MONITOR vom 27.05.2021

Antisemitismus der Anderen: Die rechte Kampagne vom "importierten Judenhass"

Bericht: Andreas Maus, Lara Straatmann

Antisemitismus der Anderen: Die rechte Kampagne vom "importierten Judenhass" Monitor 27.05.2021 06:52 Min. UT Verfügbar bis 30.12.2099 Das Erste Von Andreas Maus, Lara Straatmann

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Georg Restle: „Offene Judenfeindlichkeit auf deutschen Straßen. Was da vorletzte Woche auf einigen Demonstrationen zu hören und zu sehen war, hat viele im Land zu Recht zutiefst schockiert. Dabei waren es vor allem junge Palästinenser, Araber und Türken, die ihre Wut gegen die Politik Israels in blanken Judenhass münden ließen. So unerträglich dies ist, so unerträglich ist aber auch die Kampagne gegen muslimische Zuwanderer, die ausgerechnet vom rechten Rand des politischen Spektrums losgetreten wurde. Ausgerechnet von dort, wo der Antisemitismus in diesem Land zu Hause ist. Lara Straatmann und Andreas Maus.“

Die Synagoge in Gelsenkirchen. Nichts weist heute mehr darauf hin, was hier vor kurzem geschah. Vor zwei Wochen, Ausschreitungen vor der Synagoge, judenfeindliche Sprechchöre. Und nicht nur da, auch in Berlin-Neukölln. Diese Anfeindungen wirken bis heute nach, erzählt Josef Schuster, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden.

Josef Schuster, Zentralrat der Juden in Deutschland: „Besonders schlimm finde ich diese Parolen für Menschen, die den Holocaust noch erlebt beziehungsweise überlebt haben. Wenn man vor 30 Jahren gesagt hätte, im Jahre 2021 solche Thesen auf Demonstrationen in Deutschland zu hören – egal von wem, allein solche Thesen zu hören – hätte man das, glaube ich, kaum für möglich gehalten.“

Doch wer hat hier demonstriert? Die meisten Teilnehmer hatten muslimisch-migrantischen Hintergrund. Auch Sympathisanten der rechtsextremen türkischen Grauen Wölfe waren dabei. Menschen aus unterschiedlichen Milieus, die sich hier vereinten, um gegen Israels Politik zu protestieren – aber auch gegen hier lebende Jüdinnen und Juden. Antisemitische Ausbrüche, die Entsetzen ausgelöst haben, verbunden mit Solidarität und Anteilnahme. Besonders laut, ausgerechnet die AfD. Die Partei, die in weiten Teilen vom Verfassungsschutz beobachtet wird, gibt sich als Vorkämpferin gegen Antisemitismus.

Jörg Meuthen im EU Parlament, 18.05.21: „Unsere unverbrüchliche Solidarität gilt in diesen Tagen mehr denn je Israel, wie den vielen jüdischen Menschen hier in Europa.“

Die Botschaft ist klar, Antisemitismus sei ein Problem der Anderen.

Alice Weidel: „Wir haben es hier mit einer Extremform des importierten Antisemitismus zu tun.

Beatrix von Storch, 19.05.21: „Mit ihrer Einwanderungspolitik haben sie Judenhass aus dem Nahen Osten nach Deutschland importiert.“

Für die AfD steht fest: Die Zuwanderung ist schuld am Antisemitismus.

Josef Schuster, Zentralrat der Juden in Deutschland: „Es zeigt sich eigentlich wieder, dass die AfD alles auf ein Thema konzentriert und dabei völlig ausblendet, dass für antisemitische Vorgänge – nicht die, die wir in der vergangenen Woche gesehen haben, aber in den Wochen davor, und ich befürchte auch wieder in Zukunft sehen werden – die politisch Rechte die Verantwortung trägt. Und dass die AfD hier als ein Katalysator eine Rolle spielt, steht außer jedem Zweifel.“

Es ist ein weitverbreitetes Narrativ in der gesamten extremen Rechten, der Antisemitismus, der vor allem von außen kommt. So schreibt auch die Junge Freiheit, der Antisemitismus im Land sei importiert. Die rechtsextreme Plattform Politically Incorrect nennt es das moralische Ende des Großprojekts Bunte Republik. Eine durchsichtige Strategie, um in die Mitte der Gesellschaft vorzudringen, meinen Fachleute.

