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Saufen normal, Kiffen bald legal: Ist Deutschland auf dem falschen Trip?

Der Faktencheck zur Sendung vom 23.01.2023

Ein bis drei Bier sind noch ok. Aber ein Joint ist ein Fall für die Polizei. Wird so der Suff verharmlost, das Kiffen verteufelt? Unser Gast, Gesundheitsminister Lauterbach, will jetzt Cannabis legalisieren: Wie gefährlich ist das für Jugendliche und wie glaubwürdig ist ein Staat, der zum Dealer wird?

Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt während der Sendung keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt hartaberfair nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Karl Lauterbach über das tägliche Glas Rotwein

Karl Lauterbach ist sich der Risiken des regelmäßigen Genusses von Rotwein durchaus bewusst. Es gebe aber auch Hinweise, dass ein Glas Rotwein am Tag auch positive Effekte haben könne.

Ein Glas Rotwein pro Tag ist gut fürs Herz. Ein Satz, der schon seit vielen Jahrzehnten kursiert und der den einen oder anderen vielleicht auch vor einem schlechten Gewissen bewahrt, wenn er oder sie sich am Abend bei einem Glas Rotwein nach einem harten Arbeitstag entspannt. Zu den Wirkungen von Rotwein – positive wie negative – gibt es unzählige Studien. Eine Erkenntnis ist allen Untersuchungen gemein: Die Risiken des Alkohols überwiegen die möglichen positiven Effekte bei weitem. Es gibt Studien, wie die von Pharmazeutikern der Universität Neapel aus dem Jahr 2019, die bei moderatem Konsum von Rotwein eine positive Wirkung auf die Gesundheit für möglich halten. So hätte Rotwein antioxidative und entzündungshemmende Eigenschaften gezeigt, die das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken können. Gleichzeitig machten sie aber deutlich, dass weitere Kenntnisse erforderlich seien, um die Zusammenhänge besser verstehen zu können.

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZGA) weist allerdings darauf hin, dass solche Befunde inzwischen angezweifelt werden dürfen. Neuere Untersuchungen und Prüfungen älterer Studien hätten ergeben, dass eine gesundheitsfördernde Wirkung von Wein nicht nachgewiesen werden konnte. Darüber hinaus verweisen sie auf Mängel bei der Methodik vieler Studien. Die BZGA stellt klar: “Alkohol ist ein Zellgift und daher immer schädlich für den Körper, auch in geringen Mengen.“ Auch wenn das gesundheitliche Risiko bei Einhaltung bestimmter Grenzen verhältnismäßig gering sei, erhöhe häufiges Trinken die Gefahr für Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen.

Dass Alkohol das Risiko von Herz-Kreislauferkrankungen deutlich steigert, haben Forscher aus Cambridge und anderen Hochschulen in einer groß angelegten Meta-Studie bereits im Jahr 2018 nachgewiesen. Die Epidemiologin Angela Wood und ihre Kollegen analysierten die Daten von 600.000 Alkohol-Konsumenten ohne Herz-Erkrankungen. Schon ab einer Menge von 100 Gramm reinem Alkohol pro Woche sinkt demnach die Lebenserwartung und steigt gleichzeitig die Gefahr von Schlaganfällen und Bluthochdruck. Allerdings sei Alkoholkonsum ebenso mit einem leicht geringeren Risiko für Herzinfarkte, die nicht tödlich enden, verbunden, räumt Angela Wood ein. Diese Studie veranlasste zahleiche Ärzte und Wissenschaftler zu der Forderung, die empfohlenen Richtwerte für den täglichen Alkoholkonsum zu überdenken.

Markus Blume über Alkoholkonsum in Deutschland

Markus Blume sagt, der Konsum von Alkohol gehe seit Jahren zurück. Vor 30 Jahren sei er fast doppelt so hoch gewesen.

Richtig ist, dass der Konsum von Alkohol in den vergangenen Jahren kontinuierlich abgenommen hat. Laut statistischem Bundesamt konsumierten die Deutschen rein rechnerisch im Jahr 2011 noch 11,4 Liter reinen Alkohol. Seither sank der Konsum fast stetig auf 10,7 Liter im Jahr 2020. Dass die Deutschen vor 30 Jahren aber fast doppelt so viel getrunken haben, ist übertrieben. Laut Daten der Weltgesundheitsorganisation WHO wurden im Jahr 1990 statistisch 14,9 Liter reiner Alkohol getrunken – also etwa 40 Prozent mehr als 2020. Noch deutlicher stellt sich der Rückgang des Alkoholkonsums bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen dar. Nach Daten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung tranken 1973 noch zwei Drittel aller 18-25-jährigen regelmäßig Alkohol. 2021 waren es nur noch 32 Prozent. Bei Kindern und Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren sank der Anteil von 25,4 Prozent im Jahr 1979 auf 8,7 Prozent in 2021.

Cannabis-Konsumenten in Kanada

Seit 2018 darf in Kanada legal Cannabis gekauft werden. In unserem Einspielfilm haben wir abgebildet, wie sich die Zahl der Konsumenten seither entwickelt hat. Hier noch einmal einige Details der kanadischen Studie.

Eine Datenerhebung der kanadischen Regierung (Canadian Cannabis Survey) aus dem vergangenen Jahr zeigt die Entwicklung der Cannabis-Konsumenten, seit dem Jahr 2018, in dem der Verkauf von Cannabis legalisiert wurde. Gaben 2018 noch 22 Prozent aller Kanadier über 16 Jahre an, in den vergangenen 12 Monaten Cannabis genutzt zu haben, stieg ihr Anteil bis 2022 auf 27 Prozent an. Besonders deutlich war der Anstieg zwischen 2018 und 2019 bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. 2018 konsumierten 36 Prozent der 16 bis 19-jährigen Cannabis. Ihr Anteil stieg im Folgejahr auf 44 Prozent an. Ähnlich stark wuchs die Gruppe der Cannabis-Nutzer unter den 20 bis 24-jährigen. 44 Prozent in dieser Altersgruppe nahmen 2018 Cannabis. Ein Jahr später waren es bereits 51 Prozent. Während die 16 bis 19-jährigen seit 2020 aber wieder deutlich weniger konsumieren, blieb der Anteil der Konsumenten unter den 20 bis 24-jährigen nahezu konstant. In dieser Altersgruppe kifft in Kanada bis heute jeder zweite.

Stand: 24.01.2023, 11:09 Uhr