Bericht: Achim Pollmeier, Lara Straatmann, Lutz Polanz
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Georg Restle: „Und damit wären wir bei dem Mann, der sich seit Monaten als härtester Hund im Kampf gegen Corona inszeniert, der bayerische Ministerpräsident Markus Söder. Dass er damit Erfolg hat, zeigen seine Zustimmungswerte. Allerdings droht seine Inszenierung jetzt erheblich an Überzeugungskraft zu verlieren. Fast tausend positiv auf Corona Getestete, die nicht über ihr Testergebnis informiert wurden, und Tausende weitere anstecken konnten. Nein, das ist keine bedauerliche Panne, sondern das hat durchaus System. Und dieses System hat einen Namen: Markus Söder. Achim Pollmeier, Lara Straatmann und Lutz Polanz.“
Markus Söder. Bayerischer Landesvater, Feldherr in der Corona-Krise.
Markus Söder, Ministerpräsident Bayern: „Ich werde alles tun, damit Bayern durch diese Krise so gut wie möglich kommt.“
Die Botschaft: Nur wer Krisen meistert, kann Kanzler.
Markus Söder, Ministerpräsident Bayern: „Das Entscheidende ist, dass wir ein bisschen auch Trendsetter sind jetzt. – Wir hatten in den letzten Tagen immer das Problem, dass zu viel Zögern da war. Deswegen habe ich für Bayern entschieden, voran zu gehen. – Wir vertrödeln keine Zeit, wir dürfen nicht nur debattieren, wir müssen entscheiden, wir müssen handeln. – Föderalismus bedeutet manchmal, dass einer ein bisschen mehr vorangeht. – Und so schnell und so direkt hilft im Moment nur der Freistaat Bayern.“
Markus Söder geht voran! In Deutschland, und selbst bei der Bundeskanzlerin. Seit Ausbruch der Corona-Krise will er vor allem eines: Schneller und besser sein als die anderen.
Prof. Ursula Münch, Akademie für politische Bildung, Tutzing: „Er ist ein Mann des Wettbewerbs und Wettbewerb heißt, sich mit anderen messen, besser sein als die anderen und auch besser inszenieren und bei den Leuten, ja, glamouröser ankommen, als der Rest der Republik.“
Heribert Prantl, Süddeutsche Zeitung: „Es ging ihm immer darum, wie stehe ich selber hervorragend da, wie inszeniere ich mich selber? Und diesem Ziel hat er vieles andere untergeordnet, auch die Kooperation mit den anderen Bundesländern.“
Der erste sein, vorpreschen. Ende Juli verkündete der Ministerpräsident kurzfristig, an den Autobahnen Teststationen für Reiserückkehrer einzurichten.
Markus Söder (CSU ), Ministerpräsident Bayern: „Wir bieten das jetzt an, um dort ein schnelles Ergebnis auch zu haben, leiten es auch weiter. Es können sich auch Leute testen lassen, die nicht aus Bayern sind.“
Dabei planten auch andere Bundesländer Testzentren für Reiserückkehrer, Schleswig-Holstein etwa. Experten finden das sinnvoll, Söder aber wollte offenbar der Erste sein. Die Gesundheitsministerin musste es umsetzen, das Rote Kreuz hatte nur einen Tag, um die Teststationen einzurichten. Am Ende das Fiasko, zehntausende Reisende bekamen über Tage keinen Bescheid. Davon hatten sich fast 1.000 Menschen mit Corona infiziert – manche wissen es bis heute nicht. Die Regierung sagte zunächst, der Fehler liege bei den freiwilligen Helfern. Doch mit nur einem Tag Vorlauf war eine solide Datenerfassung schlicht nicht möglich.
Wolfgang Obermair, Bayerisches Rotes Kreuz, 13.08.2020: „Das ärgert natürlich das Ehrenamt ganz massiv und die wünschen sich natürlich, dass das auch klar gestellt wird, wer der Verursacher dieses Chaos war.“
Der Verursacher des Chaos? Markus Söder spricht von einer Panne, die mit ihm nichts zu tun habe.
