Die Bürgergeld-Debatte: mehr Druck, mehr Sanktionen, mehr Gerechtigkeit?
Zurück zum Fordern und Fördern – mit schärferen Sanktionen: Die CDU will das Bürgergeld in seiner jetzigen Form abschaffen. Ist das dringend notwendig oder Populismus auf dem Rücken der Armen? Muss der deutsche Sozialstaat tatsächlich grundlegend reformiert werden? Wie viel Armut, wie viel Reichtum verträgt unsere Gesellschaft?
Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt während der Sendung keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt HART ABER FAIR nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.
Thomas Wasilewski, Bürgergeld-Empfänger aus Mönchengladbach, engagiert sich in verschiedenen Gruppen für Menschen, die von Armut betroffen sind. Und er setzt sich für höhere Regelsätze ein. In unserer Sendung sagte er: „ (…) der Paritätische Wohlfahrtsverband hat ausgerechnet, dass der Bürger 813 € brauchen würde. Auch die Kirchen, die Sozialverbände, die Caritas, die Diakonie und die Tafel sprechen davon, dass der Regelsatz deutlich höher ausfallen müsste.“
Wie kommt der Paritätische Gesamtverband auf diese Summe?
Der Verband kritisiert seit vielen Jahren die Grundlagen der Regelsatz-Berechnung. Die Regelsätze werden in einem komplizierten Verfahren alle fünf Jahre aus den statistisch erhobenen Ausgaben von Haushalten mit geringen Einnahmen abgeleitet und in der Zwischenzeit unter Berücksichtigung der Preis- und Lohnentwicklung fortgeschrieben. Der Gesetzgeber berücksichtigt dabei aber nicht alle Ausgaben. So werden etwa Ausgaben für alkoholische Getränke nicht berücksichtigt, aber auch einzelne Gesundheits- und Bildungsausgaben, die der Verband als notwendig erachtet.
Das Bundesverfassungsgericht kritisierte bereits 2014, dass nicht nur „die Sicherung des Existenzminimums“ im Mittelpunkt stehen dürfe, sondern der Gesetzgeber auch verpflichtet sei, Preisveränderungen und Marktbedingungen im Blick zu behalten. Das geschieht nach Einschätzung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes bis heute zu wenig.
2024 sind in einem Single-Haushalt zum Beispiel 45,72 Euro monatlich für Strom vorgesehen. Leben mehrere Menschen zusammen sinkt der Betrag pro Person. Stromanbieter rechnen jedoch mit monatlichen Stromkosten von Alleinlebenden in Höhe von 52 Euro.
Was für den Stromverbrauch gilt, überträgt der Paritätische Gesamtverband auf weitere Posten. Dieser strukturellen Kritik folgend kritisierte der Verband auch die jüngste Regelsatz-Erhöhung:
„Die Fortschreibung der Paritätischen Expertise ergibt somit für eine alleinlebende Erwachsene einen Regelbedarf von 813 Euro für 2024, während das Bürgergeld 2024 einen Regelbedarf von 563 Euro vorsieht.“ (Dezember 2023)