Faktencheck - Wut, Proteste, neue Parteien: Wer hält unser Land noch zusammen?

Wut, Proteste, neue Parteien: Wer hält unser Land noch zusammen?

Der Faktencheck zur Sendung vom 29.01.2024

Wut, Proteste, neue Parteien: Wer hält unser Land noch zusammen?

Deutschland 2024: Massendemonstrationen gegen Rechtsextremismus. Gleichzeitig Traktor-Proteste gegen die Ampel: Die Unzufriedenheit mit der Bundesregierung ist groß. Woran liegt das? Auch an der Abstiegsangst vieler Menschen? Wer profitiert vom Unmut? Ist unsere Demokratie in Gefahr?

Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt während der Sendung keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt HART ABER FAIR nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Sahra Wagenknecht über verdeckte Ölimporte aus Russland

Sahra Wagenknecht sagt, dass die Wirtschaftssanktionen die Energiepreise nach oben getrieben hätten. Trotzdem beziehe Deutschland weiter Öl aus Russland. Zwar nicht mehr direkt, aber über den Umweg Indien. „Wir importieren immer noch recht viel russische Energie, nur wir importieren sie nicht mehr direkt.“

Das Statistische Bundesamt hat sich die Importe aus Indien genauer angeschaut. Fakt ist: Von Januar bis Juli 2023 sind die deutschen Einfuhren von Mineralölerzeugnissen aus Indien im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um das Zwölffache auf 451 Millionen Euro gestiegen. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Gasöle, die für die Herstellung von Diesel oder Heizöl genutzt werden. Aber: Der Anteil aus Indien an allen deutschen Importen von Mineralölerzeugnissen liegt laut Statistischem Bundesamt bei gerade einmal 2,4 Prozent.

Die finnische Denkfabrik Center for Research on Energy and Clean Air versucht, anhand von Daten zu dokumentieren, wohin Russland Rohöl in welchen Mengen verkauft. Demnach lieferte Russland seit Inkrafttreten der EU-Sanktionen im Dezember 2022 deutlich mehr Rohöl nach Indien. Im Vergleich zu den elf Monaten vor Inkrafttreten stiegen die Importwerte um 134 Prozent auf 32 Milliarden Euro.

„Anhand der Handelsdaten kann man nicht nachvollziehen, ob Indien russisches Rohöl für die Herstellung des exportierten Gasöls verwendet hat“, gibt Dorothee Hillrichs vom Ifo-Institut zu bedenken. Es könne auch sein, dass Indien das russische Öl nur in der eigenen Wirtschaft einsetzt. Russland sei nicht der einzige Lieferant. Hillrichs: „Aber die hohen Mengen, die Indien unter anderem an Deutschland ausführt, lassen eher den Schluss zu, dass auch russisches Öl dabei ist. Unterscheiden und damit beweisen lässt sich das aber nicht.“

Carsten Schneider zur sinkenden Inflationsrate in Deutschland

Die Inflation in Deutschland werde laut Bundesbank im Laufe des Jahres auf etwa  2,4 Prozent runtergehen, sagt Carsten Schneider (SPD).

Die Bundesbank geht in der Deutschland-Prognose, die im Dezember veröffentlicht wurde, tatsächlich von einer sinkenden Inflation im Jahr 2024 aus. Allerdings weichen die Zahlen leicht von Carsten Schneiders Aussage ab. Im Bericht heißt es: „Die Teuerungsrate dürfte 2023 auf jahresdurchschnittlich 6,1 Prozent zurückgehen und kommendes Jahr weiter auf 2,7 Prozent fallen.“

Auch DIW-Präsident Marcel Fratzscher blickt positiv auf 2024. Nach der Prognose seines Instituts stehen die Chancen gut, dass die Inflation deutlich abnehmen wird und bei 2,4 Prozent liegen könnte. Allerdings gebe es auch viele Unsicherheiten, die die wirtschaftliche Entwicklung beeinflussen könnten. Eine Eskalation der Kriege in der Ukraine oder im mittleren Osten, zunehmende Handelskonflikte oder Naturkatastrophen könnten so auch schnell wieder stark steigende Preise zur Folge haben. Die Inflation dürfte nach seiner Ansicht weiterhin „sehr unsozial“ sein. „Menschen mit geringen Einkommen erfahren eine zwei- bis dreimal höhere Inflation als Menschen mit hohen Einkommen.“