MONITOR vom 20.02.2020

Einigkeit, Recht, Freiheit: Der Streit um das Kölner CSD-Motto

Bericht: Lara Straatmann

Einigkeit, Recht, Freiheit: Der Streit um das Kölner CSD-Motto Monitor 20.02.2020 06:34 Min. UT Verfügbar bis 30.12.2099 Das Erste Von Lara Straatmann

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Georg Restle: „Rechtsextremismus gleich Linksextremismus: Es ist eine verquere Diskussion, die wir in diesem Land führen. Klar ist: In der rechten Szene gilt praktisch jeder als linksextrem, der eine andere Meinung vertritt. Wie weit das geht, konnte man in den letzten Monaten hier in Köln mitverfolgen. Da gab es einen handfesten Streit um das diesjährige Motto des Christopher Street Days, eine der weltweit größten Schwulen- und Lesbenparaden. Einigkeit! Recht! Freiheit! sollte es heißen. Und sorgte für jede Menge Unruhe innerhalb der Community. Für AfD-Politiker und rechte Hetzer im Internet war dies ein gefundenes Fressen – für eine Kampagne auf Kosten von Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen. Eine ziemlich schäbige Kampagne – aber nach altbekanntem Muster. Lara Straatmann.“

Christopher Street Day in Köln. Eine Millionen Menschen kamen hier im vergangenen Jahr zusammen, um sexuelle Selbstbestimmung zu fordern und zu feiern. In diesem Jahr aber drohte alles anders zu kommen: Einigkeit! Recht! Freiheit! – das sollte das Motto des Kölner CSD für dieses Jahr sein – angelehnt an die deutsche Nationalhymne. Sie hatten sich das ausgedacht: Der Vorstand des Kölner Lesben- und Schwulentages wollte die Worte der Hymne mit den Zielen der Community verbinden – und nicht den Rechten überlassen.

Oliver Lau,  Vorstand Kölner Lesben- und Schwulentag: „Wir wollten die Deutungshoheit – das ist immer so ein schweres, staatstragendes Wort – aber tatsächlich, wir wollten die Deutungshoheit ein Stück weit wieder zurückholen zu uns, und diese drei Worte mit unseren Forderungen und Werten einfach besetzen.“

Das Motto schlug hohe Wellen. Es gab Protest von Links-Autonomen, aber auch in der Community fühlten sich viele vor den Kopf gestoßen.  Erik Flügge, SPD-Mitglied, verschaffte diesen Menschen Gehör und schrieb zusammen mit Gleichgesinnten einen offenen Brief.

Erik Flügge, Autor: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Land, das seit Anbeginn diese Nationalhymne hat. Und in dieser ganzen Zeit, in der es die Bundesrepublik Deutschland gibt, gibt es eine lange Phase, in der Menschen, die schwul oder lesbisch sind, erlebt haben, dass sie von der Polizei verfolgt wurden. Ich verstehe vollkommen, dass jemand, der sagt, unter dieser Hymne bin ich schon mal verfolgt worden, dementsprechend will ich unter dieser Hymne nicht für meine Rechte demonstrieren.“

Klaus Schirdewan hat Verfolgung erlebt. Mit 17 Jahren ist er mit einem Mann auf der Toilette erwischt und verurteilt worden. Zwei Jahre musste er eine Therapie machen, so sollte er „von der Sünde befreit“ werden.

Klaus Schirdewahn: „Die Polizisten waren junge Polizisten. Aber die haben einen behandelt, als wenn man dann der größte Schwerverbrecher war. Und wenn man dann noch in die ganze Maschinerie reinkommt mit … mit dem Fotografieren, Fingerabdrücken, da denkt man, die Welt geht unter und man ist der schlimmste Verbrecher, den es gibt.“

Schmerzhafte Erinnerungen. Auch Klaus Schirdewan hatte deshalb Probleme mit dem CSD-Motto. Bedenken, die schließlich Gehör fanden. Nach emotionalen Diskussionen zog der Vorstand des CSD das Motto wieder zurück.

Oliver Lau,  Vorstand Kölner Lesben- und Schwulentag e. V.: „Das waren die leisen Töne, die leisen Gespräche, fast private Gespräche, die wir geführt haben mit vielen Menschen und Gruppen, die uns davon, … also, die uns ihre Probleme schilderten und von ihren Problemen erzählt haben, die sie mit diesem alten Motto hatten.“

Doch nun ging die Debatte erst richtig los. Die AfD entdeckte das Thema für sich. Die Rücknahme des Mottos für Bundessprecher Jörg Meuthen eine

Zitat: „… Kampfansage gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung, es sei Zeit für den Bundesverfassungsschutz, die Verfassungsfeinde dort zu suchen, wo sie sich tatsächlich und für jedermann gut sichtbar tummeln.“ 

Das Narrativ der angeblichen Verfassungsfeinde wird im Netz tausendfach wiederholt. Die AfD-Fraktion NRW meint:

Zitat: „Der Veranstalter lässt sich von Linksradikalen vor den Karren spannen.“

Die familienpolitische Sprecherin der AfD in Nordrhein-Westfalen warnt:

