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Alles auf eine Karte: Wie hoch pokert Putin noch?

Der Faktencheck zur Sendung vom 26.09.2022

Die Ukraine kann siegen und Russland ist schwer angeschlagen. Was bringt jetzt Putins Mobilmachung? Wächst dadurch der Widerstand gegen ihn im eigenen Land? Und was wagt Putin noch, wenn er am Abgrund steht – militärisch und im Wirtschaftskrieg gegen den Westen?

Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt während der Sendung keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt hartaberfair nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Serap Güler über Russlands Atom-Drohungen

Serap Güler erinnert daran, dass die Drohungen mit Atomwaffen durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin aus der vergangenen Woche nicht die ersten dieser Art waren. Nukleare Drohungen habe er schon zu Beginn des Ukraine-Krieges ausgesprochen.

Es ist richtig, dass Wladimir Putin schon zu Beginn des Krieges gegen die Ukraine atomare Drohungen ausgestoßen hat. Die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) hat die Rhetorik der russischen Regierung genau unter die Lupe genommen und detailliert dokumentiert, mit welchen Äußerungen sie eskalierend aber auch deeskalierend oder lediglich ermahnend zum Krieg in der Ukraine beigetragen hat. So hat sich Putin bereits am ersten Tag des russischen Angriffs auf die Ukraine aus seinem atomaren Wortschatz bedient und daran erinnert, dass Russland eine der mächtigsten Atommächte sei und niemand daran zweifeln solle, dass ein direkter Angriff auf sein Land zu einer Niederlage führen werde. Nur wenige Tage später wies er seinen Verteidigungsminister Schoigu und den Generalstabschef Gerassimow an, die „russischen Abschreckungskräfte“, zu denen auch Nuklearwaffen gehören, in besondere Kampfbereitschaft zu versetzen.

Bis Ende April gab es mehrere solcher nuklearer Anspielungen, denen oft nur ein paar Tage später Äußerungen folgten, die die angespannte Rhetorik wieder entschärfen sollten. So gebe es keinen Grund für den Einsatz von Atomwaffen, unabhängig davon, wie sich die “Operation“ in der Ukraine entwickle, versicherte Kreml-Sprecher Peskow Ende März. Auch der russische Außenminister Lawrow versuchte im April zu beschwichtigen, als er sagte, ein Nuklearkrieg könne nicht gewonnen werden und dürfe nie geführt werden. Dennoch hat der russische Präsident Wladimir Putin erst in der vergangenen Woche erneut mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht. In seiner Rede, in der er seine Bevölkerung über die Teilmobilmachung informierte, warnte er die NATO-Staaten, Russland werde im Falle einer Bedrohung seiner territorialen Integrität und zur Verteidigung seines Volkes mit Sicherheit von allen zur Verfügung stehenden Waffensystemen Gebrauch machen. „Dies ist kein Bluff“, so Putin.

Wolfgang Iischinger über Russlands Isolation und UN-Abstimmungen

Wolfgang Ischinger sagt, Russland sei international immer mehr isoliert. Das sehe man daran, dass nur ein halbes Dutzend Staaten mit Russland gegen eine Resolution über eine Video-Ansprache von Wolodymyr Selenskyi gestimmt haben.

Tatsächlich stimmte in einer UN-Resolution eine überwältigende Mehrheit dafür, dass der ukrainische Präsident ausnahmsweise nicht persönlich vor der UN-Hauptversammlung erscheinen muss, um seine Rede zu halten. Von den 193 UN-Mitgliedsstaaten nahmen insgesamt 127 Länder an der Abstimmung teil. 101 Staaten stimmten für den Antrag, eine aufgezeichnete Video-Ansprache von Wolodymyr Selenskyi zuzulassen. 19 Länder enthielten sich der Stimme und neben Russland stimmten nur 6 weitere Nationen gegen die Ausnahme. Die Russland-Unterstützer waren Weißrussland, Kuba, Nordkorea, Syrien, Eritrea und Nicaragua – Länder also, die von Demokratie und freiheitlichen Gesellschaften weit entfernt sind. Unter den Staaten, die sich enthalten haben, waren unter anderem China und Brasilien zu finden.

Stand: 27.09.2022, 10:09 Uhr