Wer kennt Wojtek weiß, dass er ein Lügner ist. 80% was hat gesagt stimmt nicht. Noch frage zum Peter Onneken und Diana Löbl. Wieso Sie haben nicht mit anderen Fahrern sprechen?
Ich bin Monitor sehr dankbar für diesen Beitrag. Er hat mich zutiefst schockiert. Derzeit mache ich mich schlau über andere Zustellwege und die dortigen Arbeitsbedingungen.