Zitat: „CSD-Veranstalter in Köln knickt vor links-grünem Gesinnungsterror ein!“

Oliver Lau,  Vorstand Kölner Lesben- und Schwulentag e. V.: „Die AfD sagt, weil der Kölner CSD nicht mehr einen Satz aus der Nationalhymne als Motto haben möchte, sei er gegen die Verfassung. Ist vollkommener Quatsch. Also wenn irgendeine Community richtig für diese Verfassung, für „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ steht, dann ja wohl diese Community, die genau diese Rechte immer einfordert. Warum machen die das? Das ist doch die spannende Frage. Warum machen die das? Die machen das, weil sie selber ein massives Problem mit dem Verfassungsschutz und der Verfassungstreue haben, weil wir genau wissen, dass es Gruppen gibt innerhalb der AfD, die als verfassungsfeindlich eingestuft werden.“

Auch Publizisten vom rechten Rand steigen in die Kampagne ein:

Zitat: „Wahnsinn der Massen oder wie radikale Minderheiten der Mehrheit die Meinung aufzwingen.“

Im Artikel dazu wird die ganze Community als linke Diktatur beschimpft:

Zitat: „Die öffentliche, schwule Szene in Deutschland gilt als linkes Vorfeld, in dem  niemand etwas ohne das Plazet der linken Diskurswächter tun oder unterlassen darf.“

Diese Kampagne ist für Erik Flügge ein typisches Beispiel, wie die AfD und rechte Meinungsmacher versuchen, gesellschaftliche Debatten an sich zu reißen und dabei zu spalten.

Oliver Lau,  Vorstand Kölner Lesben- und Schwulentag e. V.: „Das macht die ja nicht nur mit der Kölner Community, das macht die ja auch mit der Frage von Ausländerkriminalität und allen möglichen Themen. Die AfD wiederholt beständig Übertreibungen, Verzerrungen und sorgt damit, dass sie sich in den Köpfen festsetzen.“

Gedenken an die in der NS-Zeit ermordeten Lesben und Schwulen. Sie erinnern daran, was in dieser Debatte verloren ging – die jahrelange Verfolgung. Das plötzliche Interesse der AfD und rechtskonservativer Meinungsmacher an ihrem CSD, empört viele hier.

Michael Zgonjanin: „Für mich ist das eine große Heuchelei, weil alle diese Leute, all diese, die in vierzig/fünfzig Jahren nichts dazu getan habe, damit wir heute hier a) entkriminalisiert sind, damit wir b) gleichberechtigt sind. Und damit wir c) die gleichen Rechte haben wie alle anderen Menschen. Und immer an all den Stellen, wo wir das angefordert haben, haben diese Leute dem widersprochen.“

Das neue Motto soll jetzt alle mitnehmen, die das Grundgesetz verteidigen. Es lautet: „Für Menschenrechte!“

Georg Restle: „Und das ist auch gut so.“

Kommentare zum Thema

  • R. Henske 25.02.2020, 21:11 Uhr

    Wenn Betroffene aus der Community mit dem Motto"Einigkeit, Recht, Freiheit" wegen persönlichen negativen Erlebnissen in ihrer Jugend ein Problem haben, dann sollte man es akzeptieren. Dass diese Menschen von der AfD mit den Links-Autonomen dann in einen Topf geschmissen werden, erinnert mich an die CDU, die auch Bodo Ramelow und Björn Höcke in einen Topf schmeißen. Dass ist eben konservative, bürgerliche Einfachheit.

  • Alex Sommer 22.02.2020, 21:30 Uhr

    Nicht jeder Homosexuelle fühlt sich von der hier wiederholt beschworenen "Community" und dem CSD repräsentiert. Gleichwohl gibt es aber gemeinsam eine Antenne gegenüber Schwulenfeindlichkeit und -Verfolgung durch staatliche Stellen in der Vergangenheit bis in die Gegenwart, gerade auch vertreten durch rechtskonservative und klerikale Kreise. Die schlichtweg menschenverachtend ist. Die Frage ist nur, inwieweit das tatsächlich noch identisch mit "schwarz-rot-gold" ist. Weiterhin auffällig ist das immer wieder hervorgehobene "schwul-lesbische", allein nur: Lesben kann ich da nur selten vernehmen, zu Wort kommen hier ausschließlich Schwule. Zur AfD ist zu sagen, dass sie einerseits mit Alice Weidel immerhin eine offen lesbische Frontfrau hat. Zum anderen ist die AfD sich aber auch nicht zu schade, in Berlin etwa Schwule gegen Muslime zu instrumentalisieren, und vertritt hier einen rechtspopulistischen Standpunkt wie es gerade recht und opportun erscheint.

  • Kalle Wirsch 21.02.2020, 15:27 Uhr

    Es wird in Einigkeit in bunten Paraden marschiert. Das ist das gute Recht von Schwulen und Lesben und allen, die mitfeiern. Die CSD-Veranstaltungen sind gelebte Freiheit. Insofern ist gegen dieses Motto absolut nichts einzuwenden. Sicher hat unser Staat homosexuellen Menschen über lange Zeit viel Unrecht zugefügt, gerade deswegen ist es ein großer Erfolg, wenn sich die LGBTIQ-Community die drei Schlagworte Einigkeit, Recht, Freiheit als heute selbstverständliches Motto zu eigen macht. Schwule und Lesben werden nicht nur von Rechtsaußen beschimpft. Sie sehen sich Anfeindungen von Rechtsaußen über die Mitte bis Linksaußen ausgesetzt und auch religiöse Gruppierungen halten kräftig mit. In eben diesem Spektrum tummeln sich statistisch gesehen ca. 10%+ verkappte Homosexuelle. Man muss zudem in schwul/lesbischen Kreisen nicht so tun, als ob man es mit der Toleranz so wichtig nimmt, wie man sich dies auf die eigenen Fahnen schreibt. Vor allem Lesben forcieren gerne einen Geschlechterkampf.