Ampel weg, Probleme bleiben: Wie geht ein Neuanfang?

Ampel weg, Probleme bleiben: Wie geht ein Neuanfang?

Der Faktencheck zur Sendung vom 11.11.2024

Ampel weg, Probleme bleiben: Wie geht ein Neuanfang?

Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt während der Sendung keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt HART ABER FAIR nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Nach dem Scheitern der Ampel-Koalition gab es zwischen der SPD und den Oppositionsparteien Streit, wann Bundeskanzler Olaf Scholz die Vertrauensfrage stellt und demnach Neuwahlen ermöglicht. Scholz hatte in einem ersten Statement angekündigt, die Vertrauensfrage am 15. Januar 2025 stellen zu wollen. Neuwahlen sollten Mitte März stattfinden. Während der Sendung waren sich Matthias Miersch (SPD), Dorothee Bär (CSU) und Wolfgang Kubicki (FDP) uneins über den möglichen Zeitpunkt und die Umsetzbarkeit, Notwendigkeit und Angemessenheit einer früheren Vertrauensfrage und Neuwahl.

Rechtlich sind bestimmte Fristen vorgegeben. Artikel 68 des Grundgesetztes legt fest, dass der Bundeskanzler im Bundestag den Antrag stellen kann, ihm das Vertrauen auszusprechen. Nachdem der Bundeskanzler die sogenannte Vertrauensfrage gestellt hat, müssen 48 Stunden vergehen, bevor der Bundestag über den Antrag abstimmt. Nach einer verlorenen Vertrauensfrage hat der Bundespräsident wiederum 21 Tage Zeit, um zu entscheiden, ob er den Bundestag auflöst und es somit zu Neuwahlen kommt. Artikel 39 des Grundgesetzes sieht vor, dass im Falle einer Auflösung des Bundestages eine Neuwahl innerhalb von 60 Tagen stattfinden muss. Insgesamt können also nach den gesetzlichen Fristen 83 Tage zwischen der Vertrauensfrage und der Neuwahl vergehen.

Dorothee Bär spricht in unserer Sendung davon, dass in Deutschland nach der Entscheidung die Vertrauensfrage zu stellen, schon schneller habe gewählt werden können. Schauen wir uns den Verlauf vergangener Vertrauensfragen an, die zu Neuwahlen geführt haben, sehen wir, dass in allen drei Fällen Monate zwischen der Ankündigung der Vertrauensfrage und der Neuwahl lagen.

1972 stellte Willy Brandt zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik die Vertrauensfrage und verlor sie. Die Ostpolitik des SPD-Kanzlers spaltete damals die sozialliberale Koalition. Zwischen seiner Ankündigung und der Neuwahl vergingen mehr als fünfeinhalb Monate.
Helmut Kohl strebte mit seiner Vertrauensfrage im Dezember 1982 Neuwahlen an. Zwar hatte der CDU-Vorsitzende erst wenige Wochen vorher mit dem von ihm gestellten konstruktiven Misstrauensvotum den amtierenden SPD-Kanzler Helmut Schmidt zu Fall gebracht und war zugleich selbst von der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages zum neuen Regierungschef gewählt worden. Doch Kohl wollte sein Mandat direkt von den Bürgerinnen und Bürgern. Die Neuwahl fand 1983 fast fünf Monate nach seiner Ankündigung später statt.
Auch Gerhard Schröder (SPD) verfolgte 2005 das Ziel, die Vertrauensfrage zu verlieren, um Neuwahlen zu erreichen.
Die von Schröder geführte rot-grüne Bundesregierung war aufgrund der Hartz-IV-Reformen ins Schlingern geraten. Seine Politik war auch in der SPD, insbesondere bei den Parteilinken, umstritten. Noch am Abend der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, am 22. Mai 2005, hatte Schröder angekündigt, dass er die Vertrauensfrage stellen werde. 17 Wochen später fand die Neuwahl statt.

Am Dienstag (12.11.) meldeten verschiedene Medien, dass sich Union und SPD auf einen Neuwahltermin am 23. Februar 2025 geeinigt hätten. Olaf Scholz soll demnach die Vertrauensfrage noch vor Weihnachten stellen. Damit liegen voraussichtlich knapp vier Monate zwischen dem Bruch der Ampel-Koalition und der Neuwahl. Schneller wurde in Deutschland bisher nicht neu gewählt.

Quellen: