Der Vierkampf: Wer schafft es in den Bundestag, wer fliegt raus?
Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt während der Sendung keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt HART ABER FAIR nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.
In der Sendung wird um das Bürgergeld gestritten, insbesondere um den Umgang mit Bürgergeld-Empfängern, die Job-Angebote ablehnen oder auf andere Weise nicht mit dem Job-Center kooperieren. Über die Größenordnung dieser Gruppe gibt es seit langem erhebliche Meinungsverschiedenheiten.
CSU-Politikerin Dorothee Bär sagt in unserer Sendung, dass von 5,5 Millionen Bürgergeld-Empfängern „1,7 Millionen arbeitsfähig sind“. Linken-Politiker Jan van Aken wirft Bär vor, dabei mehrere Gruppen zu vermengen, unter anderem „Menschen, die seit Jahren versuchen, einen Job zu kriegen und ihn nicht bekommen“. Es gebe nur einen kleinen Anteil „unter 1 Prozent, die arbeiten könnten und es verweigern“.
Ein Blick auf die Zahlen: Laut Bundesagentur für Arbeit erhalten (Stand: Juni 2024) in Deutschland etwa 5,5 Millionen Menschen Bürgergeld. Davon sind 1,5 Millionen Kinder und Jugendliche. Es bleiben also knapp vier Millionen Menschen, die als grundsätzlich erwerbsfähig geführt werden. Mehr als die Hälfte davon stehen dem Arbeitsmarkt aber zur Zeit nicht zur Verfügung – etwa, weil sie noch zur Schule gehen oder Auszubildende sind, Angehörige pflegen, arbeitsunfähig sind oder eine Maßnahme absolvieren, sich also zum Beispiel weiterbilden.
Es bleiben 1,7 Millionen erwerbsfähige Arbeitslose. Doch in der Praxis können viele dieser Menschen zumindest kurzfristig keine Stelle annehmen. Die Gründe sind vielfältig: Oft haben Menschen im Bürgergeld-Bezug keine ausreichende Ausbildung oder haben gesundheitliche Probleme, die eine Arbeitsaufnahme erschweren. Hinzu kommt: Arbeitgeber scheuen oft das Risiko, diese Menschen einzustellen, und wenn doch, endet die Beschäftigung häufig schnell wieder.
Ein Blick auf die Sanktionen: In der Regel werden die allermeisten Leistungsminderungen wegen Meldeversäumnissen verhängt, also weil Kundinnen und Kunden ohne wichtigen Grund nicht zu Terminen erschienen sind. Was die häufig als „Totalverweigerer“ bezeichneten Menschen angeht: Im Zeitraum von Februar bis Dezember 2023 mussten laut Arbeitsagentur 15.774 Minderungen wegen des Minderungsgrunds „Weigerung Aufnahme oder Fortführung einer Arbeit, Ausbildung, Maßnahme oder eines geförderten Arbeitsverhältnisses" ausgesprochen werden.
Für Januar 2023 hat die Arbeitsagentur nicht gesondert erhoben, aus welchem Grund Leistungsbezüge im Einzelnen gekürzt wurden. Rechnet man die Daten von elf Monaten aufs ganze Jahr hoch, so kann man für 2023 von insgesamt 17.000 Menschen ausgehen – was angesichts von 1,7 Mio. Erwerbsfähigen ziemlich genau einem Prozent entspricht.
An anderer Stelle geht es um die Steuerbelastung von Spitzenverdienern und Milliardären. Sahra Wagenknecht führt als Beispiel ins Feld, dass der Steuersatz der BMW-Anteilseignerin Susanne Klatten über die Jahre erheblich gesunken sei. Die Politikerin des BSW verweist dabei auf eine Recherche des Netzwerks Steuergerechtigkeit, dort heißt es: „Von 1996 bis 2022 sank der effektive Steuersatz von Susanne Klatten auf ihre BMW-Gewinne von 61,0 Prozent auf 21,4 Prozent.“ FDP-Spitzenkandidat und Ex-Finanzminister Christian Lindner erwidert darauf in unserer Sendung: „Frau Klatten versteuert ihren Gewinn erst im Unternehmen und dann ein zweites Mal, wenn er ausgeschüttet worden ist. Und die steuerliche Inanspruchnahme ist insgesamt bei oberhalb von 48%, das ist die Realität.“
Tobias Hentze, Steuer-Experte vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln, rechnet auf Nachfrage der Hart-aber-fair-Redaktion vor: „Eine Kapitalgesellschaft wie BMW zahlt Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Solidaritätszuschlag auf den zu versteuernden Gewinn. Insgesamt liegt die Belastung in Deutschland bei rund 30 Prozent. Bei beispielhaften 100 Euro Gewinn vor Steuern wären dies 30 Euro. Wenn der verbleibende Nettogewinn des Unternehmens von 70 Euro an einen Anteilseigner ausgeschüttet wird, erhebt der Staat auf diese Dividenden Abgeltungsteuer plus Solidaritätszuschlag in Höhe von insgesamt gut 26 Prozent. Von den 70 Euro gehen folglich rund 18 Euro an den Staat. Insgesamt hat der Staat dann 48 Euro Steuern von den 100 Euro Gewinn erhalten, die Steuerbelastung liegt bei rund 48 Prozent.“
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