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Der 60 Milliarden-Rumms: Geht der Ampel die Kohle aus?

Der Faktencheck zur Sendung vom 20.11.2023

Das Bundesverfassungsgericht sperrt 60 Milliarden für den Ampelhaushalt: Wo will die Regierung so viel Geld einsparen? Geht jetzt der Streit um mehr Schulden oder höhere Steuern los? Und was bleibt von Reformen und Öko-Umbau, von Fördergeld für E-Autos und neue Heizungen?

Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt während der Sendung keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt hartaberfair nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Serap Gülers Vorwurf an Katharina Dröge

Serap Güler wirft Katharina Dröge vor, den Abbau von Arbeitsplätzen bei Ford auf Twitter gefeiert zu haben. Dem widerspricht Katharina Dröge energisch.

Serap Güler

00:59 Min. Verfügbar bis 20.11.2024

Der Vorwurf ist nicht gerechtfertigt. Katharina Dröge hat sich auf X (ehemals Twitter) in einigen, wenigen Posts zu Entscheidungen des EU-Parlaments und der EU- Mitgliedsstaaten, in Zukunft keine Verbrenner-Autos mehr zuzulassen, die mit Benzin oder Diesel fahren, geäußert. Nachdem das EU-Parlament sich für das Verbot von Verbrenner-Autos ab dem Jahr 2035 ausgesprochen hatte, schrieb Katharina Dröge im Februar dieses Jahres auf “X“: “Gut, dass das EU-Parlament das endgültige #Verbrenner-Aus beschlossen hat. Ab 2035 dürfen keine PKW & Kleintransporter mit Verbrennermotor mehr neu zugelassen werden. Extrem wichtig für den #Klimaschutz und essentiell für die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens. Es ist auch ein wichtiges Signal für Industrie und Wirtschaft: das Aus des Verbrenners schafft Planungs- und Investitionssicherheit und wird zum Motor für die Transformation in der europaweiten #Verkehrswende hin zur Elektromobilität.“

Etwa einen Monat später einigten sich auch die Staats- und Regierungschefs der EU auf das Aus für Verbrenner-Motoren. Hierzu schrieb Katharina Dröge am 28.03.23 auf “X“: “Gut, dass das Hin und Her ein Ende hat und dem europaweiten Aus des fossilen Verbrenners zustimmt. An der Verlässlichkeit darf es in der keinen Zweifel geben. Nun hat die Autoindustrie Planungssicherheit und kann den Turbo für eMobilität einlegen.“ In ähnlichem Wortlaut äußerte sie sich am gleichen Tag auch in einem Interview mit der “Welt am Sonntag“.

Katharina Dröge begrüßte also einfach nur eine politische Entscheidung, für die sie sich mit ihrer Partei – ebenso wie ihre Koalitionspartner SPD und FDP – eingesetzt hatte. Hieraus ein “Abfeiern“ über einen Stellenabbau bei Ford abzuleiten, geht zu weit und ist schlicht falsch. Zumal sich nach unseren Recherchen Katharina Dröge auf Twitter niemals zum Stellenabbau bei Ford geäußert, geschweige denn ihn “abgefeiert“ hat.

Ford steht – wie die gesamte Autoindustrie – bei der Transformation in die Elektro-Mobilität vor großen Herausforderungen. Der Abbau von 2300 Stellen an den Standorten Köln und Aachen bis zum Jahr 2025 wird von Experten allerdings auch mit der schlechten Unternehmensbilanz des amerikanischen Mutterkonzerns begründet, der im vergangenen Jahr zwei Milliarden Dollar Verlust gemacht hat. Ford sah sich gezwungen “aggressive Maßnahmen“ zu ergreifen, um die Kosten in Produktion und Lieferketten drastisch zu senken. Ursprünglich wollte Ford, das bis 2035 nur noch E-Autos produzieren will, 3200 Stellen streichen. In Verhandlungen mit der IG-Metall und dem Betriebsrat einigte man sich schließlich auf die Streichung von insgesamt 2300 Stellen in Köln und Aachen. Dieser Abbau soll über Altersteilzeit und hohe Abfindungen sozialverträglich abgewickelt werden. Bis Ende 2035 wird es darüber hinaus keine betriebsbedingten Kündigungen geben. Ein Ergebnis, mit dem sich Gewerkschaft und Betriebsrat zufrieden zeigten. „Nach zwei harten Verhandlungswochen zwischen den Betriebsparteien ist eine Zukunftsvereinbarung gelungen, die sowohl Kosteneinsparungen für das Unternehmen beinhaltet als auch die Absicherung der deutschen Standorte für die Beschäftigten“, so die Gewerkschaft.

