MONITOR vom 29.07.2021

Corona: Freiheit für alle oder nächste Welle?

Bericht: Jan Schmitt, Elke Brandstätter, Frank Konopatzki

Corona: Freiheit für alle oder nächste Welle? Monitor 29.07.2021 08:03 Min. UT Verfügbar bis 30.12.2099 Das Erste Von Jan Schmitt, Elke Brandstätter, Frank Konopatzki

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Georg Restle: "Die Hochwasserkatastrophe hat ein Thema in den Hintergrund gedrängt, das uns in den letzten 18 Monaten beschäftigte, wie kaum ein anderes: Corona. Für viele fühlt es sich ja so an, als sei die Pandemie irgendwie vorbei. In London feiern die Menschen auf Partys ihre neue große Freiheit, auch in Berlin sieht es in vielen Clubs nicht anders aus. Und es mehren sich die Stimmen, die sagen, warum eigentlich nicht? Die Älteren und die Risikogruppen sind schließlich weitgehend geimpft. Die Jungen erkranken seltener schwer. Und wer sich nicht impfen lassen will, soll sich halt infizieren. Hauptsache keinen Lockdown! Aber ist das wirklich so einfach? Und vergessen wir da nicht einige Menschen? Viele Menschen, die nach wie vor schwer erkranken und sterben – hier und anderswo. Jan Schmitt, Elke Brandstätter und Frank Konopatzki."

Countdown zum „Freedom Day“. Covid is over. Den Eindruck konnte man letzte Woche in England gewinnen. Die meisten Maßnahmen aufgehoben, Menschen dicht an dicht. Dabei sind die Infektionszahlen nach wie vor hoch, aber die Intensivstationen noch relativ leer. Auch in Deutschland feiern Menschen, als wäre Corona vorbei. Die Infektionszahlen sind hier niedrig, und es gab Forderungen, auch hier die Maßnahmen aufzuheben. Unter anderem vom Bundesaußenminister:

Zitat Heiko Maas (06.07.2021): "Wenn alle Menschen in Deutschland ein Impfangebot haben, gibt es rechtlich und politisch keine Rechtfertigung mehr für irgendeine Einschränkung."

Wieviel Freiheit dürfen wir uns erlauben, wenn immer mehr Menschen geimpft werden? Und wo liegen die Gefahren, wenn alle Maßnahmen wegfallen? Impfen ist der beste Schutz. Und immerhin die Hälfte der Deutschen ist voll geimpft, vor allem Erwachsene.

Aber gerade Kinder und Jugendliche infizieren sich zurzeit dreimal öfter, und können Ältere und Vorerkrankte gefährden. Selbst solche, die bereits geimpft sind. Eines der größten Probleme: die nachlassende Impfwirkung. Zuletzt häuften sich Berichte, dass sich immer öfter vollständig Geimpfte infizieren und auch erkranken. In Großbritannien sind 40 Prozent der Corona-Patienten in Krankenhäusern vorher geimpft gewesen. Beunruhigend?

Berit Lange, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung: "Die Impfung verhindert ja nicht ganz grundsätzlich, dass man die Infektion auch bekommt und sie verhindert auch nicht ganz grundsätzlich, dass diese Infektion weitergegeben wird, sie verringert nur die Risiken für beides."

Aber lässt der Impfschutz vielleicht auch nach? In Israel, wo besonders früh geimpft wurde, galt ursprünglich, der Impfstoff von BioNTech schützt zu 95,8 Prozent vor einer Infektion. Nun aber korrigierte die israelische Regierung die Schutzwirkung nach unten, zunächst auf 64 Prozent und nach israelischen Medienberichten nun auf nur noch 39 Prozent. Und vor einer schweren Erkrankung schütze der Impfstoff nun nicht mehr zu rund 99, sondern nach neuesten Berichten nur noch zu etwa 80 Prozent. Betroffen sind nach einer ganz aktuellen israelischen Studie vor allem Ältere und Vorerkrankte.

