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Altern in Würde oder in Armut: Wer kann sich gute Pflege noch leisten?

Der Faktencheck zur Sendung vom 24.04.2023

Die rasant steigenden Kosten schockieren Alte, Kranke und Angehörige. Pflegeheime stehen reihenweise vor der Pleite. Wird so gute Pflege unbezahlbar? Wie stark wird die Pflegeversicherung noch steigen? Und was bringen die Hilfspläne des Gesundheitsministers?

Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt während der Sendung keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt hartaberfair nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Jochen Springbaum über Vernachlässigung jüngerer Pflegebedürftiger

Für Jochen Springborn liegt der Fokus beim Thema Pflege zu sehr auf älteren Menschen. Seiner Ansicht nach werden die Bedürfnisse von jüngeren Pflegebedürftigen zu wenig in den Blick genommen. Er sagt, in Deutschland gebe es alleine 270.000 pflegebedürftige Kinder.

Weitet man die Aussage von Jochen Springborn auf Kinder und Jugendliche aus, so ist die Größenordnung richtig. Laut Bundesgesundheitsministerium waren Ende 2021 rund 208.000 Kinder unter 15 Jahren auf Pflege angewiesen. Hinzu kamen weitere rund 64.000 Jugendliche zwischen 15 und 20 Jahren. Auffällig ist, dass der Anteil der pflegebedürftigen Kinder unter 15 Jahren an allen Pflegebedürftigen mit 4,5 Prozent in etwa genauso hoch liegt, wie der Anteil der Pflegebedürftigen im Alter zwischen 60 und 65 Jahren. Der Vorwurf von Springborn, in der Pflege-Debatte gehe es zu selten um jüngere Pflegebedürftige und zu häufig um die älteren, ist nachvollziehbar, wenn man sich die Statistiken genauer anschaut. Betrachtet man alle Pflegebedürftigen bis zu einem Alter von 65 Jahren – also im Großen und Ganzen noch im Erwerbstätigenalter – summiert sich ihr Anteil an allen Pflegebedürftigen auf immerhin 25 Prozent.

Silke Behrendt-Stannies über steigende Zahlen von Pflegebedürftigen

Für Silke Behrendt-Stannies ist das Tempo der nötigen Veränderungen in der Pflege nicht hoch genug. Sie erinnert an die rasant steigenden Zahlen von Menschen, die Pflege benötigen. Wie hat sich die Zahl der Pflegebedürftigen in den vergangenen Jahren entwickelt?

Die Gesellschaft in Deutschland altert. Dies führt dazu, dass hierzulande immer mehr Menschen auf Pflege angewiesen sind. Laut statistischem Bundesamt waren im Jahr 1999 in Deutschland etwas über zwei Millionen Menschen pflegebedürftig. In den folgenden 22 Jahren hat sich diese Zahl auf 4,9 Millionen mehr als verdoppelt. Im Jahr 2017 wurden die Kriterien, ab wann jemand als pflegebedürftig gilt, weiter gefasst, was dazu führte, dass die Zahl der Pflegebedürftigen seither besonders deutlich ansteigt, so das statistische Bundesamt.

Über 80 Prozent der Pflegebedürftigen wurden im Jahr 2021 zu Hause betreut. In 63 Prozent dieser Fälle waren es die Angehörigen, die sich überwiegend um die Pflege ihrer Nächsten gekümmert haben. 21 Prozent wurden durch ambulante Pflegedienste unterstützt. Von allen Pflegebedürftigen lebten 16 Prozent in Pflegeheimen.

Prognosen gehen davon aus, dass die Zahl der Pflegebedürftigen weiter steigen wird. So prognostiziert der letzte Barmer-Pflegereport, dass es im Jahr 2030 rund sechs Millionen Menschen geben könnte, die auf Pflege angewiesen sein werden. Die Zahl könnte bis 2050 – je nach Anstieg der Lebenserwartung – auf sieben bis acht Millionen steigen, so die Autoren des Reports, Heinz Rothgang und Rolf Müller von der Uni Bremen.

Stand: 25.04.2023, 09:09 Uhr