Bericht: Lutz Polanz, Jan Schmitt, Lilly Amankwah
Kommentare zum Thema, weiterführende Links und der Beitragstext als PDF
Achim Pollmeier: „Und jetzt zur großen Überraschung des vergangenen Monats. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier will mehr Klimaschutz. Ausgerechnet der Mann, der bei der Bekämpfung des Klimawandels immer wieder auf der Bremse stand, er wirbt nun für eine große Allianz zur Klimaneutralität.“
Peter Altmaier: „Ich bin der Auffassung, dass wir Klimaschutz als die zentrale und vorrangige Herausforderung unserer Generation begreifen und auch entsprechend handeln müssen.“
Achim Pollmeier: „Klingt nach Aufbruch. Nur im grauen, politischen Alltag ist davon nicht viel zu spüren. Während der US-Bundesstaat Kalifornien in 15 Jahren nur noch emissionsfreie Neuwagen erlauben will, plädiert Altmaier weiterhin für eine Kaufprämie für große, deutsche Verbrenner-Autos. Diesen Sommer erst hat der Bundeswirtschaftsminister sehr lange Laufzeiten für deutsche Braunkohlekraftwerke festgelegt und den mühsam ausgehandelten Kohlekompromiss damit torpediert. Und beim Ausbau von Windkraft und Solarenergie? Da hatte Peter Altmaier jetzt eine Riesenchance – bei der Reform des Erneuerbaren Energien Gesetzes! Deutschland hinkt den eigenen Ausbauzielen meilenweit hinterher. Verbal geht Altmaier jetzt in die Vollen, wir haben genauer hingeschaut. Lutz Polanz, Lilly Amankwah und Jan Schmitt über einen Minister, der Klimaschutz offenbar lieber verspricht als umsetzt.“
Letzte Woche in Berlin. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier verkündet seine Pläne für den Ausbau der Erneuerbaren Energien.
Peter Altmaier (CDU), Bundeswirtschaftsminister (23.09.2020): „Wir haben mit dieser Veränderung die Weichen gestellt für eine moderne, bezahlbare, aber eben auch wirksame Energiewende.“
Laut Altmaier bricht mit der Novelle des Erneuerbare Energien-Gesetzes eine neue Zeitrechnung an. Bis 2030 sollen 65 Prozent des Stroms zu grünem Strom werden. Die wichtigste Stütze: die Windkraft. Ihr Ausbau liegt am Boden, deswegen beschwört der Bundeswirtschaftsminister die Wende.
Peter Altmaier (CDU), Bundeswirtschaftsminister (14.11.2019): „Ich erwarte, dass jeder seinen Beitrag liefert, dass der Windenergieausbau – wie geplant – auch in Zukunft vorangeht.“
Aber liefert der Minister auch selbst? Von Berlin ins Paderborner Land. Im Windpark Lichtenau treffen wir Johannes Lackmann. Ein Windpionier der ersten Stunde. Seit Jahren produzieren die Erneuerbaren im Landkreis rechnerisch mehr als 100 Prozent des Strombedarfs. Doch es gibt ein Problem: Viele Windräder hier sind 20 Jahre alt und bekommen deshalb schon bald keine Förderung mehr.
Johannes Lackmann, WestfalenWIND: „Die Anlagen dürfen weiter betrieben werden, genehmigungsrechtlich. Es gibt auch keine Anwohnerklagen über den Weiterbetrieb, aber die wirtschaftliche Existenz ist nicht gesichert.“
Die Einnahmen aus dem erzeugten Strom dürften künftig zwar reichen, um viele Altanlagen weiter laufen zu lassen. Für große Reparaturen langt es aber nicht.
