Der Weg der Gewalt: Kann das Sterben in Nahost gestoppt werden?
Der Faktencheck zur Sendung vom 30.10.2023
Israels Dilemma: Den Terror der Hamas mit einer Offensive in Gaza beantworten? Oder verhandeln, Geiseln retten, einen Mehrfronten-Krieg und den Tod vieler Zivilisten vermeiden? Aber beugt sich das Land dann so seinen Feinden? Und stehen die Verbündeten wirklich treu zu Israel?
Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt während der Sendung keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt hartaberfair nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.
Stimmung in Israel
Shimon Stein sagt, innerhalb der israelischen Bevölkerung schwinde der Rückhalt für eine Bodenoffensive der israelischen Armee im Gazastreifen.
Das zumindest ist das Ergebnis einer vielzitierten Umfrage der israelischen Zeitung “Maariv“ von vor wenigen Tagen. Demnach sprach sich fast die Hälfte (49 Prozent) der befragten Israelis gegen eine “sofortige“ Bodenoffensive im Gazastreifen aus. Nur 29 Prozent waren dafür, mit der Bodenoffensive gegen die Hamas sofort zu beginnen. Nur eine Woche zuvor lag die Zustimmung zu einer Bodenoffensive laut “Maariv“ in einer vom gleichen Institut durchgeführten Umfrage noch bei 65 Prozent. Im Vergleich zu der aktuelleren Umfrage wurde hier allerdings nicht nach dem konkreten Zeitpunkt eines Einmarschs gefragt.
Lösungsansätze im Nahostkonflikt
Wie eine dauerhafte Lösung des Nahostkonflikts schnell herbeigeführt werden kann, vermochten auch unsere Gäste nicht zu beantworten.
Seit vielen Jahrzehnten bemüht sich die internationale Gemeinschaft Lösungen für ein dauerhaft friedliches Miteinander zwischen Israelis und Palästinensern zu finden. Kaum eine andere Region auf der Welt stand so häufig im Mittelpunkt internationaler Friedensbemühungen und Abkommen. Dass es bis heute keine Einigung gibt, zeigt, wie verfahren die Situation im Nahen Osten ist. Ansätze für eine Lösung gab es in der Vergangenheit reichlich:
Zweistaaten-Lösung
Die Idee einer Zweistaatenlösung keimte erstmals im Jahr 1937 auf, als die “Peel-Kommission“ sich für die Teilung Palästinas in zwei Staaten – einen jüdischen und einen arabischen – ausgesprochen hatte. Zehn Jahre später sollte eine Zweistaaten-Lösung erstmals auch völkerrechtlich manifestiert werden. Die Vereinten Nationen stimmten mehrheitlich für die Resolution 181. Diese sah die Teilung Palästinas in zwei unabhängige Staaten vor. Die arabischen Staaten lehnten diese Resolution jedoch ab. Nach dem Ende des britischen – noch vom Völkerbund beauftragten – Mandats über Palästina im Mai 1948 rief David Ben Gurion den Staat Israel aus. Nur wenige Stunden später zogen arabische Staaten - darunter Ägypten, der Libanon und Syrien - in den Krieg gegen den neuen jüdischen Staat. Es sollte nicht der letzte in der Region gewesen sein. Bis heute wird das Konzept der Zweistaaten-Lösung international als “alternativlos“ angesehen. Zu diesem Schluss kommt unter anderem der wissenschaftliche Dienst des Bundestags. Gleichzeitig aber habe die Skepsis gegenüber diesem Lösungsansatz “erheblich zugenommen“. Gründe hierfür seien die de facto Kontrolle Israels über Ost-Jerusalem und das Westjordanland sowie die dortige Siedlungspolitik Israels. Heute scheint eine Zweistaaten-Lösung in weiter Ferne. Nicht nur der wissenschaftliche Dienst beobachtet daher verstärkte Debatten über weitere Lösungsansätze.
Ein-Staaten-Modell
Das Modell klingt am einfachsten, birgt aber, wie alle anderen Ansätze auch, Probleme und Konfliktpotenzial. Israel, das Westjordanland und der Gaza-Streifen bilden einen Staat, in dem Juden und Araber gleichberechtigt leben können. Allerdings ist die Akzeptanz für ein solches Ein-Staaten-Modell sowohl unter Israelis als auch unter Palästinensern sehr gering. So befürchten die Israelis etwa, dass Israel aufgrund der dann mehrheitlich arabischen Bevölkerung seinen Charakter eines jüdischen Staates verlieren werde.
Dreistaatenlösung
Weniger Gewicht wird den verschiedenen Ansätzen einer Dreistaatenlösung beigemessen. So verfolgt eine Variante den Ansatz, den Gaza-Streifen unter ägyptische und das Westjordanland unter jordanische Kontrolle zu stellen. Eine weitere Idee einer Dreistaatenlösung sieht neben Israel zwei weitere eigenständige palästinensische Staaten vor – einer im Gaza-Streifen, der zweite im Westjordanland.
Stand: 31.10.2023, 11:11 Uhr