MONITOR vom 17.06.2021

Corona-Pandemie: Wer zahlt für die Krise?

Bericht: Herbert Kordes

Corona-Pandemie: Wer zahlt für die Krise? Monitor 17.06.2021 07:10 Min. Verfügbar bis 30.12.2099 Das Erste

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Georg Restle: „Und trotzdem kann man so etwas wie eine Zwischenbilanz ziehen. Wer sind in diesem Land die Verlierer und wer die großen Gewinner der Krise? Soviel scheint mittlerweile festzustehen, viele DAX Konzerne gehören ganz offensichtlich zu den großen Profiteuren der Pandemie. Die Börsenkurse steigen und sogar Dividenden wurden ausgeschüttet – trotz oder wegen reichlich Staatshilfen. Traumhafte Zeiten für die Superreichen. Alpträume dagegen für Kleinunternehmer*innen, die auch weiterhin von blanken Existenzängsten geplagt sind. So wie diese Friseurin, deren Hilferuf wir Ihnen am Anfang der Sendung gezeigt haben. Herbert Kordes hat sie besucht und zieht Bilanz.“

Seit einem Jahr geht sie mit ihrem Friseurgeschäft durch die Hölle, sagt Bianka Bergler. Lockdown, Geschäftsschließungen, Kurzarbeit. Soforthilfen und Spenden hätten die Umsatzeinbußen nicht auffangen können – und dann gab’s auch noch Probleme beim Hartz-IV-Antrag. Anfang des Jahres habe ihr Geschäft kurz vor der Pleite gestanden. Dann machte sie ihrer Verzweiflung öffentlich Luft.

Videoausschnitt: „Wo seid ihr? Wo sind Eure Hilfen? Wo ist der Staat, wenn man ihn braucht…? (…) Es geht hier nicht um ein paar Schuhe, sondern es geht um Lebensmittel. Es geht um essentielle Dinge wie Butter und Brot und Wasser! Wo ist die Hilfe, wenn man sie braucht?“

Das Video wurde später millionenfach geteilt.

Bianka Bergler: „Das zu sehen, erschreckt mich total. Aber ich weiß genau, wie ich mich in dem Moment gefühlt hab und nicht nur ich, ganz viele andere Unternehmer, denen es genauso ging. Das war wirklich eine aussichtslose Situation für viele, viele Unternehmer, und man hat sich extrem allein gelassen gefühlt. Und dem habe ich einfach mal freien Lauf gelassen.“

Heute – fünf Monate später – ist die Lage noch immer weit entfernt von „normal“. Wegen der Rückzahlung der Soforthilfe drohten neue Schulden, einige ihrer Leute noch immer in Kurzarbeit, weil die Hygienevorschiften nur halb so viele Kunden im Laden erlaubten wie üblich. Es ist ein permanenter Drahtseilakt – seit mehr als einem Jahr. Sorgen, die DAX-Konzernen wie BASF, BMW oder Daimler völlig fremd sind. Daimler-Chef Ola Källenius verkündete Ende März während der virtuellen Hauptversammlung:

Ola Källenius: „Unser Ergebnis stieg um 53 Prozent auf 6,6 Milliarden Euro.“

Und Daimler war nicht allein. Während viele Kleinbetriebe unter der Krise stöhnen, verdienen viele der 30 DAX-Konzerne prächtig. Im Vergleich zum ersten Quartal 2020 stieg das addierte Ergebnis vor Steuern in diesem Jahr auf 41,8 Milliarden Euro – plus 97 Prozent.

Prof. Marcel Fratzscher, Präsident Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): „Viele der Unternehmen sind Krisengewinner, haben durch die Pandemie profitiert, vor allem letztlich durch die Unterstützung der Politik. Es wurden Wirtschaftsprogramme aufgelegt von vielen, vielen hundert Milliarden Euro – auch in Deutschland. Die Zentralbanken haben die Zinsen gesenkt, haben sehr viel Liquidität im Markt gegeben. Und diese Wirtschaftshilfen sind ganz entscheidend dafür, dass Unternehmen sehr große Gewinne machen konnten und auch sehr stark an Wert gewonnen haben”.

Davon kann dieser Mann nur träumen. Thomas Franz steht das Wasser bis zum Hals. Er hat einen Fruchtgroßhandel auf dem Berliner Großmarkt, beliefert Uni-Mensen, Schulen, Restaurants. Sie alle schlossen vergangenes Jahr – und sein Geschäft brach schlagartig ein. Die staatlichen Hilfen hätten in keinem Monat gereicht, um sein Defizit auszugleichen, sagt er.

Thomas Franz: „Wenn man über viele Monate Defizite hat, also minus schreibt, dann fließt irgendwann das Kapital aus einem Unternehmen ab, selbst, wenn man Reserven hat. Und wir sind jetzt im 16. Monat und wenn das jeden Monat ein paar Zehntausend Euro minus sind, wer, wer soll so viel Geld übrig haben?”