Johannes Lackmann, WestfalenWIND: „Dann würde die Anlage außer Betrieb genommen und müsste dann abgebaut werden und dann wären diese Standorte endgültig verloren.“
Im Klartext. Die alten Windräder würden nach und nach stillgelegt, obwohl sie noch Jahre laufen könnten. Sie weiter zu fördern wäre nicht besonders teuer, aber das Ministerium sieht noch keinen Handlungsbedarf. In der EEG-Novelle findet sich dafür keine Lösung. Und es gibt noch ein Problem, eins, das der Bundeswirtschaftsminister selbst mit verursacht hat, denn die meisten Altanlagen könnten auch nicht durch neue ersetzt werden. Auch auf Altmaiers Betreiben wurde im Sommer eine Abstandsregelung für neue Windräder eingeführt. Bis zu 1.000 Meter Abstand zu Wohnhäusern dürfen die Länder nun vorschreiben, in Bayern sogar noch mehr. Was das in der Praxis heißt, zeigt uns Johannes Lackmann im Windpark Müllingsen bei Soest. Hier stehen bereits vier Windräder. Zwei neue könnten die alten Anlagen ersetzen und sogar die doppelte Menge Strom liefern – eigentlich.
Johannes Lackmann, WestfalenWIND: „Das wird aber hier so nicht stattfinden können aufgrund der neuen Abstandsregelung, denn die Tausend-Meter-Abstandsregelung zu den umliegenden Orten führt dazu, dass fast nichts mehr übrig bleibt von der Fläche und dann wird es hier keinen neuen Windpark geben.“
Dabei wären die neuen Anlagen weiter weg von den Wohnhäusern als die alten – 900 Meter. Doch 100 Meter fehlen, um die Abstandsregel zu erfüllen. Das dürfte auf längere Sicht das Aus für den Windpark bedeuten. Im Wirtschaftsministerium schaut man darüber hinweg. Dort rechnet man bis 2025 offiziell mit einem Ausbau der Windkraft an Land von 14 Gigawatt, durch neu gebaute Anlagen. Im selben Zeitraum fallen aber alte Windräder mit fast derselben Leistung aus der staatlichen Förderung, sagt der Bundesverband Windenergie. Nur 30 Prozent davon ständen auf Flächen, auf denen sie durch neue Anlagen ersetzt werden dürften. Wie hoch der Zuwachs also wirklich ausfällt, ist fraglich.
Thorsten Lenck, Agora Energiewende: „Natürlich muss man beim Ausbau berücksichtigen, die Anlagen, die vom Netz gehen, aus Altersgründen beispielsweise. Und die Menge wird jetzt im Lauf der Jahre – fortschreitend mit Blick auf 2030 – zu einer signifikanten Menge, die man nicht mehr ignorieren kann. Das heißt, die Ausbauzahlen im EEG müssen diesen Rückbau von Anlagen mit berücksichtigen und er muss durch einen zusätzlichen Ausbau entsprechend ausgeglichen werden.“
Genau das tut das Ministerium aber nicht. Und auch bei der zweiten großen Stütze der Energiewende – der Photovoltaik – halten Fachleute wenig von Altmaiers Plänen. Dabei boomt das Geschäft mit der Solarenergie. Die Anlagen speisen inzwischen genau so viel Strom ins Netz wie Steinkohlekraftwerke. Weil Solarstrom immer billiger wird. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen setzen deshalb auf die Photovoltaik. Das hat auch der Minister erkannt.
Peter Altmaier (CDU), Bundeswirtschaftsminister (11.09.2020): „Es kann ja durchaus sein, dass ein Unternehmen sagt, ich möchte gerne ausschließlich erneuerbaren Strom verwenden. Und dann muss sichergestellt werden, dass dies in der Praxis auch möglich ist.“
Bei der Firma Derix aus Niederkrüchten etwa. Die 240 Beschäftigten produzieren anspruchsvolle Holzkonstruktionen und brauchen sehr viel Strom. Letztes Jahr baute das Unternehmen eine Solaranlage aufs Firmendach. Gerade kommt die zweite Anlage dazu. Und nur ein kleiner Teil des Stroms wird ins Netz eingespeist.