Markus Söder, Ministerpräsident Bayern: „Es war eine große Panne in der Umsetzung, nicht in der Strategie.“
Prof. Ursula Münch, Akademie für politische Bildung, Tutzing: „Ihn kümmert nicht, wie das umgesetzt wird. Er ordnet an, er empfiehlt dieses und jenes zu tun, die Ressortchefs, die Ressortchefin, Frau Huml, soll sich dann darum kümmern, die entsprechenden Ämter. Mit den Details muss sich ein Ministerpräsident nicht auseinandersetzen.“
Heribert Prantl, Süddeutsche Zeitung: „Nun ja, er hat sich entschuldigt für einen Fehler, aber richtiger wäre, dass er einsieht, dass durch Vorpreschen nichts Gutes getan ist, sondern dass man sich abstimmen muss.“
Gestern Mittag im bayerischen Landtag. Vor dem Gesundheitsausschuss muss die Gesundheitsministerin zugeben, dass sie über Fehler an den Autobahnstationen schon zwei Tage früher Bescheid wusste, als sie bisher eingeräumt hatte. Die Opposition hätte gern auch Markus Söder befragt. Die Regierungsparteien lehnen ab, für die Ministerin ist die Sache abgehakt.
Melanie Huml, Gesundheitsministerin Bayern, 19.08.2020: „Es ist keine der Fragen offen geblieben. Und deswegen können wir auch weiter nach vorne schauen und entsprechend weiter die Corona-Pandemie, entsprechend hier uns kümmern um die Eingrenzung.“
Problem gelöst? MONITOR-Recherchen zeigen nun: Das Fiasko mit den Tests dauert an, zumindest an bayerischen Flughäfen. Heike Hierl kam letzten Freitag mit ihrer Familie aus Mallorca zurück, alle vier ließen sich am Flughafen Nürnberg freiwillig testen. Seither warten sie auf ihr Ergebnis. Anrufe beim Testzentrum landen im Nirwana.
Heike Hierl: „Ich bin natürlich entsetzt, wir haben ja geduldig drei Tage abgewartet. Es war für uns in Ordnung, auch wenn es ein anderes Versprechen gibt, also eigentlich innerhalb 24 Stunden. Aber am dritten Tag wollten wir dann schon mal irgendwie wissen, wie der Sachstand ist. Und – wie gesagt – jetzt haben wir den fünften Tag und ich habe es noch nicht geschafft, dass ich mal mit jemanden drüber reden kann.“
Und Familie Hierl ist damit nicht allein. Auf Anfrage räumt der Test-Dienstleister ein, dass allein am Flughafen Nürnberg mehrere hundert Ergebnisse verspätet oder noch gar nicht mitgeteilt wurden. Was wusste die bayerische Staatsregierung? Wie viele Menschen sind auf den bayerischen Flughäfen betroffen? Eine detaillierte MONITOR-Anfrage ließ das Ministerium unbeantwortet. Ob Autobahnen oder Flughäfen, für das Chaos bei den Corona-Tests will Söder keine Verantwortung übernehmen. Hauptsache schnell – auch wenn die Maßnahmen medizinisch umstritten sind. Wie bei einem anderen Coup, den freiwilligen Corona-Tests für alle Bayern. Wieder preschte Söder vor, gegen die bundesweite Teststrategie, die sich vor allem auf gefährdete Menschen beschränkt.
Markus Söder, Ministerpräsident Bayern, 30.06.2020: „Unser Testkonzept lautet: Schneller – kostenlos und für jedermann!“
Schneller – kostenlos, für jedermann, das heißt: Hausärzte wie Oliver Abbushi sollen in Bayern verdachtsunabhängig testen. Jeder soll oder darf sich testen lassen, mit oder ohne Symptome, mit oder ohne Verdacht. Die Hausärzte traf das völlig unvorbereitet. In dieser Praxis werden jede Woche 50 bis 60 solcher Patienten getestet. Bis jetzt war kein einziger von ihnen Corona-Positiv.
Dr. Oliver Abbushi, Bayerischer Hausärzteverband: „Wir sind jetzt so, dass wir zwei, fast drei Stunden täglich eigentlich nur mit symptomlosen Corona Patienten oder Bürgern eigentlich zu tun haben. Deswegen müssen wir ja auch ein bisschen aufpassen, dass wir nicht unsere chronisch Kranken, die, die wir eigentlich versorgen, dass die nicht hier zu kurz kommen und deswegen: So wie er jetzt aufgestellt ist, macht der Massentest keinen Sinn.“
Nicht nur Hausärzte, auch der Bundesverband der Akkreditierten Labore in der Medizin schlägt Alarm. Man fürchtet, dass die bayerische Teststrategie die Labore „an ihre Kapazitätsgrenzen” bringt, dann gebe es „keine Reserven mehr für weitere Hotspots.” Markus Söder ficht das nicht an. Dabei kritisieren auch Epidemiologen das weitflächige Testen der gesamten Bevölkerung.
