Nach der Wahl: Wer wird Deutschland jetzt verändern?
Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt während der Sendung keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt HART ABER FAIR nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.
Dass unser Talkgast Wolfgang Schmidt (SPD), langjähriger Weggefährte und Vertrauter des noch amtierenden Bundeskanzlers Olaf Scholz, nicht in den Bundestag eingezogen ist, sorgt vielfach für Verwunderung. Als Chef des Kanzleramts agierte Schmidt bisher im Hintergrund; im Zuge der Neuwahlen hatte er angekündigt, ins Parlament einziehen zu wollen. Das ist nun gescheitert. In seinem Wahlkreis Hamburg-Eimsbüttel hat Schmidt den Kampf um die Erststimmen mit 26 Prozent gegen den Grünen Till Steffen (27,8 Prozent) verloren. Und auch über die SPD-Landesliste, die er auf Platz Eins angeführt hat, kann er nicht in den Bundestag einziehen. Das liegt an der – durchaus umstrittenen – Wahlrechtsreform, die 2023 beschlossen wurde.
Der Deutsche Bundestag ist in den vergangenen Jahren immer größer geworden – das führte zu immer höheren Kosten. Durch die Wahlrechtsreform wird die Größe des Parlaments von zuletzt 735 auf 630 Abgeordnete begrenzt. Um das zu erreichen, wurden Überhangs- und Ausgleichsmandate abgeschafft. Bislang wurden Parteien zusätzliche Sitze zugesprochen, wenn sie über die Erststimmen mehr Direktmandate in einem Bundesland gewannen, als ihnen nach dem dortigen Zweitstimmenergebnis zustanden. Um dem Wahlergebnis zu entsprechen, wurden dann anderen Parteien Ausgleichsmandate zugesprochen.
Künftig werden die Ergebnisse aus Erst- und Zweitstimme stärker miteinander verknüpft. Vorrangig ziehen über die Erststimme gewählte Kandidaten in den Bundestag ein – allerdings nur, wenn ihre Partei auch entsprechende Ergebnisse bei den Zweitstimmen erreicht. Eine Folge: Wenn die aus dem Zweitstimmen-Ergebnis gedeckten Sitze bereits mit aus der Erststimme errungenen Mandaten besetzt wurden, zieht niemand von den jeweiligen Landeslisten der Parteien in den Bundestag ein.
Genau das ist in Hamburg passiert: Dem Stadtstaat stehen 13 Plätze im Bundestag zu. Die SPD hat drei Mandate über die Erststimme gewonnen. Bei den Zweitstimmen hat sie 22,7% erzielt, was drei Sitzen entspricht. Damit konnten zwar alle Wahlkreisgewinner in den Bundestag einziehen, aber kein zusätzlicher Kandidat von der Landesliste.
Von ihren jeweiligen Landeslisten profitierten wiederum unsere Gäste Philipp Amthor (CDU) und Andreas Audretsch (Bündnis’90/Die Grünen). Auch sie gewannen ihre Wahlkreise nicht direkt: Amthor erreichte im Wahlkreis Mecklenburgische Seenplatte I 19,9 Prozent, sein AfD-Konkurrent Enrico Komning lag mit 45,2 Prozent weit vorn. Audretsch konnte in Berlin-Neukölln lediglich 11,1 Prozent der Erststimmen holen, hier siegte mit Ferat Koçak (30,0 %) der Kandidat der Linken. Sowohl Amthor als auch Audretsch konnten allerdings über die Landeslisten in Mecklenburg-Vorpommern bzw. Berlin einziehen.
CDU und CSU haben bereits angekündigt, die Reform rückgängig machen beziehungsweise eine neue Regelung beschließen zu wollen. Die Unionsparteien sind besonders stark von nicht durch die Zweitstimme gedeckten Wahlkreismandaten betroffen: Deutschlandweit ziehen 23 Wahlkreisgewinner nicht in den Bundestag ein, 18 davon sind Unionspolitiker.
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