Linda Teuteberg über den Haushalt 2024

Linda Teuteberg sagt, der geplante Haushalt für 2024 sei zwar ein Schritt in Richtung Konsolidierung, allerdings weit von einem Sparhaushalt entfernt. Im Gegenteil: Er liege um 90 Milliarden Euro höher als im Vorkrisenjahr 2019.

Linda Teuteberg

00:27 Min. Verfügbar bis 20.11.2024

Das ist richtig. Hatte der Bundeshaushalt im Jahr 2019 noch ein Volumen von 356,8 Milliarden Euro, sieht der Haushaltsentwurf der Bundesregierung für das kommende Jahr Ausgaben in Höhe von 445,7 Milliarden Euro vor - 25 Prozent mehr als im Jahr 2019. Hinzu kommen diverse Sondervermögen. So will die Bundesregierung zum Beispiel die Bundeswehr in den kommenden Jahren mit 100 Milliarden Euro zur Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit ausstatten. 19,2 Milliarden Euro hiervon sind für das kommende Jahr verplant. Und auch der Klima- und Transformationsfonds (KTF) fällt laut Finanzbericht des Bundesfinanzministeriums unter Sondervermögen. Sein Volumen bis zum Jahr 2027 sollte über 200 Milliarden Euro betragen und speist sich unter anderem aus Einnahmen aus dem CO2-Preis, den Industrie, Wirtschaft und jeder einzelne Bürger für den Verbrauch von fossilen Brennstoffen wie Benzin, Gas oder Öl bezahlen. Alleine im kommenden Jahr sollten laut Finanzbericht 57,6 Mrd. Euro in Klimaschutzprogramme fließen. Darunter die Förderung energieeffizienter Gebäude, der Ausbau der Bahninfrastruktur, die Förderung von Chip-Fabriken, der Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur sowie Investitionen in die Ladeinfrastruktur für E-Autos. Einen nicht unwesentlichen Anteil am KTF sollten nach dem Willen der Bundesregierung Gelder aus nicht benötigten Corona-Hilfen beisteuern – immerhin 60 Milliarden Euro. Dieser Umwidmung hatte das Bundesverfassungsgericht in der vergangenen Woche einen Riegel vorgeschoben und entschieden, dass das entsprechende Nachtragshaushaltsgesetz aus dem Jahr 2021 gegen die Verfassung verstößt. Damit fehlen dem KTF auf einen Schlag 60 Milliarden Euro. Ob sich die Bundesregierung nun von bestimmten Projekten verabschieden wird oder inwieweit sie neue Prioritäten setzten wird, ist derzeit noch völlig offen.

Katharina Dröge über umweltschädliche Subventionen

Katharina Dröge kann sich vorstellen, durch den Abbau umweltschädlicher Subventionen Geld für den Haushalt einzusparen. Laut Umweltbundesamt seien dies immerhin 60 Milliarden Euro pro Jahr.

"hart aber fair" - Gästerunde

00:07 Min. Verfügbar bis 20.11.2024

Für das Jahr 2018 schätzte das Umweltbundesamt (UBA) die umweltschädlichen Subventionen auf mindestens 65,4 Milliarden Euro. Alleine der Verkehrssektor profitierte von 47 Prozent (30,8 Mrd. Euro) dieser Subventionen. 39 Prozent (25,4 Mrd. Euro) entfielen auf Subventionen für die Energiebereitstellung. Für besonders sinnvoll hält UBA-Präsident Dirk Messner den Subventionsabbau beim Dienstwagenprivileg. Hiervon profitierten vor allem Haushalte mit hohem Einkommen. “Diese Subvention ist nicht nur umweltschädlich, sondern auch sozial ungerecht. Sie gehört abgeschafft“, so Messner. Gleichzeitig stellt das UBA aber klar, dass freiwerdende Mittel durch den Abbau klimaschädlicher Subventionen nicht zwangsläufig ein Plus im Bundeshaushalt in entsprechender Höhe bedeuten müssen. So sei es etwa nötig, beim Abbau solcher Subventionen auch Maßnahmen zu ergreifen, die negative soziale und wirtschaftliche Folgen abfedern, die “erhebliche Teile der frei gewordenen Mittel binden können.“

Zu einer ähnlichen Größenordnung kommt eine Studie des Forums Ökologische Marktwirtschaft (FÖS) und Prognos AG im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung, die erst vor wenigen Tagen veröffentlicht wurde. Auch die Autoren dieser Studie schätzen die jährlichen umweltschädlichen Subventionen auf 65 Milliarden Euro. Die Studie macht darüber hinaus Reformvorschläge zum Abbau von umweltschädlichen Subventionen. Alleine beim Dienstwagenprivileg könnten zwischen 2024 und 2030 jährlich durchschnittlich 5,7 Mrd. Euro eingespart werden, so die Untersuchung.

Stand: 21.11.2023, 12:09 Uhr