Prof. Markus Scholz, Epidemiologe, Universität Leipzig: „Weil man aktuell dort sehr wenig positive Fälle erwarten würde, da ist also ein schlechtes Verhältnis von Aufwand und Nutzen. Zum anderen ist es so, dass man, wenn man wirklich die Tests deutlich ausweitet, man auch tatsächlich die Zahl der falschpositiven Tests erhöht, was dazu führen könnte, dass die Infektionszahlen, die wir haben, verfälscht sein könnten. Deswegen ist es aus epidemiologischer Sicht tatsächlich sinnvoll, Risikogruppen zu testen und nicht die gesamte Bevölkerung.“
Sinnvoller wäre es sicher gewesen, verstärkt hier zu testen, bei Erntehelfern. Im Agrarland Bayern sind viele Saisonkräfte aus Osteuropa eingesetzt, arbeiten dicht an dicht, leben in solchen Gemeinschaftsunterkünften. Doch für mehr Tests bei Erntehelfern sah man im Musterland Bayern lange keinen Anlass. Auch nicht, nachdem sich auf einem Spargelhof im Juni über 90 Mitarbeiter infiziert hatten. Zuletzt ein weiterer Fall in Mamming. Auf diesem Gemüsehof infizierten sich mehr als 250 Saisonarbeiter. In der Folge steckten sich 200 weitere Menschen an, vor allem Mitarbeiter einer Konservenfabrik. In Bussen wurden die Erntehelfer dicht gedrängt auf die Felder gebracht und wohnten zu mehreren in engen Containern – trotzdem keine Tests. Es habe schließlich ein Hygienekonzept gegeben, sagt nun die Landesregierung. Und:
Markus Söder, Ministerpräsident Bayern, 27.07.2020: „Es ist auch so, dass wohl in dem konkreten Betrieb – so ist nach Angaben des Landrats und der Regierung von Niederbayern das Hygienekonzept kontrolliert wurde.“
Kontrollen? Wir nehmen Kontakt mit einem der Arbeiter auf. Auch er wurde infiziert, inzwischen ist er zurück in Rumänien. Er wirft dem Landwirt und auch den Behörden schwere Versäumnisse vor. Niemand habe auf Einhaltung von Corona-Schutzmaßnahmen geachtet, sagt er.
Vasile Stan, Erntehelfer (Übersetzung Monitor): „Nein, niemand war in unseren Unterkünften, niemand hat die Busse kontrolliert, niemand hat irgendetwas kontrolliert. Da bin ich 100 Prozent sicher. Und es gab vor dem Ausbruch auch keine Corona-Tests. Erst nachdem sich herausgestellt hatte, dass zwei Frauen an Corona erkrankt sind, kamen sie zum Testen.“
Auf Nachfrage teilt das Landratsamt uns mit, man habe im Mai das Hygienekonzept kontrolliert. Doch danach, keine Kontrollen und auch keine Tests.
Ruth Waldmann (SPD), gesundheitspolitische Sprecherin: „Wir haben bereits Mitte Mai die Staatsregierung aufgefordert, auf die Erntehelfer zu achten und hier auch zu testen. Das wurde abgelehnt, da wurde gesagt, das braucht es nicht, das ist überflüssig, und jetzt haben wir den Salat.“
Jetzt hat Bayern verfügt, dass Erntehelfer zum Arbeitsantritt einen negativen Corona-Test vorweisen müssen. Da sei man übrigens Vorreiter. Die Botschaft ist klar: Trotz aller Fehler geht Söder weiter voran.
Heribert Prantl, Süddeutsche Zeitung: „das sich selbst inszenieren in dieser Sucht als potenzieller Kanzlerkandidat gut da zu stehen, ist vielleicht politisch und strategisch verständlich. Aber es ist im Rahmen der Corona-Bekämpfung schädlich.“
Markus Söder, ist der lauteste Corona-Bekämpfer Deutschlands wirklich besser als alle anderen – oder doch eher ein Scheinriese?
Georg Restle: „Geschwindigkeit vor Gründlichkeit, politisches Kalkül vor Gesundheitsschutz und lieber laut statt nachdenklich. Ob das alles noch kanzlertauglich ist, ist dann die nächste Frage.“
Kommentare zum Thema
Nicht mehr zu ertragen Herr Söder!
Die Verlogenheit des bayrischen Politiker Söder ist nicht mehr zu ertragen
Stimmt wohl, aber was zahlte Laschet für den Beitrag ;) ?