Thomas Wasilewski, Bürgergeld-Bezieher: "Sie sind nicht mehr Teil der Gesellschaft, Sie sind komplett ausgeschlossen. So fühlt sich das an, weil Sie an nichts teilnehmen können. Sie können nicht ins Schwimmbad gehen, Sie können nicht ins Kino gehen, Sie können im Grunde genommen am gesellschaftlichen Leben überhaupt nicht mehr teilnehmen. Und Sie sind raus aus dieser Gesellschaft und gehören nicht mehr dazu. Und das fühlt sich ganz schön beschissen an."
Georg Restle: "Sagt ein Mann, der Bürgergeld bezieht, weil er nicht mehr arbeiten kann. Wie so viele im Land, auf deren Rücken gerade mal wieder eine ziemlich hässliche Debatte ausgetragen wird. Guten Abend und willkommen bei MONITOR. 502,- Euro, so viel beträgt der aktuelle Regelsatz fürs Bürgergeld, macht 16,50 Euro pro Tag. Das muss reichen für Essen, Trinken, Kleidung, Körperpflege. Und wehe, da geht mal was kaputt im Haushalt. Ab 1. Januar soll der Betrag dann auf 563,- Euro steigen. Das klingt erstmal nach relativ viel, entspricht aber eigentlich nur der Teuerungsrate. Trotzdem Grund genug für die Opposition, dagegen lautstark zu protestieren. Völlig egal, ob man dieser Erhöhung zuvor zugestimmt hat. Völlig egal auch, ob diese Behauptung überhaupt stimmt, die auch von einigen Medien gierig aufgenommen wurde. Dass es sich nämlich nicht mehr lohnen würde zu arbeiten, weil das Bürgergeld zu hoch sei. Was ist dran an dieser Behauptung? Andreas Spinrath und Lutz Polanz haben mal sehr genau nachrechnen lassen."
Sie ist wieder da, die alte Debatte, die auf dem Rücken von Menschen wie ihm ausgetragen wird.
Thomas Wasilewski, Bürgergeld-Bezieher: "Ja, mein Name ist Thomas Wasilewski. Ich bin 60 Jahre alt. Ich bin erwerbsunfähig, ich bin Familienvater, habe drei Söhne und bin verheiratet. Ich bin einer von vielen Armutsbetroffenen in Deutschland und lebe vom Bürgergeld."
Thomas Wasilewski aus Mönchengladbach hat früher Langzeit-Arbeitslosen eine Ausbildung vermittelt. Dann wurde er krank – das Herz – jetzt kann er nicht mehr regulär arbeiten. Sein Bürgergeld-Anspruch steigt ab Januar auf 563,- Euro, auch der Regelsatz für seine Familie soll steigen. Im Prinzip nicht mehr als ein Inflationsausgleich, um das absolute Existenzminimum abzusichern.
Thomas Wasilewski, Bürgergeld-Bezieher: "Der Alltag mit Bürgergeld ist sehr, sehr schwierig und am Ende des Monats – spätestens am 23. – bin ich pleite und weiß selber nicht mehr, wovon ich leben soll. Und da hat man eine tiefe Verzweiflung. Da können Sie nachts nicht mehr schlafen und wünschen sich nur noch den Tag, an dem Sie sich wieder was zu essen kaufen können, wenn das Geld kommt, um mal wieder ein bisschen nach oben zu schauen, ne."
Zum Leben zu wenig? Die Opposition im Bundestag sieht das ganz anders. Es ist das alte Argument, wenn das Bürgergeld steigt, lohne sich das Arbeiten nicht mehr.
Friedrich Merz (CDU), Parteivorsitzender, 06.09.2023: "Die Menschen gehen nicht zurück in die Beschäftigung, weil sie sich ausrechnen können, dass sie mit staatlichen Transferleistungen am Ende des Jahres mehr herausbekommen, als wenn sie in einer einfachen Beschäftigung arbeiten."
Alice Weidel (AfD), Bundessprecherin, 10.09.2023: "Mit dem Bürgergeld – und jetzt auch noch mit dieser eklatanten, absurden Erhöhung des Bürgergeldes um 12 Prozent dieses Jahr – haben Sie ein Konkurrenzangebot für Nichtarbeitende.
Lohnt sich Arbeiten also wirklich nicht mehr? Als Putzkraft, in der Gastronomie oder als Friseurin, stimmt das? Und ist der Unterschied in den letzten Jahren wirklich kleiner geworden? Schauen wir uns die Entwicklung seit der Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 an. Der Mindestlohn stieg seitdem um 46 Prozent. Der Hartz-IV-Regelsatz – heute Bürgergeld – erhöhte sich im selben Zeitraum nur um 41,1 Prozent. Der Abstand ist also sogar leicht gestiegen.
Prof. Marcel Fratzscher, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Berlin: "Das Lohnabstandsgebot gilt nach wie vor unverändert. Und das, was wir im Augenblick haben, geht meiner Ansicht nach um eine Neiddebatte. Um einen Verteilungskampf, in der zwei vulnerable Gruppen gegeneinander ausgespielt werden."
Mindestlohnbezieher gegen Bürgergeldempfänger – auch in Talkshows und im Bundestag. Und immer wieder wird mit unvollständigen Zahlen um sich geworfen.
Carsten Linnemann (CDU), Mitglied des Bundestags, 03.11.2022: "Da gibt’s eine Familie, einmal mit drei Kindern, einer arbeitet Vollzeit, Geringverdiener. Der hat – wenn er arbeiten geht – 880,- Euro weniger als wenn er das Bürgergeld bekommt.