50 Beschäftigte hatte er vor der Pandemie, heute sind es noch gut die Hälfte. Die monatliche Miete von rund 25.000,- Euro habe man ihm vorübergehend gestundet. Er selbst zahle sich ein Drittel weniger Gehalt aus, sagt er – und bis das Geschäft wieder normal laufe, dauere es sicher noch ein paar Monate. Am Ende, sagt Thomas Franz, werde er vor einem großen Berg Schulden stehen.

Thomas Franz: „Das geht mit Sicherheit in mehrere Hunderttausend Euro, drei, vier Hunderttausend Euro bestimmt, die ich persönlich irgendwann wieder zurückarbeiten muss. Und nun bin ich nicht mehr 23, also, das wird für mich eine ganz schwierige Zeit, ob ich das überhaupt schaffe.“

Staatliche Hilfen und Kurzarbeitergeld haben bei vielen kleinen Unternehmen nicht gereicht, um sie zukunftsfest zu machen. Ganz anders bei vielen DAX-Konzernen, zig Millionen Euro Kurzarbeitergeld vom Staat mehrten hier die Gewinne – und die Dividenden für die Aktionäre.

Dr. Dominik von Achten, Heidelberger Cement: „...nach dem Rückschlag auf die 60 Cent letztes Jahr, haben wir dieses Jahr wieder auf 2,20 € einen Schnaps drauflegen können“.

Noch einen Schnaps drauf. Höhere Dividenden auf Kosten der Steuerzahler? Immerhin hat der Bund für die Kurzarbeit für 2020 und 21 geschätzt bis zu 24 Milliarden Euro aus Steuermitteln zugeschossen.

Thomas Küchenmeister, Facing Finance e. V.: „Wenn ein Unternehmen dann Kurzarbeit beantragt, dann landet sozusagen das Kurzarbeitergeld in Form von Dividenden auf den Konten der Aktionäre. Hier läuft was schief. Und ich denke, wenn die Bundesregierung da jetzt nicht zukünftig, oder zukünftige Bundesregierungen nicht handeln, dann werden immer die Arbeitnehmer und die Steuerzahler die Dummen sein und die Aktionäre die, die am Ende die Gewinner sind.”

Aktionäre als Gewinner. Dazu zählen in Deutschland vor allem die Superreichen, die auch vom Börsenboom großer DAX-Konzerne besonders profitieren. Als „Ultrareich“ gelten Menschen mit einem Finanzvermögen von mehr als 100 Millionen US-Dollar. Ihre Zahl stieg in Deutschland allein 2020 um 170 – auf geschätzte 2.900. Weltweit ist das Platz drei.

Prof. Marcel Fratzscher, Präsident Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): „Sind vor allem die Menschen mit extrem großen Vermögen, die die Gewinner der Pandemie sind. Wir sehen, dass bei den Milliardären fast 100 Milliarden Euro an zusätzlichem Vermögen dazu gekommen ist, weil diese Menschen Unternehmen und Immobilien besitzen.”

Doch wie weit werden die Gewinner der Krise auch an deren Kosten beteiligt? Mehr als 500 Milliarden Euro zusätzlicher Schulden wird Corona absehbar verursachen. Wer soll das am Ende schultern?

Prof. Marcel Fratzscher, Präsident Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): „Vor allem bei den Unternehmen wird kein Weg daran vorbeiführen, dass die starken Unternehmen sich stärker steuerlich beteiligen. Es führt kein Weg daran vorbei, dass auch die Menschen mit hohen Einkommen einen höheren Anteil leisten und auch dass vor allem Vermögen einen höheren Beitrag leisten“.

Mehrbelastung von profitablen Großunternehmen und Superreichen, auch um Unternehmer wie Thomas Franz vor dem Aus zu bewahren. Vor allem bei vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen sehen Ökonomen in den kommenden zwei Jahren das Risiko einer Pleitewelle. Für ihn eine Horrorvorstellung. Sein Großvater gründete den Betrieb, dann übernahm sein Vater, dann er.

Thomas Franz: „Ich bin die dritte Generation und die vierte steht sozusagen parat. Man möchte einfach nicht derjenige sein, der das beenden muss, der diese Kette, die sich so toll aufgebaut hat, beenden muss, weil man es … man hat dann auch irgendwo das Gefühl, man ist da daran gescheitert, obwohl es – objektiv betrachtet – nicht in meinen Händen liegt, was hier gerade passiert.”

Kommentare zum Thema

  • Marie 25.07.2021, 11:22 Uhr

    Wer zahlt für die Krise ? Die Antwort liegt doch auf der Hand: Die kleinen Leute natürlich, , die aus ihrer schmalen Geldbörse dann auch noch per GEZ die durchweg fürstlich luxuriös alimentierten roten Socken im verschnarchtem Staatsfunk alimentieren müssen, obwohl sie durch sein grottenschlechtes Trash-Programm allesamt bereits von der ÖRR-Glotze vertrieben worden sind. Keiner benutzt das Volk so sehr als Melkkuh, wie die Life-Style-Linken im Staatsfunk, nämlich in Höhe exorbitant EURO 8,5 Md GEZ p.A.

  • Servus 22.07.2021, 11:58 Uhr

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  • Monika 22.07.2021, 08:29 Uhr

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