Simone Derix, Derix: „Den Strom, den wir mit den Anlagen auf dem Dach produzieren, nutzen wir zu 90 Prozent selber, nämlich direkt hier in der Halle darunter, und zwar für die komplette Zeit, wo die Sonne scheint, weil wir zweischichtig hier von morgens halb sechs bis abends halb elf arbeiten. Das ist deshalb so gut, weil wir dadurch unsere Stromkosten auf die Hälfte reduzieren können.“
Am liebsten würde Derix seinen gesamten Strom umweltfreundlich selbst herstellen, da, wo er auch gebraucht wird. Doch ausgerechnet diese umweltfreundliche und kostensparende Produktion für den eigenen Bedarf wird künftig erschwert. Um eine ebenso große Anlage bauen zu dürfen wie jetzt, müsste sich Derix in Zukunft an einer staatlichen Ausschreibung beteiligen. Den eigenen Strom dürfte Derix dann nicht einfach selbst verbrauchen, sondern müsste ihn erst ins öffentliche Netz einspeisen und dann zum normalen Strompreis zurückkaufen. Für Derix deutlich teurer. Weitere Solaranlagen werden sie unter diesen Umständen nicht bauen.
Simone Derix, Derix: „Ja, wir sind wirklich sauer darüber, dass das Gesetz die komplett falsche Wendung nimmt. Wir sind gerade dabei, unsere Dächer zu ertüchtigen, die bestehenden Dächer. Und die Infrastruktur haben wir jetzt geschafft, um weitere Photovoltaikanlagen anzuflanschen, sag ich mal, was kostenseitig auch sehr interessant ist. Und diese Möglichkeit wird uns jetzt genommen.“
Dabei sind es gerade Mittelständler wie Derix, die mit solchen Anlagen die Energiewende vorantreiben.
Prof. Claudia Kemfert, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Berlin: „Das ist absolut wichtig, dass solche Unternehmen auf solche Anlagen setzen, weil wir brauchen sie zur Erfüllung der Energiewendeziele und auch zur Erfüllung der Klimaziele. Wenn wir weiterhin solche Barrieren haben, werden wir die Ausbauziele nicht erreichen können.“
Solaranlagen, die nicht gebaut werden. Windkraftanlagen, die aus dem Markt fallen. Und nicht nur das. Das Ministerium rechnet auch noch mit sehr umstrittenen Zahlen zum Stromverbrauch. Bis 2030 peilt der Wirtschaftsminister einen Anteil von 65 Prozent sauberem Strom an. Die Frage ist nur: 65 Prozent von was? Zentrale Rechengröße ist der vorhergesagte Stromverbrauch. Nach ihm richtet sich der Ausbau der Erneuerbaren. Experten erwarten dabei einen deutlich steigenden Bedarf.
Thorsten Lenck, Agora Energiewende: „Wir werden zusätzliche Stromnachfrage haben insbesondere aus dem Verkehrssektor, das ist die E-Mobilität. Wir haben es aus dem Wärmesektor, insbesondere für Wärmepumpen brauchen wir mehr Strom. Und häufig unterschätzt und noch nicht gesehen ist die Industrie, die mittlerweile auch sagt, sie braucht mehr erneuerbaren Strom, um auf klimaschonende Prozesse umzustellen. Und das wird dazu führen, dass die Stromnachfrage deutlich steigt.“
Der Bundeswirtschaftsminister geht dagegen auch in Zukunft von einer Stromnachfrage wie heute aus. Für 2030 rechnet er mit einem Bruttoverbrauch von 580 Terrawattstunden. Davon kämen dann 65 Prozent aus Erneuerbaren. Das Energiewirtschaftliche Institut an der Uni Köln etwa rechnet dagegen mit einem Verbrauch von 748 Terrawattstunden. Dieselbe Menge Strom aus Erneuerbaren würde daran nur noch einen Anteil von fünfzig Prozent ausmachen. Das Ministerium beruhigt, man könne im Bedarfsfall ja nachsteuern.
