MONITOR vom 28.05.2020

Gekaperter Protest: Corona-Demonstrationen und die Rolle der AfD

Bericht: Jan Schmitt, Aiko Kempen, Neila Doss

Gekaperter Protest: Corona-Demonstrationen und die Rolle der AfD Monitor 28.05.2020 03:54 Min. UT Verfügbar bis 28.05.2099 Das Erste Von Jan Schmitt, Aiko Kempen, Neila Doss

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Georg Restle: „Deutlich mehr Tote als offiziell gemeldet, möglicherweise eine höhere Letalität des Virus. All dies spielt auf den Corona-Demonstrationen hier in Deutschland eine ziemlich untergeordnete Rolle. Hier geht’s um Grundrechtseinschränkungen und gegen Panikmache. Ging es, sollte man vielleicht besser sagen. Denn am letzten Wochenende waren es vor allem ehemalige und aktive AfD-Politiker, die den Protest für sich vereinnahmen wollten. Nach der Devise: Völlig egal, worum es hier geht. Völlig egal auch, was wir gestern noch gefordert haben. Hauptsache Protest, der Wählerstimmen bringt. Hat dann allerdings doch nicht so richtig funktioniert, wie Jan Schmitt, Aiko Kempen und Neila Doss beobachtet haben.“

So sehen Freiheitskämpfer aus – in Zeiten von Corona. Samstagnachmittag in Stuttgart, es regnet. Gekommen sind knapp 50 Leute. Mehr wollten ihrem Aufruf nicht folgen: Heinrich Fiechtner, Landtagsabgeordneter, ehemals AfD, und Stefan Räpple, auch Landtagsabgeordneter, stramm rechte Gesinnung, immer noch AfD.

Stefan Räpple (AfD), Landtagsabgeordneter: „Wachen Sie doch endlich auf! Schließen sie sich uns an! Wir sind freie Bürger und kämpfen für unsere Freiheit.”

Aufrufe ans deutsche Volk. Doch das will wohl nicht so recht. Abschlusskundgebung auf dem Canstatter Wasen. Vorletzte Woche waren hier Tausende. Jetzt, na ja – vielleicht am Ende 150. Sonntagnachmittag – wieder Stuttgart – jetzt scheint die Sonne. Kundgebung der AfD. Alice Weidel hat aufgerufen. Und wieder geht’s um die Freiheit.

Alice Weidel (AfD), Fraktionsvorsitzende: „Vielen Dank, dass Ihr alle hier hingekommen seid trotz der gesamten Auflagen, der Schikanen. Seht euch einmal um, hier stehen ganz normale Leute, die sich berechtigte Sorgen machen um ihre Rechte und um ihre Freiheit, um ihren Arbeitsplatz und um ihre Zukunft, um das Wohl ihrer Kinder und ihrer Angehörigen.“

Von den ganz normalen Leuten sind gut hundert da, mehr waren nicht zugelassen – mehr wollten allerdings auch gar nicht hin. Die AfD wieder auf den Barrikaden, diesmal wegen Corona – und für die Freiheit, natürlich.

Alice Weidel (AfD), Fraktionsvorsitzende: „Wir fordern ein sofortiges Ende des Shutdown, die Rechtfertigung dafür ist längst entfallen.”

Vor ein paar Wochen forderte sie noch härteste Maßnahmen.

Alice Weidel (AfD), Fraktionsvorsitzende, 04.03.2020: „Wir haben es mit einer echten Krise zu tun.“

Alice Weidel twitterte damals:

Zitat: „Die Regierung muss jetzt endlich angemessene Schritte einleiten.”

Und Parteichef Jörg Meuthen schrieb:

Zitat: „Wir brauchen den sofortigen Shutdown.”

Aber das war eben vor dem Shutdown. Gewäsch von gestern. Was soll‘s. Hauptsache Protest, Hauptsache Stimmung. Auch hier in Neubrandenburg. Wieder die AfD.

Hagen Brauer (AfD), Landessprecher Mecklenburg-Vorpommern: „Wie man die Sache auch dreht und wendet – sehr gefährlich oder weniger gefährlich – in beiden Fällen offenbart sich ein totales Staatsversagen.“

Ganz genau, ganz egal, worum es geht. Hauptsache Staatsversagen!

Tino Chrupalla (AfD), Parteivorsitzender: „Und deswegen gehen sie ja auch auf die Straße zu Tausenden und Abertausenden.”

Na ja: Tausende sind’s auch hier nicht. Dafür wieder einige „ganz normale Leute“.

Zitat: „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen.”

Und dann gab’s noch diese Veranstaltung, in Leverkusen. Diesmal unterwegs, die ehemalige AfD. Doris von Sayn-Wittgenstein heißt sie, André Poggenburg er. Worum es hier geht? Ähm, irgendwie um Corona. Oder doch Scharia?

Reporter: „Was ich hauptsächlich nicht verstehe, das Motto im Internet, „Grundrechte statt Scharia“, steht da. Und hier geht es immer wieder um Versammlungsfreiheit, um Corona, also das verstehe ich nicht. Warum heute hier diese Veranstaltung?“

André Poggenburg, ehem. AfD-Landesvorsitzender Sachsen-Anhalt: „Ja, also das Hauptthema heute ist hier ganz klar: Ja zum Grundgesetz. Das Hauptthema, es spielt noch mit hinein das Thema Islam mit Scharia, auch das ist ein Angriff auf unser Grundgesetz. Aber das Hauptthema heute ist hier ganz klar „Ja zum Grundgesetz“.“

Schon klar: Rechtsextreme fürs Grundgesetz. Immerhin 50 Leute fanden das offenbar schlüssig. Ob AfD, Ex-AfD oder andere Rechtsextreme. Die meisten, die sonst protestierten, hatten wohl keine Lust, sich vor deren Karren spannen zu lassen – und sind dieses Mal zu Hause geblieben.

Georg Restle: „Vielleicht ist das ja eine der guten Nachrichten dieser Tage. Für ganz so dumm lässt sich die neue deutsche Protestbewegung dann eben doch nicht verkaufen.“

Kommentare zum Thema

  • Peter 03.08.2020, 09:57 Uhr

    Danke für die Zusammenfassung der "Fähnlein im Wind" Aussagen dieser Funktionäre.

  • Anonym 31.05.2020, 13:56 Uhr

    Dieser Kommentar wurde gesperrt, weil er gegen unsere Netiquette verstößt. Bitte verzichten Sie auf externe Links. (die Redaktion)

  • Alfons 29.05.2020, 22:05 Uhr

    Ein sehr informativer und sachlicher Beitrag. Danke.