Norbert Kleinwächter (AfD), Mitglied des Bundestags, 13.10.2022: "Ein Vollzeit arbeitender Mindestlohnempfänger nach dem neuen Mindestlohn bekommt 2.080,- Euro brutto, 1.404,- Euro netto. Der wird locker eingeholt von einem Bürgergeld- Bezieher.
Friedrich Merz (CDU), Parteivorsitzender: "Die Menschen können einfach rechnen."
Wir rechnen auch. Aber mit vollständigen Zahlen. Denn auch Niedriglohnverdiener haben Anspruch auf zusätzliche Leistungen, etwa Wohngeld oder Kinderzuschläge. Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut hat für MONITOR das durchschnittliche verfügbare Einkommen für verschiedene Haushaltstypen berechnet, also inklusive aller staatlichen Leistungen. Alleinstehende Bürgergeldbezieher haben demnach 966,- Euro, ein Vollzeit-Arbeitender mit Mindestlohn 1.498,- Euro, ein Unterschied von 532,- Euro. Bei einer Familie mit zwei Kindern haben Bürgergeld-Bezieher 2.832 Euro, arbeitet ein Elternteil zum Mindestlohn, kommt eine Familie auf 3.237,- Euro. Sie hat mindestens 405,- Euro im Monat mehr – je nach Kindesalter.
Hinweis: Für eine neue Veröffentlichung hat das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut seine Berechnungen zum Lohnabstand zwischen Haushalten mit Bürgergeld und Mindestlohn-Bezug Mitte Oktober 2023 erneuert. Alleinstehende Bürgergeldbezieher haben demnach unverändert 966,- Euro, ein Vollzeit-Arbeitender mit Mindestlohn 1.498,- Euro, ein Unterschied von 532,- Euro. Bei einer Familie mit zwei Kindern haben Bürgergeld Bezieher 2.832 Euro, arbeitet ein Elternteil zum Mindestlohn, kommt eine Familie auf 3244 Euro. Nach den neuen Berechnungen steigt der Lohnabstand in dieser Konstellation auf durchschnittlich bis zu 412 Euro. Weitere Infos des WSI dazu hier.
Prof. Bettina Kohlrausch, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut, Düsseldorf: "Wir haben festgestellt, dass in allen diesen denkbaren Konstellationen man mehr Geld hat, wenn man arbeitet, und dass der Abstand auch sehr deutlich ist, dass das mehrere 100,- Euro sind."
Prof. Monika Schnitzer, Vorsitzende Sachverständigenrat der Bundesregierung: "Die Debatte über Bürgergeld und ob das die Leute motiviert, zu Hause zu bleiben und faul zu sein, erscheint mir wirklich als ziemlich abwegig. Wenn ich einen Beruf habe, Lohn beziehe und das reicht nicht, um das Existenzminimum abzusichern, dann wird es eben ergänzt. Dann kann ich Wohngeld beantragen, dann wird für die Kinder möglicherweise etwas noch dazu gezahlt. Das heißt, ich werde am Ende auf jeden Fall immer mehr haben als das Bürgergeld."
Trotzdem bleibt das Bild vom faulen Bürgergeld-Empfänger, der sich ausrechnet, dass Arbeiten sich nicht lohne. Für Thomas Wasilewski ein Schlag ins Gesicht. Er engagiert sich, so gut er kann ehrenamtlich, hilft bei einer Essensausgabe des Vereins "Suppentanten" in Mönchengladbach. Vor allem Obdachlose bekommen hier jeden Samstag Obst, Kaffee und ein warmes Mitttagessen. Eines ist Thomas Wasilewski noch wichtig: Wer arbeite, dem solle es durchaus besser gehen.
Thomas Wasilewski, Bürgergeld-Bezieher: "Derjenige, der arbeitet – da stimme ich auch dem Herrn Linnemann und der CDU-Fraktion zu – da muss es einen Abstand geben, der muss auch groß genug sein, aber den erreicht man meiner Meinung nach nicht dadurch, dass man die Sozialleistungen streicht oder keine Erhöhungen weitergibt, sondern indem man die Löhne anhebt. Dann lohnt sich Arbeit."
Für sich selbst wünscht er sich ein Bürgergeld, das ihm die Angst nimmt. Die Angst vor den letzten Tagen im Monat, an denen nichts mehr zum Leben übrigbleibt.
Kommentare zum Thema
Warum verkaufen Sie die Leute für dumm? Ich nenne nur mal den Preis für einen Kita Platz in hh, den darf der Arbeitnehmer zahlen, Nachzahlungen Heizung, Strom ebenso, Weihnachts/Urlaubsgeld wird bei Beantragung von Zuschüssen angerechnet, ach ich könnte noch paar Dinge aufzählen. Bitte rechnen Sie vernünftig, Sie werden schließlich mit Steuergeldern finanziert, ansonsten können Sie weg...
Die dt. Arbeiterviertel und die ""kleinen Leute" bezahlen die Massenmigration per Bürgergeld nach D , steigenden Mieten, geminderten Sozialleistungen . Georg Restle ist also mit seinen Kommentaren immer dümmer , als die Polizei erlaubt. Wieso darf der das und wird nicht von der grünen Minna abgeholt ?
Das stimmt so leider überhaupt nicht denn um Herrn Restle und ähnliche Fälle ging es in der Debatte noch nie!