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Löhne hoch, Arbeitszeit runter: Keinen Bock mehr auf Leistung?

Der Faktencheck zur Sendung vom 13.11.2023

Die Wirtschaft schrumpft, die Ansprüche der Beschäftigten steigen. Kräftige Lohnerhöhungen, die 4-Tage Woche: alles zurecht? Oder zuviel Anspruch bei weniger Leistungswille? Dann noch höheres Bürgergeld, steigende Mindestlöhne: Können wir uns das alles leisten?

Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt während der Sendung keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt hartaberfair nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Hubertus Heil über Beschätftigte in Tarifbindung

Für Hubertus Heil sind Tariflöhne eine entscheidende Voraussetzung für gerechte Löhne. Allerdings seien heute nur noch 50 Prozent der Beschäftigen in Jobs beschäftigt, die an Tarifverträge geknüpft sind.

Hubertus Heil

Hart aber fair 00:18 Min. Verfügbar bis 13.11.2024 Das Erste

Die Größenordnung ist richtig. Laut Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) waren im vergangenen Jahr nur 52 Prozent der Beschäftigten in Jobs, die der Tarifbindung unterliegen. 43 Prozent hiervon fielen unter Branchen- oder Flächentarifverträge, neun Prozent hatten einen Firmen- bzw. Haustarifvertrag. Damit hat sich der seit vielen Jahren fortschreitende Trend zu weniger Tarifbindung auch im vergangenen Jahr weiter fortgesetzt. Zum Vergleich: Noch 25 Jahre zuvor konnten 79 Prozent aller Beschäftigten einen Arbeitsvertrag vorweisen, der auf Grundlage eines Tarifvertrags abgeschlossen worden war. Von den 48 Prozent der Arbeitsverträge, die im vergangenen Jahr keine Tarifbindung hatten, orientierte sich immerhin gut die Hälfte (53 Prozent) an Tarifabschlüssen. Die Daten des IAB zeigen, dass drei Viertel aller Unternehmen keiner Tarifbindung unterliegen. Nur ein Viertel der Betriebe bezahlt seine Beschäftigten nach Tarif.

Ronja Ebeling über gestiegene Kosten der Lohnfortzahlung

Ronja Ebeling kann sich vorstellen, eine 4-Tage-Woche könnte sich positiv auf die Zahl Krankheitstage auswirken, was der gesamten Volkswirtschaft zu Gute kommen würde. Schließlich hätten sich die Kosten für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall seit 2012 nahezu verdoppelt.

Ronja Ebeling (mi) mit Christiane Benner und Hendrik Ambrus

Hart aber fair 00:30 Min. Verfügbar bis 13.11.2024 Das Erste

Ronja Ebeling hatte mutmaßlich Zahlen im Hinterkopf, die das Institut unseres Gastes Michael Hüther erst im September dieses Jahres veröffentlich hat. Tatsächlich schätzen die Experten des IW Köln, dass die Arbeitgeber im vergangenen Jahr insgesamt 70,2 Milliarden Euro für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall aufwenden mussten. 58,4 Milliarden Euro hiervon entfielen auf die Fortzahlung des Lohns, 11,8 Milliarden auf die zu zahlenden Sozialversicherungsbeiträge. Damit haben die Kosten für die Lohnfortzahlung laut IW Köln ein Rekordniveau erreicht. Für das Jahr 2012 beziffern die Forscher des IW Köln die Kosten für Lohnfortzahlungen auf 46,3 Milliarden Euro (38,6 Mrd. für Bruttolohn und 7,7 Mrd. für Sozialversicherungsbeiträge). Das ist zwar keine Verdopplung, dennoch eine sehr deutliche Steigerung.

Ronja Ebeling über Berufsorientierung und überforderte Schüler

Ronja Ebeling sagt, die Hälfte aller Schüler und Schülerinnen fühle sich bei der Berufsorientierung überfordert oder schlecht beraten.

Ronja Ebeling

Hart aber fair 00:34 Min. Verfügbar bis 13.11.2024 Das Erste

Zu dieser Erkenntnis kommt zumindest eine Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem vergangenen Jahr. Demnach fühlen sich 53 Prozent aller Jugendlichen von der Vielzahl an Informationen zur Berufswahl überfordert und finden sich nur schwer zurecht. Gleichzeitig halten nur 37 Prozent der Befragten die Unterstützung bei der Berufsorientierung für ausreichend. Bei Jugendlichen mit niedriger Schulbildung sind es sogar nur 30 Prozent. Die wichtigste Unterstützung bei der Berufsorientierung stellen für die Jugendlichen mit großem Abstand die eigenen Eltern dar. 73 Prozent der Jugendlichen gaben an, sich bei der Suche nach einem Beruf von den Eltern beraten zu lassen. Es folgen Lehrer (55 Prozent), das Internet (48 Prozent) und mit Abstand die Berufsberatung der Arbeitsagentur (36 Prozent). Drei Viertel aller Schüler haben sich selbstständig und unabhängig von der Schule über mögliche Berufe informiert. Laut Bertelsmann-Studie bedeutet dies aber auch, dass immerhin 24 Prozent einen Anstoß brauchen, um sich über Berufsmöglichkeiten schlau zu machen.

Stand: 14.11.2023, 09:21 Uhr