Prof. Carsten Watzl, Generalsekretär Deutsche Gesellschaft für Immunologie: "Gerade bei den älteren Leuten, die haben häufig Vorerkrankungen, wo es dazu führen kann, dass die Impfung nicht so gut funktioniert, dass sie also trotz zweifacher Impfung nicht den gewünschten Immunschutz haben. Und diese Leute können sich dann natürlich auch bevorzugt wieder anstecken. Und das Gemeine dabei ist, dass das auch die Leute sind, die ein schweres Risiko oder ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf haben."

In Israel haben schon über 60 Prozent der Bevölkerung den vollen Impfschutz. Aber nun füllen sich auch dort die Krankenhäuser wieder, auch mit Geimpften. Und bei uns? Wie viele Geimpfte sich in Deutschland infiziert haben, weiß man nicht. Denn Geimpfte müssen sich kaum testen lassen. Nicht im Kino, nicht im Konzert und bislang auch nicht bei einer Reise. Das Vorzeigen des Impfnachweises genügt. Ein Problem.

Prof. Carsten Watzl, Generalsekretär Deutsche Gesellschaft für Immunologie: "Wir brauchen, auch um die Wirksamkeit der Impfstoffe zu beurteilen, eine Anzahl für diese sogenannten Durchbruchsinfektionen. Also, wenn sich Geimpfte trotz vollständiger Impfung noch anstecken. Diese Zahlen werden aktuell vom Robert-Koch-Institut gesammelt, werden aber sicherlich unterschätzt, weil wir sehr wenige Geimpfte testen."

Unterschätzt wird auch die "Globale Entwicklung". Bilder aus Tunesien von dieser Woche. Menschen liegen in überfüllten Krankenhäusern, werden nur unzureichend versorgt. Hier sterben täglich etwa 200 Menschen an Corona, fast zehnmal so viele wie in Deutschland. Die Impfquote liegt bei nur 8 Prozent. Und damit sogar noch deutlich höher als in den meisten anderen afrikanischen Ländern.

Zwar hat Marokko eine Impfquote von 27,1 Prozent, aber Südafrika liegt bei nur 4,3, Ägypten bei 1,6 und Nigeria bei 0,7 Prozent voll Geimpften. Der ganze Kontinent kommt im Schnitt auf gerade mal 1,6 Prozent Impfquote. Die Menschen dort sind vor Infektionen kaum geschützt. Infektionen, die von Europa aus dorthin getragen werden könnten.

Und auch umgekehrt könnten Touristen das Virus wieder mit hierherbringen. Auch aus dem europäischen Ausland. Das Problem: Die 7-Tage-Inzidenzen in den Urlaubsländern sind meist viel höher als hier. In Deutschland liegt sie bei 16, in Frankreich bei 212, in Griechenland bei 173, in den Niederlanden bei 193 und in Spanien bei 373. Hohe Zahlen auch durch den Tourismus. Aber nun heißt es, die Inzidenzen wären nicht mehr so aussagekräftig. Für schwere Erkrankungen mag das stimmen, aber es gibt noch andere Gefahren. Denn dort, wo die Inzidenzen hoch sind, drohen neue Virus-Varianten. Und dabei setzen sich oft die Varianten durch, die aggressiver und auch gefährlicher sind, wie nun die Delta-Variante. Und dann gibt es noch ein großes, bisher unzureichend erforschtes Problem: "Langzeitschäden". Multiple Organschäden, langanhaltende Erschöpfungs-Syndrome, Long-Covid. Viele Menschen leiden darunter, selbst wenn sie während der Infektion kaum Symptome hatten.

Berit Lange: "Es geht eben nicht nur um schwere Verläufe und Tote direkt, sondern es geht schon auch um diese Frage, was passiert an Langzeitkomplikationen. Das ist nur deutlich schwieriger abzuschätzen."

Offiziellen Schätzungen zufolge sind Hunderttausende in Deutschland betroffen. Und immer mehr Studien zeigen, dass nicht nur Ältere schwer daran erkranken können, sondern auch junge Menschen, selbst Kinder und Jugendliche. Menschen, die dieses Risiko gar nicht kannten, wie Lisa Mittwoch.