Prof. Beate Küpper, Antisemitismus-Expertin, Hochschule Niederrhein, Krefeld: „Es ist eine Ablenkung, ein Reinwaschen von dem Antisemitismus und auch den immer wieder belegten und berechtigten Vorwürfen des Antisemitismus aus der AfD und der eigenen Ideologie. Das Ganze ist so, so zynisch und so dreist, weil die völkische Ideologie, die die AfD vertritt, nun schon immer den Rassismus und den Antisemitismus aufs Engste miteinander verbunden haben.“

Das Bild vom importierten Judenhass durch Muslime bedient das klassische Feindbild der AfD-Wählerschaft. Eine Studie der Universität Leipzig aus dem letzten Jahr zeigt, rund 70 % der AfD-Wählerinnen und Wähler sind der Meinung, dass Muslimen die Zuwanderung generell untersagt werden sollte. Gleichzeitig zeigt die Mehrheit antisemitische Denkmuster, rund 63 % befürworten eine Abkehr von der historischen Schuld. Im Klartext, Schluss mit Holocaust-Gedenken und angeblichem Schuldgerede, stattdessen wieder mehr Nationalstolz.

Josef Schuster, Zentralrat der Juden in Deutschland: „Die AfD ist ganz aktiv dabei, ihr Gift in die Mitte, in die Breite der Gesellschaft zu streuen. Und wenn man das nur subtil genug macht – und das ist auch das Bestreben, in meinen Augen, der AfD – wenn man nur das subtil genug macht, dann setzt sich das schon in der Mitte der Gesellschaft fest.“

Ganz offen passiert das auf den Corona-Demonstrationen. Teile der bürgerlichen Mitte protestieren hier Seit an Seit mit der AfD und Rechtsextremen. Mit David-Sternen stilisieren sich einige als Opfer einer Diktatur und relativieren den Holocaust. Der jüdische Bankier Rothschild und der jüdische Investor Soros gelten vielen als Drahtzieher einer jüdischen Weltverschwörung. Offener Antisemitismus, der hier in Deutschland zu Hause ist, meint der baden-württembergische Antisemitismusbeauftragte Michael Blume.

Michael Blume, Antisemitismusbeauftragter Baden-Württemberg: „Wir müssen uns klarmachen, wie absurd es ist, dass Leute, die gerade noch selber erzählt haben, dass hinter der COVID-19-Pandemie George Soros und die Rothschilds stecken, also die selber antisemitische Verschwörungsmythen verbreitet haben, jetzt behaupten, das kommt alles von den Muslimen her, das sei alles nur importiert. In Wirklichkeit wollen die einen homogenen Staat.“

Einen homogenen Staat – auch ohne Juden? Vor solchen Brandstiftern warnt der jüdische Politikwissenschaftler Samuel Salzborn.

Prof. Samuel Salzborn, Antisemitismusbeauftragter Berlin: „Meines Erachtens gibt es eine sehr, sehr klare Positionierung der gesamten jüdischen Community, die ganz, ganz klar ihre Distanz und ihre Abgrenzung gegenüber der AfD betonen; und ich kann das nur noch mal unterstreichen. Ich glaube, das ist die falsche Fährte, sich hier quasi von einem rhetorischen Ticket blenden zu lassen. Das heißt, man lenkt mit einer solchen Instrumentalisierung davon ab, dass der Antisemitismus nach wie vor ein integraler Bestandteil der Gesellschaft, also der Bürgerinnen und Bürger ist.“

Dem durchsichtigen Kalkül von Rechtsaußen dürfe man nicht auf den Leim gehen. Dabei gilt ebenso, die antisemitischen Parolen der letzten Wochen bleiben unerträglich – besonders für Jüdinnen und Juden in diesem Land.

Kommentare zum Thema

  • Anonym 03.07.2021, 13:36 Uhr

    Dieser Kommentar wurde gesperrt, weil er sich nicht auf das Thema der Diskussion bezieht. (die Redaktion)

  • Anonym 30.06.2021, 21:38 Uhr

    Dieser Kommentar wurde gesperrt, weil er gegen unsere Netiquette verstößt. (die Redaktion)

  • Anonym 30.06.2021, 19:14 Uhr

    Laut Umfrage von Civey im Juni 21 sind zwei Drittel der Bevölkerung gegen die weitere Aufnahme von Migranten und damit auch dagegen, daß sie diese weiter alimentieren müssen ! Wann wird dieser Volkswille endlich respektiert und praktisch umgesetzt , insbesondere auch durch die roten Socken im Staatsfunk. .