Prof. Volker Quaschning, Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin: „Nachsteuern bedeutet ja, man müsste wesentlich schneller zubauen. Und wenn wir nun feststellen, dass wir die nächsten zehn Jahre weiter Schneckentempo machen, müssten wir ja den Zubau dann in 15 Jahren verzehnfachen und dann ist einfach die Frage, kriegen wir das überhaupt mit den Fachkräften realisiert?“
Fassen wir zusammen, ein Ausbau bei Windkraft und Photovoltaik, den Fachleute für zu niedrig halten. Zusätzliche Hürden, die die Umsetzung erschweren und fragwürdige Zahlen beim Stromverbrauch. Für den Minister ist das neue EEG-Gesetz ein „Zukunftssignal“. Die Frage ist nur, ob es das richtige ist.
Kommentare zum Thema
Ich bewundere Altmeier. Er laechelt in die Kamera und wuergt gleichzeitig die dezentralen neuen Energien ab. Er kann das wie kein zweiter, luegen und gleichzeitig laecheln. Andere Theorie, er glaubt was er sagt. Dann hat er seine eigenen Papiere nicht gelesen oder verstanden. Nur schade dass die anderen Parlamentarier scheinbar genauso wenig begriffen haben was sie durchgewunken haben ... Wie ist das moeglich: Ziele der Reform ziemlich positiv (was zu Beginn steht). Echter Inhalt das absolute Gegenteil, entgegen aller Vereinbarungen (Ziele 2030, EU Richtlinien). Ein Luegengesetz ?
Diese ganze Klimapolitik ist eine einzigste Lüge, seit Jahr und Tag ist es der Politikschon bekannt das sich das Klima verändert hat, ich erinnere mich das wir eine Charter mit Russland hatten wir holten Holz von Archangelsk nach Lübeck das war 1963 bis ende1964 und da hat unser Kapitän festgestelltdas in der weißen See die Eisberge schon viel früher Gekalbt haben, dieses wurde auch Plichtgemäß dem Deutschen Hydrographischen Dienst Berichtet, ich bin davon überzeugt das die Politik schon in den 60er/70er Jahre wussten das sich das Klima verändert hatte und es folgten nur Worte und keine taten bis zum heutigen Tag, daher die Politiker sind für mich nichts weiter als ein unverantwortlicher Haufen von versager, nichts anderes können sie als das Volk zu belügen. r.wolff
Altmaeier verhindert: - Mehr Klimaschutz in der Automobilindustrie - Weniger Ruestungsexporte - Medikaentenproduktion in Deutschland - Ausreichend Schutzausrüstug in der Coronakrise - Mindestpreise für Lebensmittel - EU-Initiative gegen Steuervermeidung aber dafür - Steuersenkung für die Industrie - unnötige Milliardenausgaben für den Kohleausstieg Also eine Politik gegen die eigene Bevölkerung.
Ja-wissen sogar noch viel mehr Menschen, worin sie sich befinden. Ja und, wen wählen Sie dann folgerichtig das nächste mal richtig?oder ist alles noch sooo erträglich?
Na, sollte, nein müßte dann die Bevölkerung endlich doch eine straffe saubere Politik wählen? Immer wieder erden scheinbar ehrbare vertrauenswürdige Personen in Ämter gewählt und dann entsprechen sie ihrem Auftrag als Dienstleistende nur ungenügend. Wenden sich privaten und kommerziellen Lobbyisten wegen zusätzlicher persönlicher Vorteile zu, obwohl sie reichlich horrende Staatsgelder abgreifen und sich sogar Diäten ständig frei und frank erhöhen. Ja, das Volk muß sich von unfähigen Vertretern-und deren gibt es hunderte-mittels eigener Kontroll-und Verfügungskraft rigoros trennen.Kapitalismus bundesdeutscher Prägung ist eine faulende Erscheinung!