Lisa Mittwoch, Long-Covid-Patientin: "Als Corona angefangen hat, hab ich immer gesagt, dass, wenn mich das trifft, dass das vielleicht nicht ganz so ohne sein könnte, hab das aber immer ganz weit nach hinten verdrängt."

Aber dann trafen sie die Long-Covid-Folgen hart. Diese Gefahr würde häufig ausgeblendet, findet sie.

Lisa Mittwoch, Long-Covid-Patientin: "Ich kann nachvollziehen, dass manche ihre Freiheiten gern zurückhaben möchten, aber ich kann es nicht nachvollziehen, warum man das auf den Rücken der Menschen austrägt. Dadurch, dass viele ja sagen, dass es ja weniger auch Tote gibt und weniger Infizierte, aber es gibt ja trotzdem viele Menschen, die danach lange krank sind und dass man das einfach in Kauf nimmt, finde ich nicht gut."

Feiern ja. Aber in dem Bewusstsein, dass die Infektionen vieler das Leben mancher radikal verändern oder sogar beenden können. Hier oder auch am anderen Ende der Welt.

Georg Restle: "Um keinen falschen Eindruck entstehen zu lassen, es gibt keine ernstzunehmende Studie, die die Wirksamkeit von Impfungen bestreitet. Aber eben auch keine, die absolute Sicherheit verspricht. Es gibt eben keine Freiheit ohne Verantwortung, das gilt weiterhin – und in Corona-Zeiten erst recht."

Kommentare zum Thema

  • meinungs´freiheit´ 17.08.2021, 20:11 Uhr

    Weder diese künstliche Seuche noch ihre Verursacher brauchen eine Entlarvung fürchten. Tatsächlich müssen die Menschen mit dieser Eskalation leben und sterben. Mehr als offensichtlich:Kommerzgewinnler und Egopolitiker und die geilen Sensations-Journaillen der Medien von ARD bis ZDF fühlen sich sowas von wichtig und interessant,ihr "Fach" Gelaber ödet an. In einer einst demokratischen Republik wurden bei Gefahr einer Seuche rigoros die entsprechenden Gegenmittel verordnet. Für "Sonderbehandlung" empfindlicher Simulanten keine Ausnahmeaufmerksamkeit. Die Gesundheit und das Volkswohl hatten absolute Priorität. Aber in diesem BR-System floriert nur das Ausspielen der Bevölkerung gegeneinander.Kommerz und Reisemanie für die Großkopferten, welche klasse Seuchen-Mutanten zurückbringen und das süffisante Wehklagen um die im Lande infizierten Zurückgebliebenen. WARUM wählen deutsche Menschen noch immer dieses unmenschliche BK-Merkelsystem?

  • Ein verteufelter Bürger 16.08.2021, 12:54 Uhr

    Es ist wieder soweit. Politiker wollen die unsere Freiheit einschränkenden Maßnahmen wegen vermutlicher neuer Corona-Welle steigern, um Druck aufzubauen. Auch wird extremistisch gefordert dass endlich alle Menschen mit dem von Menschen gemachten Impfstoff geimpft werden. Tage vorher wurde in den Medien verbreitet welche glücklichen Aktien-Zuwachsraten (teils über tausend Prozent) Impfstoff herstellenden Konzerne/Institute gewonnen haben. Aber auch wird verbreitet dass die nun über ein Jahr versprochene/behauptete Immunität durch Impfung nicht eingehalten werden kann. Auch Geimpfte können infektiös sein, denkbar durch Schmierinfektionen. Doch diese können auch durch angefasste Waren, Türgriffen usw. in den Kaufhäusern entstehen. Eines ist Absicht: Durch wiederkehrende Impfungen aller fast acht Milliarden Menschen wollen, bezogen auf die Anzahl der Menschen-Gesamtzahl, einige wenige Menschen Billionen von Dollar gewinnen. An Medizin gegen Erkrankungen wird weit weniger verdient.

  • meinungs´freiheit´ 11.08.2021, 23:21 Uhr

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