Mehr Härte beim Bürgergeld: Ist das gerecht?
Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt während der Sendung keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt HART ABER FAIR nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.
Bei der Diskussion über die sogenannten erwerbsfähigen Leistungsbezieher von Bürgergeld wird in der Sendung mehrfach die Größenordnung des Problems unterschiedlich beziffert. Unser Gast Sasa Zatata, selbst Bürgergeldempfängerin, weist darauf hin, dass man unterscheiden müsse zwischen Menschen, die erwerbsfähig seien und jenen, die dem Arbeitsmarkt tatsächlich zur Verfügung stünden.
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) liefert in ihrem Monatsbericht aus dem Februar 2025 Zahlen dazu, wie sich die Gesamtzahl der Bürgergeldempfängerinnen und -empfänger zusammensetzt. Insgesamt gab es im Februar 5.437.086 sogenannte Regelleistungsberechtigte. Davon wiederum sind 3.969.196 Menschen erwerbsfähig und 1.467.890 nicht erwerbsfähig.
Die detaillierten Zahlen zu weiteren Strukturmerkmalen von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten stehen nur zeitverzögert zur Verfügung, weshalb sich diese auf den Oktober 2024 beziehen. Nach diesen Daten waren rund 44 Prozent (1.747.000) der damals 3.962.000 erwerbsfähigen Leistungsberechtigten arbeitslos. Damit erhielten 56 Prozent (2.215.000) Leistungen aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ohne arbeitslos zu sein.
Laut BA war für 691.000 erwerbsfähige Leistungsberechtigte (17 Prozent) eine Arbeit nicht zumutbar, weil sie entweder kleine Kinder betreuten bzw. Angehörige pflegten oder noch zur Schule gingen bzw. studierten. 420.000 (11 Prozent) Personen gingen einer ungeförderten Erwerbstätigkeit von mindestens 15 Wochenstunden nach. 519.000 Personen (13 Prozent) haben an einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme oder an einem Integrationskurs teilgenommen und standen deshalb dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Spricht man von nicht erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, geht es vor allem um Kinder unter 15 Jahren, ihr Anteil an dieser Gruppe belief sich zuletzt laut Arbeitsagentur auf 97 Prozent.
An anderer Stelle in der Sendung sagt der CDU-Politiker Tilman Kuban, ein Problem seien Bürgergeldbezieher, die nebenbei schwarzarbeiteten und somit ein Ungerechtigkeitsgefühl bei denjenigen schafften, die einer geregelten Arbeit nachgingen. Sasa Zatata entgegnet daraufhin, dass es sich bei den schwarzarbeitenden Bürgergeldbeziehern um eine geringe Zahl an Menschen handele.
Erhobene Zahlen zur Schwarzarbeit in Deutschland können immer nur einen ungefähren Richtwert liefern, die Dunkelziffer liegt laut Bundesfinanzministerium deutlich höher. Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln hat im Januar 2025 Ergebnisse einer Erhebung aus dem Frühjahr 2024 vorgelegt. Danach liegt der Schwerpunkt der Schwarzarbeit nicht bei den Bürgergeldbeziehenden. Im Gegenteil: Dominik Ernste, Autor der Studie und Schattenwirtschaftsexperte, kommt auf Grundlage der Befragungen zu dem Schluss: Je höher das Einkommen, desto eher arbeiten die Menschen am Finanzamt vorbei.
7,9 Prozent der Deutschen mit einem Einkommen über 4000 Euro im Monat verdienen der Studie des arbeitgebernahen Instituts zufolge etwas dazu, ohne Steuern und Sozialabgaben darauf zu zahlen. Unter einem monatlichen Einkommen von 1500 Euro sind es lediglich noch 3,1 Prozent. Wissenschaftler Ernste sagte im Januar 2025 dem Nachrichtenmagazin Spiegel dazu, Transferleistungsempfänger arbeiteten seltener schwarz. Dazu fehle es ihnen zum Beispiel oft an Kundenkontakten. Auch die Wahrscheinlichkeit, entdeckt zu werden, sei bei ihnen höher.
Die IW-Studie beruht auf einem Online-Acces-Panel. Dabei wurden 2628 Menschen ab 18 Jahren in Deutschland zum Thema Schwarzarbeit befragt. Die Umfrage ist laut IW quotenrepräsentativ in den Kategorien Einkommen, Wohnort nach Bundesland, Alter und Geschlecht. Dabei hätten nur etwa fünf Prozent angegeben, selbst Schwarzarbeit zu betreiben. Die Ergebnisse sollten daher „nicht überinterpretiert werden“, gibt Ernste zu bedenken. Durch Fragen, die nicht die jeweilige befragte Person selbst betreffen, soll das Ergebnis jedoch auf Richtigkeit geprüft werden. Damit könnten insgesamt bis zu zehn Millionen Menschen in Deutschland zumindest gelegentlich schwarzarbeiten, statt der 3,3 Millionen, die sich durch die direkte Befragung errechnen lassen.
Andere Studien kommen hinsichtlich des Umfangs von Schwarzarbeit zu ähnlichen Werten, wie die Zeitschrift „Wirtschaftsdienst“ im vergangenen Jahr darlegte. Sie zog etwa eine Eurobarometer-Studie von 2020 sowie Ipsos-Befragungen aus 2022 und 2023 heran. Je nach Studie ergaben sich hier ebenfalls zwischen rund acht und zehn Millionen schwarzarbeitende Personen.
Quellen: