Faktencheck: Alte Krisen, neue Schulden: Was bringt Schwarz-Rot?

Alte Krisen, neue Schulden: Was bringt Schwarz-Rot?

Der Faktencheck zur Sendung vom 10.03.2025

Alte Krisen, neue Schulden: Was bringt Schwarz-Rot?

Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt während der Sendung keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt HART ABER FAIR nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Das Finanzpaket von Schwarz-Rot

In der Sendung kritisiert die Ökonomin und „Wirtschaftsweise“ Veronika Grimm das Volumen des geplanten Finanzpakets. Sie warnt, diese Summe könne Europa in die Bredouille bringen. Durch eine massive Verschuldung würden die Zinsen an den Anleihemärkten für Staatsanleihen weiter steigen. Die SPD-Politikerin Anke Rehlinger widerspricht an der Stelle und sagt, es gebe auch Ökonomen, die anderer Meinung seien und ein Finanzpaket in diesem Umfang forderten

Tatsächlich gibt es unterschiedliche Reaktionen aus der Wirtschaft auf das geplante Milliardenpaket. Neben Veronika Grimm hat etwa auch Monika Schnitzer, die Chefin des Sachverständigenrats, der die Bundesregierung in Wirtschaftsfragen berät, ähnliche Kritik geäußert. Aber es kommen auch lobende Worte aus der Branche. Einige Ökonomen sehen die Pläne als wichtigen Schritt raus aus der Rezession.

Der Wirtschaftswissenschaftler Jens Südekum, auf dessen Vorschlag das Finanzpaket von Union und SPD zurückgeht, rechnet bei Umsetzung schon kurzfristig mit einem „ordentlichen Wachstumsschub“. Im Interview mit ZEIT Online erklärte er, die Verschuldung werde zwar steigen, aber über den Wachstumsimpuls steige auch das Bruttoinlandsprodukt. Deutschland habe eine Schuldenquote von 62 Prozent und liege damit deutlich unter dem Wert anderer Industrieländer. „Selbst wenn sie jetzt vorübergehend um ein paar Prozentpunkte steigt, ist das kein Drama – und wenn es der Preis dafür ist, dass das Land modernisiert wird und wir unsere Freiheit verteidigen können, dann ist es das aus meiner Sicht diesen Preis allemal wert“, so Südekum.

Auch Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), rechnet mit einem Konjunkturschub: „Wenn das so gelingt, dann dürfte die Stagnation der deutschen Wirtschaft jetzt schnell überwunden sein", sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. „Deutschland ist wieder wirtschaftlich und militärisch handlungsfähig.“

ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski kommentierte die Pläne laut der Nachrichtenagentur ebenfalls positiv: „Alles in allem befindet sich Europa inmitten eines historischen Wandels. Die Entwicklungen der letzten Tage haben die wahrscheinlich nächste deutsche Regierung zu einem historischen Schritt veranlasst, indem sie ein Steuerpaket ankündigte, das endlich den Beginn besserer Jahre für die Wirtschaft markieren könnte.”

Militärausgaben im Vergleich

An anderer Stelle in der Sendung kritisiert Jan van Aken, Parteivorsitzender der Linken, die Forderung nach weiterer Aufrüstung in Europa. In den "europäischen" NATO-Staaten lägen die Militärausgaben "ohne die USA" jährlich bereits bei rund 430 Milliarden US-Dollar. In Russland hingegen seien es umgerechnet etwa 300 Milliarden US-Dollar. Dies sei bereits heute eine relative Stärke auf Seiten der NATO.

Folgt man den Zahlen des Friedensforschungsinstituts SIPRI, so hat Russland im Jahr 2023 109,45 Milliarden US-Dollar für Militär ausgegeben. Auf 429,28 Milliarden US-Dollar kommen dagegen laut aktuellem Jahresbericht der NATO 2023 die europäischen Mitgliedstaaten und Kanada – die USA ausgenommen.

Nicht einberechnet ist in den Zahlen des SIPRI-Instituts dabei die sogenannte Kaufkraftparität, auf die sich auch Jan van Aken bei seiner genannten Zahl bezieht: Mehrere Wissenschaftler empfehlen, Verteidigungsausgaben zur Bestimmung der Bedrohungslage immer unter Berücksichtigung der militärischen Kaufkraftparität zu vergleichen.

Holger Janusch, Professor für Internationale Politik der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Berlin, erklärt dazu im Journal für Internationale Politik und Gesellschaft: „So lassen sich in vielen Ländern, wie Russland oder China, für jeden Dollar relativ mehr militärische Waren und Dienstleistungen kaufen als in den meisten NATO-Staaten.“ Wenn dies miteinberechnet würde, liege das Verhältnis der Verteidigungsausgaben der NATO-Länder (ohne USA) gegenüber Russland bei “unter 2:1”.

Die von van Aken genannten 300 Milliarden US-Dollar Militärausgaben Russlands lassen sich auch in einer Greenpeace-Studie zum „Vergleich der militärischen Potenziale der NATO und Russlands“ wiederfinden. Die Autoren der Studie schreiben, lege man die Berechnungen der Weltbank zur Kaufkraftparität zu Grunde, entsprächen die russischen Militärausgaben ca. 300 Milliarden US-Dollar.

[Korrigiert am 24.03.2025]

Quellen: