Einigung bei der Kindergrundsicherung: Mauer Kompromiss oder wirklicher Fortschritt?

Der Faktencheck zur Sendung vom 29.08.2023

Nach der Nachtsitzung im Kanzleramt: Hat die Ampel nur sich selbst gerettet oder hilft der Last-Minute-Kompromiss auch armen Familien? Was stärkt die Aufstiegschancen benachteiligter Kinder: Mehr Geld direkt aufs Konto der Eltern oder für eine bessere Förderung in Schulen und Kitas?

Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt während der Sendung keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt hartaberfair nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Serap Güler über Kürzungen bei Sprach-Kitas und Beratung

Für Serap Güler passt die Forderung von Christian Lindner, mehr Geld in die Integration zu investieren, nicht mit seinem Haushaltsplan für das kommende Jahr zusammen. So habe der Bund bereits die Förderung von Sprach-Kitas beendet und plane darüber hinaus eine Mittel-Kürzung für die Beratung von Migranten um 30 Prozent.

Serap Güler mit Louis Klamroth

Seit 2016 förderte der Bund mit dem Programm “Sprach-Kitas“ eine wichtige Säule der Integration und sprachlichen Bildung in der Kindertagesbetreuung. Die Förderung richtete sich im Besonderen an Kitas mit einem hohen Anteil von ausländischen Kindern. Tatsächlich wurde diese Bundes-Förderung in diesem Sommer eingestellt. Ursprünglich sollte die Förderung schon Ende 2022 beendet werden. Das Ende der Bundesförderung bedeutet allerdings nicht automatisch auch das Aus für Sprach-Kitas. 14 der 16 Bundesländer haben beschlossen, die Sprach-Kita-Förderung im Rahmen des so genannten “Kita-Qualitätsgesetzes“ aus Landesmitteln fortzuführen. Lediglich Rheinland-Pfalz und Sachsen gehen einen anderen Weg und wollen die Förderung von Sprach-Kitas nicht übernehmen. Sie setzen auf „alltagsintegrierte Sprachförderung“. Das aber stößt bei Kita-Fachkräften auf Kritik. Angesichts des Mangels an Erziehern und Erzieherinnen sei eine Sprachförderung im Kita-Alltag nur sehr punktuell möglich, so Claudia Theobald vom rheinland-pfälzischen Kita-Fachkräfteverband gegenüber dem SWR.

Richtig ist auch, dass Bundesfinanzminister Lindner die Mittel für die Beratung von Migranten drastisch kürzen will. In seinem Entwurf für den Bundeshaushalt 2024 sind hierfür nur noch 57,5 Millionen Euro vorgesehen. In diesem Jahr stehen für die Beratung noch 81,5 Millionen Euro zur Verfügung. Sollte sich Lindner mit seinem Entwurf durchsetzen, wäre das eine Kürzung um ein Drittel.

Ricarda Lang über die Vielzahl von familienbezogenen Leistungen

Ricarda Lang erhofft sich durch die Bündelung von staatlichen Leistungen für Kinder einen Abbau der Bürokratie. In Deutschland gebe es rund 175 unterschiedliche familienpolitische Leistungen.

Ricarda Lang mit Heinz Hilgers

In Deutschland gibt es tatsächlich eine Vielzahl an familienpolitischen Leistungen. Die aktuellste Bestandsaufnahme des Familienministeriums, die wir finden konnten, stammt aus dem Jahr 2012 und umfasst über 150 “ehe- und familienbezogene Einzelmaßnahmen“. Dabei handelt es sich jedoch nicht, wie man vielleicht vermuten könnte, ausschließlich um direkte Geldleistungen. Vielmehr unterscheidet das Bundesfamilienministerium verschiedene Kategorien, in denen alle Einzelmaßnahmen bis ins kleinste Detail aufgelistet werden. Hierzu zählen direkte Geldleistungen wie Elterngeld und Kinderzuschlag ebenso, wie Maßnahmen der Sozialversicherung, etwa die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern und Jugendlichen.

Insgesamt bezifferte das Familienministerium die Ausgaben für die familienpolitischen Leistungen für das Jahr 2012 auf rund 200 Milliarden Euro. Dabei entfiel ein großer Teil des Finanzvolumens auf steuerrechtliche Maßnahmen, die die familiären Umstände berücksichtigen. Hierunter fallen Freibeträge ebenso wie das Kindergeld. Rund 45 Milliarden Euro der familienbezogenen Leistungen beruhten auf steuerlichen Regelungen. Demgegenüber standen 24,4 Mrd. Euro an Geldleistungen. Die komplette Liste der Familien-Leistungen finden Sie hier: