Die Gerechtigkeits-Debatte: Können wir uns die Reichen noch leisten?

Die Gerechtigkeits-Debatte: Können wir uns die Reichen noch leisten?

Der Faktencheck zur Sendung vom 30.09.2024

Die Gerechtigkeits-Debatte: Können wir uns die Reichen noch leisten?

Viele Menschen finden, dass es in Deutschland nicht mehr gerecht zugeht. Wie kommt das? Hat dies auch damit zu tun, dass den reichsten 10 Prozent rund zwei Drittel des gesamten Vermögens gehört und für die ärmere Hälfte nur rund 2 Prozent bleiben? Was heißt das für den gesellschaftlichen Zusammenhalt? Sollen Reiche mehr bezahlen? Oder tun sie schon genug für unser Land?

Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt während der Sendung keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt HART ABER FAIR nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

In der Sendung wird darüber diskutiert, dass das Vermögen der Menschen in Deutschland extrem ungleich verteilt ist. Laut Erhebungen der Europäischen Zentralbank besitzen die oberen zehn Prozent mehr als 60 Prozent des Gesamtvermögens. Die gesamte untere Hälfte besitzt gerade einmal rund zwei Prozent - und damit ein winziges Stück vom großen Kuchen.

Die Autorin und Journalistin Julia Friedrichs sagt in der Sendung, das Problem dabei seien jedoch nicht nur die oberen zehn Prozent, die zur Ungleichheit beitrügen. Vielmehr sei es „das ganz obere Segment, also eher die 0,1 Prozent“, bei denen das Vermögen exorbitant wachse. Gleichzeitig sei die Datenlage, so Friedrich, was Zahlen in Bezug auf extrem Reiche in Deutschland betrifft, sehr lückenhaft.

In Deutschland gibt es keine offizielle Vermögenstatistik. Im Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung heißt es: „Analysen zur Vermögensungleichheit sind auf Stichprobenbefragungen angewiesen. Diese untererfassen tendenziell die Hochvermögenden, auf die aber ein beträchtlicher Teil des Gesamtvermögens entfällt.“

Einen Anhaltspunkt, wie viele dieser Hochvermögenden es in Deutschland gibt, liefert ein Bericht der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG). Demnach gibt es hierzulande 3.300 sogenannte Superreiche, also Menschen mit mehr als 100 Millionen Dollar Finanzvermögen. Die Zahl stieg laut der BCG im vergangenen Jahr um zehn Prozent. Sie besaßen im Jahr 2023 23 Prozent des gesamten Finanzvermögens.

Die Autoren schreiben: „Je höher das Anfangsvermögen des Einzelnen war, desto höher waren auch die Zuwächse“. Sehr wohlhabende Anleger hätten einen höheren Anteil ihres Vermögens am Kapitalmarkt investiert, so Akin Soysal, Co-Autor des Berichts. „Weniger Vermögende setzen traditionell auf risikoärmere Anlageklassen wie Bankguthaben, Bargeld oder Versicherungen - zulasten der Rendite.“

Deutschland liegt mit seinen 3.300 Superreichen nach den USA und China auf dem dritten Platz im weltweiten Vergleich. Zusätzlich zu den Superreichen gab es laut BCG 2023 etwa 555.000 Dollar-Millionäre in Deutschland, das sind 30.000 mehr als ein Jahr zuvor.

Quellen: